Das sogenannte „Argument des Schlechten" wird auf den Philosophen Epikur aus dem antiken Griechenland zurückgeführt. Es lautet ausformuliert folgendermaßen: „Wieso gibt es so viel Leid und Übel auf der Welt? Wenn der Schöpfer ein allmächtiger und Gutes wollender Schöpfer wäre, dann dürfte es dieses Leid nicht geben. Ist er nämlich ein gutes wollender Schöpfer, welcher das Übel nicht verhindert, weil er es nicht kann, so wäre er nicht allmächtig. Ist er hingegen allmächtig, unternimmt jedoch nichts gegen dieses Übel, so wäre er nicht gut."
Das ist das Argument. Dieses Argument sehen viele Atheisten und Agnostiker als Hauptgrund oder als einzigen Grund, nicht an einen Schöpfer zu glauben. Viele Philosophen und Denker haben dieser Frage einen beachtlichen Teil ihrer Zeit und Forschung geschenkt, um das „Problem des Schlechten" zu verstehen und zu erläutern. Man muss jedoch klar sagen, dass dieses Argument schwächer ist, als es scheint.
Denn es ist auffällig, dass dieses Argument nicht wirklich etwas mit der Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz des Schöpfers zu tun hat. In der Argumentation über den Schöpfer sagen wir ja nur, dass Er die Ursache dieses Universums sein muss und nicht begrenzt sein kann. Eigenschaften wie „Gut" oder „Böse" oder die Absicht hinter der Schöpfung – Diese Dinge können wir mit unserem begrenzten Verstand nicht beantworten. Die Antworten dafür, müssen von dem Schöpfer selbst kommen. Ein Beispiel, um das zu verstehen: Wenn jemand an deine Tür zuhause klopft, so weißt du, dass jemand für dieses Klopfen verantwortlich ist, aber ob er eine gute Absicht oder eine böse Absicht mit diesem Besuch verfolgt, dies kannst du dir selbst nicht beantworten. Mit anderen Worten, kann dieses Argument zur Widerlegung des Schöpfers nicht angeführt werden.Da die Atheisten aber wissen, dass vor allem in den monotheistischen Religionen beim Schöpfer von Güte und Barmherzigkeit die Sprache ist, benutzen sie das Argument dennoch sehr gerne. Ignorieren wir dennoch den Fehler in der Argumentation und gehen weiter darauf ein.
Es gibt nämlich zwei Tatsachen, welche die Atheisten bei dieser Diskussion komplett außer Acht lassen.
1) Güte und Allmacht sind aus Sicht der Muslime nicht die einzigen Eigenschaften des Schöpfers, sondern noch viele Weitere. Unter anderem die Weisheit und Gerechtigkeit.
2) Wie wir schon wissen, ist unser Verstand begrenzt und kann nicht annähernd alle Dinge erfassen.
Diese zwei Erkenntnisse sind wichtig, um zu verstehen, dass hinter all dem Tun des Schöpfers nicht nur Allmacht und Güte Berücksichtigung finden müssen, sondern auch seine Gerechtigkeit und Weisheit. Gleichzeitig müssen wir verstehen, dass unser Verstand begrenzt ist und somit die Geschehnisse auf der Welt nicht in ihrer Gänze begriffen werden können. Ein Blick in eine Geschichte des Koran, wird uns dabei neue Perspektiven eröffnen, um das besser nachzuvollziehen. Es handelt sich hierbei um die Geschichte von Moses und Khidr. In dieser Geschichte macht Khidr gewisse Aktionen, die Moses sehr schlecht erscheinen. Khidr macht diese Dinge jedoch, weil der Schöpfer es von ihm verlangte und verlangt Geduld von Moses, da er diese Aktionen nicht verstehen wird. So fügte Khidr beispielsweise einem Schiff einen Schaden zu, was Moses als ungerecht empfand, doch durch die Kenntnisse des Schöpfers wusste Khidr, dass diese Aktion die Besitzer des Schiffes davor bewahren wird, dass ihnen ihr Schiff gestohlen wird. Denn es waren Piraten auf See unterwegs, um makellose Schiffe zu stehlen. Der vermeintliche Schaden war also zum Guten für die Schiffsbesitzer. Diese Geschichte sollte uns lehren, dass wir nicht das Anrecht haben und es auch keinen Sinn macht, einen Schöpfer nach seinem Tun zu befragen. Schließlich ist unser Horizont nicht annähernd vergleichbar mit Seinem. Atheisten, welche sich anmaßen, Gott für sein Tun zur Rechenschaft zu ziehen, scheinen sich nicht über diese Tatsache im Klaren zu sein. Eine wichtige logische Grundregel sollte man sich hierbei im Hinterkopf behalten – Das nicht vorhandene Wissen bedeutet nicht das Wissen des Nicht-Vorhandenseins. Mit anderen Worten muss unsere Unkenntnis hinter der Weisheit eines Ereignisses nicht bedeuten, dass dahinter keine Weisheit liegt.
Das Ganze hängt eher mit einer gewissen Überheblichkeit in der Argumentation zusammen, die sich sogar ganz früh beim Satan finden lässt, weil auch er sich anmaßte Gottes Entscheidung sich vor Adam niederwerfen zu müssen, als ungerecht und schlecht zu betrachten. Mit Überheblichkeit ist gemeint, dass man so tut, als hätte man denselben Erkenntnisstand wie der Schöpfer, den man hier für sein Tun zur Rechenschaft ziehen möchte. Diese Prämisse des gleichen Erkenntnisstandes ist aber nicht annähernd gegeben.Ein Kind, was von den Eltern gezwungen wird, ein gewisses Medikament zu nehmen, kann für diesen Moment nicht verstehen, warum seine Eltern ihm dieses Übel antun. Dies, da sein Horizont im Vergleich zu dem seiner Eltern, nicht begreifen kann, was Krankheiten sind und wie sie behandelt werden. Auch ist das Schlechte oft von der Perspektive abhängig – Was für den Einen schlecht ist, kann für den Anderen gut sein. So können beispielsweise sinkende Immobilienpreise für Anlegende schlecht, für Wohnungssuchende jedoch gut sein. Das Schlechte ist viel komplexer, als man auf den ersten Blick annehmen würde. Es ist auffällig, dass das Schlechte oftmals mit Gutem vermengt ist. Krankheiten führen zu Forschung und Vertiefung in Wissen, genauso auch Naturkatastrophen – Krankheiten und Naturkatastrophen sind nicht nur schlecht, sondern bringen auch Gutes mit sich.
Außerdem lernen wir nur durch Gegensätze Dinge kennen. Wie könntest du das Gute schmecken, wenn du nicht auch das Schlechte geschmeckt hättest? Wie kannst du die Schönheit eines Sonnenuntergangs erkennen, wenn du nicht schon zuvor den Anblick von Unschönem erlebt hättest? Oder woher willst du die Gesundheit zu schätzen wissen, wenn du die Krankheit nicht kennen würdest? Erst durch die Erschöpfung, kannst du einen wohltuenden Schlaf genießen.Ein interessanter Gedanke noch. Wenn man zu all dem vorher Gesagten noch die Perspektive des Islams berücksichtigt, dass dieses irdische Leben eine Prüfung ist und dass das wahre Leben danach kommt, dann wird das Bild vervollständigt. Das heißt: Der Muslim betrachtet diese Welt als eine Welt der Prüfung nicht als eine Welt des reinen Vergnügens. Diese Prüfungen geschehen durch vermeintlich Gutes und vermeintlich Schlechtes, was uns widerfährt, doch nichts geht beim Schöpfer verloren, denn Er wird alles im nächsten Leben vergelten. Dieser Einblick des Islams zeigt uns, dass kein Widerspruch existiert zwischen einem allmächtigen und gütigen Gott und dem, was an Übel auf der Welt stattfindet. Dieser Widerspruch taucht erst dann auf, wenn man meint als Mensch mit begrenztem Verstand, definieren zu können, wie sich solch eine Güte auswirken müsste und Gott dann dieser Einschätzung unterwerfen möchte. Dieser Gott, von dem man annimmt, dass Er Himmel und Erde erschaffen hat, sollte eher das Anrecht haben, uns nach unserem Tun zu befragen als umgekehrt, oder findet ihr nicht?
Um das Theodizee-Argument buchstäblich in die Mülltonne zu kloppen, muss erwähnt werden, dass es keine Widerlegung für die Existenz eines Schöpfers ist, sondern wenn überhaupt sogar ein Beleg für die Existenz eines Schöpfers. Und zwar aus mehreren Gründen: Einerseits heißt die Tatsache, dass jemand sagt, es kann wegen all dem Unrecht auf der Erde keinen Schöpfer geben, auch im Umkehrschluss, dass es einen Schöpfer geben muss, weil es auch so viel Gutes und Gerechtigkeit auf der Erde gibt. Andererseits kommt hinzu, dass Schlechtigkeit oder Ungerechtigkeit immer eine Intention beschreiben, welche von irgendeiner existierenden Instanz ausgehen muss. So kann Schlechtigkeit oder Ungerechtigkeit nicht von etwas Nicht-Existierenden ausgeübt werden. Dies bedeutet, dass das Theodizee-Argument nicht nur kein Argument für die Nicht-Existenz eines Schöpfers ist, sondern die Existenz eines Schöpfers selbst voraussetzt, welcher für die vom Menschen erachtete Ungerechtigkeit verantwortlich ist.Abschließend ist dieses Argument eine emotionale Beschwerde des Menschen an einen Schöpfer, dessen Existenz der Mensch rational erfasst hat und nicht leugnen kann. Die Absurdität dieses Arguments wird aus folgendem Beispiel ersichtlich: Es ist so, als ob ein uneheliches Kind seine Mutter fragen würde: „Wer ist mein Vater?" und die Mutter erwidert: „Er ist ein Schuft, der uns verlassen hat, als du erst 3 Monate alt warst." und dieses Kind leitet davon ab, dass ihr Vater nicht existiert, obwohl es keine andere Erklärung für die Existenz des Kindes geben kann, außer dass es einen Vater haben muss, auch wenn das Kind ihn als Schuft ansieht. Denn wenn er nicht existieren würde, macht es überhaupt keinen Sinn, ihn als Schuft zu bezeichnen. So kann man also sagen, dass das Theodizee-Argument sogar ein weiterer Beleg für einen Schöpfer ist, denn wenn jemand sagt, es kann keinen Schöpfer geben wegen all der Ungerechtigkeit, dann geht man hier von einem christlichen, ausschließlich gütigen Gott aus, der nicht verpflichtet, nicht bestraft und ohne Bedingung Heil und Segen bringt. Dieses Gottesbild kann durchaus durch die Theodizee abgelehnt werden, aber gleichzeitig beweist das Theodizee-Argument implizit die Existenz eines anderen Gottesbildes von einem notwendigen Schöpfer, denn wenn jemand sagt „Der Schöpfer ist ungerecht, wenn es ihn gibt.", - Dann geht diese Person basierend auf diesem falschen Gottesverständnis schon davon aus, dass es eine Ursache für das Universum geben muss, er aber sich mit dem christlichen Gottesbild dieses Schöpfers nicht abfinden kann, weil sie mit der Realität der von Menschen als Schlechtigkeiten erachteten Phänomene nicht im Einklang zu bringen ist.
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Gibt es Gott, trotz Bösem auf der Erde?
SpirituellesIn dieser kurzen Abhandlung gehen wir auf das „Argument des Schlechten" ein, welches vom griechischen Philosophen Epikur angeführt wurde. Dieses Argument brachte viele Intellektuelle, darunter Philosophen, Wissenschaftler & Denker zu dem Entschluss...