Der Erste November

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"Die Musik ist zu laut!" meckerte ich während ich mir dabei demonstrativ die Ohren zuhielt. "Was?" Ich konnte zwar dieses Wort nicht hören, aber die Lippen von Pamela verrieten es deutlich. "Ich sagte" Kurz stockte ich und nahm sie stattdessen einfach an den Arm, um sie aus der Meute raus zu schleifen.

Als wir draußen in der Kälte standen, versuchte ich es dann noch einmal. "Ich sagte, dass die Musik zu laut ist." Entnervt schaute ich zu den Rauchern, die sich zusammenreißen mussten, nicht die Zigarette aus ihren zittrigen Hände fallen zu lassen. Zum Glück habe ich damit schon lange aufgehört, dachte ich schadenfroh vor mich hin und stieß einen heißen Atem in die Kälte aus.

"Der Sinn von einem Club ist, dass die Musik laut genug ist. Zum Tanzen, weißt du?" scherzte meine beste Freundin mit einer albernen Tanzbewegung, die mich nur fremdschämen ließ. "Pam", murmelte ich mühevoll. "Ich will doch gar nicht tanzen." Ich sah sie qualvoll an und bekam nur meinen eigenen Blick wie ein Spiegelbild zurück.

Pam hatte mich schon seit Monaten angebettelt, mal wieder mit ihr tanzen zu gehen, um irgendwelche Männer kennenzulernen oder einfach Spaß zu haben. Doch ich wollte nie, da mir das alles noch viel zu frisch war. Sie war da natürlich anderer Meinung.

"Du versuchst ja nicht mal Spaß zu haben!" klagte sie stöhnend und zückte sich selbst eine Zigarette aus ihrer Handtasche. "Fuck." Sie drehte sich zu den Rauchern und verschwand, ehe ich etwas sagen konnte. Sie hatte wahrscheinlich wieder ihr Feuerzeug irgendwo verloren, dachte ich mir, während ich ihr hinterher sah und die Stirn runzelte. Nachdem sie in einer Rauchermeute verschwunden war, kam sie mit leuchtendem Stummel am Mund wieder zurück. Ich versuchte mich an einem Lächeln und zog mir meine Jacke an. Ich fing an, zu frieren. "Sorry, Süße.", entschuldige sich Pamela nun und rieb sich dabei die Hände. "Ich will doch nur, dass du wieder lockerer sein kannst und glücklich bist." Nun musste ich wirklich lächeln. Sie war schon immer sehr feinfühlig und achtete auf ihre Freunde, wie eine fürsorgliche Mutter. Ich winkte ab und verzieh ihr damit schnell. "Schon gut. Ich bin eher das Problem. Es ist nur" Mein Satz brach ab, denn ich verschluckte mich und spürte, wie sich meine Kehle kurzerhand verschloss. Es schossen warme Tränen aus meinen Augen und ich konnte es nicht mehr aufhalten. Wie in einem Rennen schossen meine Tränen über meine Wangen und bemalten mein Gesicht. Nun war der Abend wirklich versaut. Ohne Worte schmiss Pamela ihre Zigarette auf den Boden und nahm mich in den Arm. Sie murmelte irgendwas Undeutliches. Doch das reichte mir schon als Trost. Ich blickte tränendurchtränkt in den Himmel und sah ein blasses Sternenzelt. Ob er mich sehen konnte?

Bis WeihnachtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt