Herrscher der Elemente (1)

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Staub tanzte im Schein der Arbeitslampen

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Staub tanzte im Schein der Arbeitslampen. Der Öltropfen platschte auf das Gewinde und zerfloss in dessen Tiefen. Geschmeidig drehte Maurice die letzte Mutter fest. Es war vollbracht. Seine neue Erfindung würde das Leben der Menschen revolutionieren, seit sie das erste Mal Feuer benutzt hatten. Aus dem Stadtinneren wehte der Klang und die Melodie des ClockTower durch die geöffneten Fenster in die Werkstatt. Es war vier Uhr.

»Feierabend«, flüsterte Maurice und stand auf. An einem verschmutzten Lappen versuchte er seine Hände zu säubern. Fast mechanisch wiederholte er die Bewegung, während er stolz auf sein Werk blickte. Mit Hochdruck hatten er und seine Kollegen das letzte Jahr daran gearbeitet. Es war ein Herd. Kleine runde Kochplatten aus Eisen, die man mit Strom beheizte. Weiße Emaille über dem Korpus sollte Licht in jede Küche bringen. Wollte seine Frau Elsie in Zukunft Wasser für den Fünf-Uhr-Tee im Kessel erhitzen, war dafür kein stinkendes Holz- oder Kohlefeuer mehr notwendig. Er grinste wie ein kleiner Junge, der etwas ausgeheckt hatte. Die Arbeit war getan und nun beeilte er sich, nach Hause zu kommen. Der Lappen landete in der Werkzeugkiste zu seinen Füßen. Mit mehr Schwung als beabsichtigt schlossen sich krachend die Fenster. Heute war Maurice der Letzte. Wie ein Held kam er sich vor und pfiff die Nationalhymne von Convalavor sich hin. Beschwingt ging er zum Garderobenständer in der Ecke, zog sich Weste und Gehrock über, versteckte seine schwarzöligen Hände in eleganten Lederhandschuhen. Zum Schluss stülpte er den obligatorischen Zylinder mit der Schweißerbrille auf seinen Kopf und schnappte sich die abgewetzte Aktentasche, bevor er ins Freie trat. Die schwere Holztür zog er hinter sich zu und schloss ab.

»Das kann nicht wahr sein«, murmelte Maurice, als sein Blick auf dieWolkendecke fiel. Seit drei Wochen zeigte der Himmel nicht ein Zipfelchen Blau. Davon bekam selbst ein Kojote schlechte Laune. Der Herbst präsentierte sich dieses Jahr von seiner grauesten Seite. Da es zu Abend dämmerte, verdüsterten sich die Straßen und Wege und mit ihnen Maurice Gesicht. Nieselregen setzte ein. Auch das noch. Das erinnerte ihn an sein Zuhause und er erschrak.

»Oh, nein! Elsie, hoffentlich hat sie nicht vergessen ...« Seine Stimme brach. Er klemmte die Tasche fest unter den Arm, hieltden Zylinder fest und spurtete mit wehenden Schößen los. Ohne daraufzu achten, dass er Entgegenkommende anrempelte oder ihnen auf die Füße trat. Er hörte die Beschimpfung des verhärmten Kriegsversehrten mit seiner silbernen Beinprothese nicht, spürte die peitschenden Tropfen auf seinem Gesicht nicht, sah die Gefahr der Dampfdroschken und Fuhrwerke nicht, die quietschend knapp zum Stehen kamen. Wie ein Hürdenläufer übersprang er die kleinen Kehrmaschinen, die genauso groß wie eine Melone waren und die Schnittgerinne der Straßen mit Wasserdampf sauber hielten. Vaporis war die aufstrebende Metropole in Convala. Fortschrittlich. Zivilisiert. Modern. Vor zehn Jahren hatten sie die Millionenmarke an Einwohnern geknackt. Viele Familien wählten die Großstadt als ihr Zuhause und gaben ihr ländliches Leben auf. Wissenschaftler und Forscher aus allen Landesteilen siedelten sich hier an. Gaben der Stadt ihr eigenes Gesicht. Mittlerweile suchten in den letzten Jahren die Ärmeren des Landes ebenfalls hier ihr Glück, für die die Baubehörde Mietshäuser errichtete, die mit zehn Geschossen die älteren Gebäude, ja, selbst das Rathaus überragten. Jedoch nicht höher. Denn der ClockTower als Wahrzeichen von Vaporis sollte von jedem Besucher weit vor den Stadtgrenzen erblickt werden. Niemand wohnte auf der Straße oder bettelte. Die Bauvorschriften für die Mietshäuser waren streng reglementiert. Abstände waren einzuhalten und genügend Grünflächen einzuplanen. Verstöße wurden mit hohen Geldstrafen geahndet. Wer zu hoch baute,musste die überzähligen Geschosse abreißen, sonst drohte Enteignung.

Die Wolkenfabrik - Kyhala Archives - LESEPROBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt