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Ein leises Rascheln holte mich langsam aus dem sanften Dunkel des Schlafes. Träge blinzelte ich gegen die Helligkeit an und nach und nach erkannte ich den Stoff eines dunkelgrünen Baldachins über meinem Kopf.

Verwirrt drehte ich den Kopf und der große Raum, dessen Decke und Boden aus Holz gefertigt waren und Wände nur aus Ästen und Blättern bestanden, sah tatsächlich so aus, als befände er sich... in einem großen Baum. Der Gedanke entlockte mir ein Kichern, aber im nächsten Moment kamen die Erinnerungen zurück. Ich befand mich tatsächlich in einem Baum, denn ich war immer noch in Graf Illarions Haus. Der Gedanke, dass ich vielleicht in seinem Bett lag, ließ mich peinlich berührt aus den Bergen von kuscheligen Decken und Kissen springen.

Sobald ich stand, überkam mich ein unangenehmes Schwindelgefühl und ich musste mich abstützen, um nicht umzufallen. Verdammt, was war eigentlich los? Ich hatte mein Leben wirklich nicht mehr unter Kontrolle.

Langsam tapste ich aus dem Raum und folgte dem Rascheln, das von oben kam. Ein wenig außer Atem erreichte ich den Raum, in dem ich Aramis in die Arme gefallen war. Mit der Erinnerung an den Moment kam auch die Erwartung des stechenden Schmerzes, aber er setzte nicht ein. Verwundert starrte ich meinen Arm an, der linke Ärmel meines Leinenhemdes fehlte von der Schulter abwärts. Jemand hatte ihn mir abgeschnitten, stellte ich erschrocken fest.

Und dieser Jemand - plötzlich spürte ich wieder das Gefühl großer Hände auf meinen Schultern, die mich entschlossen auf einem harten Untergrund hielten, während unerträglicher Schmerz durch meinen Körper jagte. Ein Gefühl von Geborgenheit hatte sich trotz der Schmerzen und der Panik über mich gelegt und mich beruhigt. Mir wurde klar, wem die Hände gehörten und Hitze stieg mir ins Gesicht. Hatte Aramis meine Bandage gesehen und gemerkt, dass ich kein Junge war? Was würde er tun, wenn er meine Lüge aufdeckte?

Während ich mir alle möglichen schlimmen Szenerien vorstellte, beschleunigte sich mein Atem und mein Herz begann zu rasen. Als plötzlich Schritte hinter mir erklangen, wirbelte ich erschrocken herum.

Aramis stand in der Tür und starrte mich mit hochgezogener Augenbraue und einem amüsierten Lächeln an. „Hallo", brachte ich heraus und hätte mir dafür am liebsten auf die Zunge gebissen. Aber der Graf lächelte weiter und trat einen Schritt in den Raum. Er war nur noch wenige Meter von mir entfernt und ich konnte das nervöse Kribbeln in meinem Bauch kaum noch unterdrücken.

„Wie geht es dir?" Seine Frage war unverfänglich und einfach, aber als ich den Mund öffnete, wusste ich auf einmal nicht mehr, was ich vorgehabt hatte zu sagen. Mein Kopf war wie leergefegt. Ich sah nur das faszinierende Grau seiner Augen, dass sich pausenlos von einem hellen Silber zu der Farbe eines fast schwarzen Graphits wandelte.

„Ähm... gut, danke." Wenigstens etwas, wenn auch nicht geistreicher als das Starren. Erschrocken über mich selbst schirmte ich meine Gedanken hinter einer Mauer ab, die hoffentlich selbst er nicht überwinden konnte. Er schien es nicht zu merken und wenn doch, verbarg er es gut. Er deutete mit ernster Miene auf die beiden Schwerter, die an dem großen Tisch in der Mitte des Raumes lehnten. Auch im schummrigen Licht des Raumes glänzten sie unverändert und riefen Erinnerungen an das Gefühl der schlanken Griffe zwischen meinen Fingern hervor.

Der Gedanke an die Seelen schnürte mir dennoch die Kehle zu. „Das sind wundervolle Waffen. Sie sind aber etwas ungewöhnlich und es wird eine Weile dauern, dich im Kampf mit ihnen zu unterweisen. Ich würde das Training deswegen gerne verschieben, bis wir wieder in Antragar sind und genügend Zeit haben."

Während er sprach, griff er nach einem der Schwerter und zog es geräuschlos aus der Scheide. Dann schwang er es durch die Luft, ließ die Klinge blitzschnell durch die Luft schneiden und wirbelte sie gekonnt um sein Handgelenk. Gebannt beobachtete ich seine kraftvollen Bewegungen und die geschmeidige Präzession, mit der er sich bewegte.

Letitia - Im Reich der sieben GrafenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt