In einer routinierten Bewegung streiche ich mir mit einem Arm den angesammelten Schweiß von der Stirn und hinterlasse dabei eine weitere dünne Spur Schlamm auf jener. Meine Arme sind dreckig, so auch meine zerfetzten Klamotten und jeder Zentimeter Haut, der unter deren Löchern hervorblitzt. Meine Augen kleben, Muskeln brennen und jede Sekunde scheinen irgendwo neue Schmerzen aufzukommen. Verbissen bahne ich mir trotzdem meinen Weg durch die Wand aus Hitze, die mich umgibt. Meine offene Haut und die unglaubliche Erschöpfung lassen mich meine rationale Wahrnehmung nur verschwommen abrufen, doch ich spüre die eigentliche Kälte der Luft tief in meinen Lungen.
Ich möchte an die Schmerzen am liebsten keine Gedanken mehr verschwenden. Das ist unnötig aufgebrauchte Konzentration und macht meine psychische Situation eher schlechter als besser. Alles was ich möchte ist eine Pause machen, mich hinlegen, kurz alles ruhen lassen, doch würde ich jetzt anhalten, würde ich realistisch gesehen wohl nicht mehr weitergehen. Egal wie oft ich mich versuche vom Gegenteil zu überzeugen. Getrocknete Tränenspuren auf meinen Wangen hinterlassen ein ungutes Gefühl auf der krustigen Haut und erinnern mich an meinen kurzen Nervenzusammenbruch in der letzten Nacht. Ich kann nicht genau sagen wie viel Uhr wir mittlerweile haben, aber es müsste etwa Nachmittag sein. Der zweite, den ich nun hier im Wald verbringe. Ohne Essen und Getränke, ohne Schlaf, ohne Medikamente, ohne den Hauch einer Hoffnung. Ohne den Menschen, der mir wohl das wichtigste ist. Dieser Mensch, der das letzte Bisschen Willen war, was mich zu jedem weiteren Schritt zu überreden schien.
Ich kneife die Augen fest zusammen und versuche meine Sicht zu klären, doch einen Effekt hat es nicht. Jeden meiner Atemzüge höre ich in der Luft widerhallen, das drückende Gefühl in meiner Lunge zwingt mich zum tiefen Atmen und ich meine den Weg der kühlen Luft durch meinen Körper genau nachempfinden zu können.198
Ein altbekanntes Gefühl durchströmt mich: Hoffnung.
Ich hatte seit Ewigkeiten keine Markierung mehr gesehen, welche mir versichern konnte auf dem richtigen Weg zu sein. Ich schließe meine Augen für einen Moment. Der durchsichtige Kasten unter dem hölzernen Pfahl war schon leer. Ein weiterer Mensch, der von der Seele gerettet werden konnte, die ihm am nächsten stand. Ein Teil von mir freute sich für jene Menschen, ein anderer beneidete sie zu sehr um ihnen ihr Glück ohne Hintergedanken zu gönnen.
Ich schiele vorsichtig auf meinen Arm herunter. 212 stand dort, eingebrannt in meine Haut.
Was für ein Mensch mich wohl erwarten wird, wenn ich es bis dorthin schaffe?
Ich habe auf meinem bisherigen Weg schon die unterschiedlichsten Personen gesehen, jüngere und ältere, Frauen und Männer, doch alle mit dem verblassten Schimmern der Hoffnung in ihren Augen, das heller glänzte sobald sie mich erblickt hatten.
Ich hatte jedes Mal nur zögerlich mit dem Kopf geschüttelt und meine Augen dann schnell abgewendet, wollte nicht die Enttäuschung sehen, die unter diesen Umständen unabdingbar war.Ich war mir unschlüssig in welcher Situation mir wohl die Liebste wäre, gezwungen zu warten, ohne die geringste Ahnung ob oder wann eine Chance auf Rettung bestand oder aber die in der ich mich tatsächlich befinde, Anstrengung bis zum Umfallen, nicht wissen was einen hinter der nächsten Ecke erwarten wird. Immerhin habe ich eine Motivation und kann etwas tun was mir sinnvoll erscheint, mich ablenken von den Gedanken, indem ich mich fortbewege. Menschen in den Glaskästen sind ihren Gedanken schutzlos ausgeliefert, können ihre Hoffnungslosigkeit Besitz von ihrem Geist ergreifen lassen.
Ich schätze also ich bin froh hier draußen zu sein, das Schicksal eines Menschen in der Hand, dem Menschen, der mein Herz besitzen soll.201
Ich bin vom Weg ab und an 2 weiteren Kästen vorbeigekommen, ohne sie zu bemerken. Noch 11 Markierungen sind jetzt vor mir.
Ich drehe meinen Kopf kurz ungläubig in die Richtung, aus der ich komme, kann nicht glauben, wie weit ich es bereits geschafft habe. Egal was passiert, jetzt noch aufzugeben wäre eine Niederlage.
Ich kenne einige Menschen, die aufgeben haben, verschiedenste Begründungen habe ich gehört.
Sie haben sich verlaufen, verletzt, wären verhungert, verdurstet, von Tieren gejagt worden.
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Kostory OS-Buch
FanfictionAs you can tell, verschiedene Kostory Oneshots, Updates stetig aber unregelmäßig♡ ▪️Hauptsächlich AU ▪️Fluff