Tausendmal berührt

Wahrheit oder Lüge

Immer noch sichtlich angeschlagen von den letzten Ereignissen, nahm er sein Handy in die Hand und schaute auf den Display.
Keine Nachrichten!!!
Warum meldete sich Jan nicht? Er schrieb doch sonst jeden Abend und wenn er nur ein kurzes Gute Nacht, schlaf gut war.
Dann muss ich wohl anfangen, dachte er sich und öffnete sein Whats App.
„Hey, ich wollte fragen wie es Dir geht? Hast Du Lust Dich morgen mit mir zu treffen?“
Er legte das Handy beiseite bis es kurz danach klingelte.
Es war eine Antwort.
Na endlich, dachte Tim sich.
„ Mir geht es super. Können wir gerne machen.“
Toll, noch unpersönlicher ging es dann nicht. War sein erster Gedanke.
Enttäuscht und immer noch seelisch geschwächt von diesem ereignisreichen Tag legte er das Handy beiseite und versuchte etwas zu Ruhe zu kommen.
Am nächsten Tag machte er sich dann auf den Weg zu seinem besten Freund, oder was es im Moment auch immer war.
Als er vor der Tür stand und schon ein Finger auf der Klingel hatte, überkamen ihn plötzlich Zweifel.
Zweifel wie dieses Treffen ausgehen wird. Wird danach noch alles so sein, wie zuvor?
Eine leise Vorahnung überkam ihn. Was wenn er sich noch mehr distanzierte, wenn er Jan von seinen Gefühlen die sich immer noch fremd anfühlten erzählte.
Reiß Dich zusammen, ermahnte er sich im Geiste selbst.
Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, drückte er schnell auf die Klingel auf dem der Name Zimmermann zu lesen war.
Tim hörte das leise das Summen des Türöffners und öffnete die schwere Haustür.
Langsam machte er sich auf zu der Dachgeschoß Wohnung.
Er wusste warum Jan sich eine Wohnung in dieser Höhe ausgesucht hatte, immerhin konnte so keiner mehr auf die Idee kommen bei ihm an das Fenster zu klopfen, aber spätestens in der 2. Etage begannen seine Lungen zu brennen und er hechelte nach Luft wie Henry nach einem 2h strammen Spaziergang.
Sorry ich musste Tim an der Stelle einfach mal fronten 
Endlich oben angekommen, stand wie immer die Tür bereits auf und Tim hörte kurze Zeit später ein lautes : Da ist ja der Spacko endlich.
„ Hallo Gisela ich freu mich auch Dich zu sehen.“ Lachte er und ging in die Richtung aus der die Stimme kam.
Jan kam gerade aus der Küche, ging auf ihn zu und umarmte ihn kurz.
„ Ich muss mit Dir reden..“ begannen beide gleichzeitig sahen sich an und mussten schelmisch grinsen.
„ Du zuerst bitte.“ Überließ Tim Jan den Vortritt.
„ Ok, aber komm erstmal rein und setz Dich.“
Jan ließ sich auf den Sessel fallen während Tim sich einen Platz auf dem Sofa suchte.
„ Was gibt es denn?“  Tim war echt gespannt was er zu sagen hatte.
„ Also ich wusste nicht wie es Dir sagen soll..“  schüchtern und verlegen schaute Jan auf den Boden.
„ Du weißt, dass Du mir alles sagen kannst.“
„ Ja ich weiß, aber es ist nicht so einfach.“  Erneut holte er tief Luft und begann erneut seine Gedanken in Worte zu fassen.
„ Also es ist so…“ begann er wieder.
„ Ich wollte mir erst ganz sicher sein, was das genau ist und wie es sich entwickelt.“
Tims Herz schlug nun höher und lauter, so laut das er Angst hatte Jan könnte es hören.
Leise Hoffnung machte sich in ihm breit, dass er das gleiche fühlte.
„ Ja….?“ Flüsterte Tim leise.
„ Ich…“ begann nun Jan wieder, diesmal aber auch leiser und bedächtiger.
„ Es gibt, da einen Menschen in meinem Leben…“ wieder unterbrach er kurz.
Die Hoffnung stieg erneut in Tim auf.
„ Tim, ich habe da jemanden kennengelernt und wir sind zusammen.“
Rums von Wolke 7 auf den Boden der Tatsachen in 3,2,1….
Es zog Tim geradezu den Boden unter den Füssen weg.
Was hatte Jan da gerade gesagt?
Er versuchte seine Enttäuschung, seine Traurigkeit und die dazu gehörende Tränen zurück zuhalten.
Es viel ihm sehr, sehr schwer, aber dennoch riss er sich zusammen. Er wollte sich ja für seinen besten Freund freuen, aber da waren immer noch seine eigenen Gefühle, die er immer noch nicht recht zuordnen konnte.
„ Erzähl, wo habt ihr Euch kennengelernt wie heißt er wie sieht  er aus? Und das wichtigste, warum hast Du mir nicht vorher davon erzählt?
„ Er heißt Jonas, ist 22 und warum ich nichts erzählt habe, ist das ich mir erst sicher sein wollte, wie sich das ganze entwickeln wird. Wir haben lange geschrieben und ich wusste ja nicht ob es mehr werden würde.“
„ Aha.“ Tim kämpfte immer noch gegen seine Enttäuschung.
„ Ich freu mich für Dich.“ Log er das erste Mal in seinem Leben seinen besten Freund an.
„Möchtest Du sehen wie er aussieht?“ Jan strahlte Tim an, der immer noch weiter gegen seine Tränen kämpfte.
„ Ja natürlich.“ 
Jan zückte sein Handy und öffnete seine Fotogalerie.
Schnell öffnete sich das Foto eines Mannes der zum Entsetzen viele Parallelen zu ihm selber zeigte.
Dieser Jonas war groß mit braunen Haaren, strahlend blauen Augen und einem tollen und sympathischem Lächeln.
„ und was sagst Du?“ holte Jan ihn wieder aus seinen Gedanken.
„ Sieht wirklich nett aus. Ihr passt gut zusammen.“ Wobei dieser Satz ihm einen Schlag in die Magengrube gab. Wie gerne wäre er an seiner Stelle gewesen.
Jetzt, morgen und für immer…..  das wurde ihm nun immer bewusster.
„ Aber eins hast Du mir noch nicht verraten. Wo habt ihr euch kennengelernt?“
„ Ach, das war so eine Dating App extra für uns Schwule. Kennst Du eh nicht.“
Neee,kenn ich auch nicht. Ich bin ja noch neu in der Szene. Dachte Tim.
„ Ok jetzt aber genug von mir. Du wolltest mir doch auch was erzählen.“
Tim sah Jan an und wusste wieder nicht wie er beginnen sollte. Plötzlich war er sich nicht mehr sicher ob er Jan die Wahrheit sagen sollte. Jetzt wo er einen Freund hatte.
Also entschied er sich für die halbe Wahrheit.
„ Anna und ich haben uns getrennt.“ Sagte er so schnell, dass sich seine Stimme fast überschlug.
„ Was??? Wieso das denn?“ harkte Jan nach.
„ Ich weiß auch nicht sie meinte, das ich viel zu wenig Zeit für sie hätte und ich mehr Zeit mit Dir verbringen würde, und dann haben wir uns einfach tierisch gestritten.“
Tim schaute ihn traurig an.
Jan schien verärgert zu sein, denn seine Stirn legte sich in Falten.
„ Das tut mir total Leid für Euch.“ Dann ging er zu Tim herüber und zog ihn in seine Arme.
Für Jan nur freundschaftlich. Für Tim war es mehr als das und noch eher er einen klaren Gedanken fassen konnte, füllten sich seine Augen erneut mit Tränen, die sich diesmal den freien Weg über seine geröteten Wangen suchten.
Wenn ich Dir doch nur die Wahrheit sagen könnte. Dachte er sich.