...Dann wandert mein Blick zu seinen Augen und ich werde von den Füßen gerissen...
Trauer und Verzweiflung. Das ist alles, was ich sehe, doch da ist noch etwas anderes, etwas verstecktes. Ich kann es nicht erkennen. Noch nie habe ich so traurige Augen gesehen. Der Anblick weckt etwas in mir, etwas, das ich gehofft habe nie wieder zu spüren.
,,Stopp!!!'', schreit die Stimme in meinem Kopf. Ich reiße mich gewaltsam von dem Anblick los, gebe ihm schnell das Wechselgeld und bringe eine halbwegs verständliche Verabschiedung heraus, was in meinem Zustand echt eine Meisterleistung ist. Er verlässt den Laden ohne ein weiteres Wort und ich sehe ihn auch nicht mehr an. Hätte ich ihn angesehen, hätte ich gewusst, dass er sich in mindestens derselben innerlichen Aufruhr befindet, wie ich.
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,,Hast du den gekannt?'', fragt mich Nick, nachdem er das Schauspiel verfolgt hat. ,,Nein!'', gebe ich etwas zu schnell zurück und versteife mich. Nick kommt zu mir und legt mir eine Hand auf die Schuler. Besorgt fragt er: ,,Geht's dir gut?'' Ich nicke nur, weil ich meiner gerade nicht vertraue. ,,Sicher?'' Ich reiße mich zusammen, sehe Nick in die Augen und sage das glaubhafteste ,Ja', das mir jetzt möglich ist. Es ist anscheinend gut genug, denn Nick lässt von mir ab und geht weiter seiner Beschäftigung nach. Ich seufze, teils aus Erleichterung, teils aus der Hoffnung das eben Geschehene dadurch vertreiben zu können und meine Hand wandert unauffällig zu meinem Bauch.
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Ich schließe die Tür zu meiner Wohnung hinter mir zu und lasse mich an ihr hinuntergleiten. Während meiner restlichen Schicht ist zwar nichts weiteres passiert, doch die seltsame Begegnung steckt mir noch immer in den Knochen. Ich mache ein paar tiefe Atemzüge und stehe halbwegs erleichtert wieder auf.
Meine Wohnung ist so eine Art Rückzugsort für mich. Sie ist zwar nicht groß, ich meine was kann man bei meinem Job schon erwarten, doch sie gehört mir allein. Sie ist der Ort an dem ich alle meine Mauern fallen lassen kann und einfach atmen und schlafen kann. Ein Ort an dem ich mich geborgen fühle und müde sein darf.
Mein Weg führt mich von der Garderobe zur Küche und selbst wenn ich keinen Hunger verspüre koche und esse ich etwas. Ich gehe duschen und während das lauwarme Wasser auf meinen Körper prasselt, lasse ich den Tag Revue passieren. An sich eigentlich ein ganz normaler Tag in einem ganz normalen Leben einer ganz normalen jungen Frau - naja, wenn man mal von ihm absieht. Ich sehe seine Augen vor mir und ein Schauder läuft über meinen Rücken. Emotionen kommen wieder hoch, die ich schon lange unterdrückt und Erinnerungen, die ich schon lange verdrängt habe. Ich lasse es gar nicht erst zu Flashbacks oder dergleichen kommen und drehe den Wasserhahn ohne mit der Wimper zu zucken auf kalt.
Gänsehaut breitet sich über meinen ganzen Körper aus und meine Atmung wird schwerer. Ich begrüße das Gefühl, denn alles ist besser als mich zu erinnern.
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Mit dem letzten Tropfen eiskalten Wassers, der aus meinen Haaren tropft, verlassen mich auch jegliche Gefühle. Ich trete aus der Dusche und sehe in den Spiegel. Ich bin ein einziges Wrack, sowohl innerlich als auch äußerlich. Ich reiße mich von meiner Reflektion los und wickle mich in ein Handtuch.
Mir fällt ein, dass Daniel/Taddl wahrscheinlich noch auf eine Nachricht wartet und deshalb hole ich mein Handy und schreibe ihm.
Ich
Ich bin fertig mit arbeiten.
Wann hättest du denn Zeit?
Daniel
Also ich feiere am Samstag eine Party mit Freunden.
Da könntest du gerne mitkommen.
Ich
Ich weiß nicht so ganz. Ich bin nicht besonders gut
darin Menschen kennenzulernen und ich würde vielleicht
auch nur stören.
Daniel
Okay, wie wäre es dann mit Sonntag nachmittags?
Bei mir mit meinen zwei besten Freunden?
Ich
Das klingt gut.
Soll ich irgendetwas mitbringen? Kekse oder sowas vielleicht?
Daniel
Das wäre lieb aber du musst es nicht. Wir sind alle Veganer
also könnte das kompliziert werden.
Ich
Das ist nicht schlimm, ich lebe auch vegan.
Dann ist alles geklärt oder?
Daniel
Ja, bis Sonntag dann.
Ich
Bis Sonntag.
Okay, dann werde ich am Sonntag wohl einen alten Klassenkameraden wieder sehen. Ich habe gemischte Gefühle dazu. Auf der einen Seite freue ich mich, dass er sich an mich erinnert und sogar treffen will, auf der Anderen habe ich Bammel davor, dass er oder die zwei Unbekannten irgendwelche Erwartungen haben, die ich nicht erfüllen kann und ein weiterer Teil von mir hat Angst. Ich habe vor ein paar Stunden erst erlebt, dass eine Kleinigkeit meine Mauern schon fast einstürzen lässt, dass allein Augen reichen um die Vergangenheit in das Präsens zu schieben. Was kann dann wohl ein ganzer Mensch auslösen?
Naja, ich werde es am Sonntag feststellen. Ich hoffe nur, dass ich es nicht bereuen werde.
Hey Leute,
heute kommt noch ein Kapitel, man kann es kaum fassen. Naja, ich bin ehrlich: gewöhnt euch besser nicht daran. Ich schreibe extrem unregelmäßig. Also wirklich von einer Stunde bis zu einem halben Jahr ist alles möglich.
Ich freue mich auf euer Feedback!
Sally
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Vergangenheit │Wavvyboi
أدب الهواةVergangenheit - etwas, das Jana erfolgreich verdrängt hat. Sie führt jetzt ein normales Leben. Doch was ist, wenn sie sich wiederholt? Was, wenn irgendetwas oder jemand sie sich an sie erinnern lässt? Und was, wenn dieser jemand ihre Liebe ist? *Tri...