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Es schien mittlerweile eine Art Kodex zu sein, Nagellack und Make-up zu verstauen, Kritzelleien in die Ecke zu pfeffern, aus dem Tiefschlaf aufzuwachen oder die Gedankenraketen zurück zum Unterricht zu lenken, sodass schließlich alle Schüler stock...

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Es schien mittlerweile eine Art Kodex zu sein, Nagellack und Make-up zu verstauen, Kritzelleien in die Ecke zu pfeffern, aus dem Tiefschlaf aufzuwachen oder die Gedankenraketen zurück zum Unterricht zu lenken, sodass schließlich alle Schüler stocksteif auf ihren Stühlen saßen und den Lehrer mit schlagartigem Interesse anstarrten, wenn der Kurs auch nur ansatzweise das Wort prüfungsrelevant aufschnappte. Es war eines der Standarttricks aller Professoren der Wordlife University, die ihre Schüler mental zurück zum Unterricht zurückkatapultieren wollten. Und das wollten viele, denn dafür, dass die Schüler auf eine der angesehenste Universitäten in ganz London gingen, waren sie extrem faul. Mr Quinn verkörperte wohl auch diesen Wunsch, denn wenn es je einen Lehrer gegeben hatte, der die Wunderzutat für Aufmerksamkeit so oft anwendete, dann war er das. Was er jedoch von Anfang an nicht bedacht hatte, war, dass es irgendwann keine Wirkung mehr erzielte, wenn man mindestens fünfmal pro Satz prüfungsrelevant sagte. Außerdem hörte man in seinem Unterricht sowieso lieber einer Schildkröte zu als ihm, denn er gehörte zu den Menschen, welche die langweilige und monotone Stimme einer Alexa mit Sprachausgabe besaßen.

Daher zeigte auch Rina, die unglücklicherweise ebenso im Informatikkurs von Mr Quinn gelandet war, wie auch sonst bloß mageres Interesse zum Unterricht und widmete sich stattdessen ganz ihrem neuen Buch. Zumindest dachte sie, dass es nun ihr gehörte, denn der fremde Junge hatte es ihr doch eindeutig geschenkt, oder?

Schaudernd erinnerte sie sich an den vorherigen Morgen, dank dem sie sich nun mit einem fetten Verband im Gesicht herumschlagen durfte. Dabei hatte sie Verbände in ihrer Kindheit geliebt. ,,Mum, ich werde später Ärztin!" war eines ihrer Lieblingssätze gewesen. Ab dem Alter von 13 Jahren hatte ihre Begeisterung zum Medizinstudium allerdings eine strenge Diät durchgeführt. Stattdessen engagierte sie sich nun ganz und gar für das Studium der Softwaretechnologie, auch wenn sie Mr Quinns Unterricht eher weniger zu ihren Lieblingsfächern dazuzählte.

Was der Junge wohl studierte? Falls er studierte. Auf jeden Fall hatte er einen intelligenten Eindruck gemacht, als er sie so durchdringlich gemustert hatte. Oder als er mit den Füßen gescharrt hatte, während er ihr - wahrscheinlich, ohne über seine Tat nachzudenken - sein Buch gegeben hatte. So, als hätte er sie mit seinem Blick röntgen wollen. Leider musste Rina zugeben, dass sie sich ziemlich durchschaut gefühlt hatte. Sie seufzte. Warum konnte dies jedes Lebewesen außer sie? Erst letztens wurde sie von Murphy, dem schneeweißen Mischlingshund ihrer besten Freundin Leni, durchgescannt, weil sie ihm nicht wie üblicherweise die Hand zum Highfive angeboten hatte.

Leni schaute sie verwirrt an. ,,Ist was?", fragte sie. Wahrscheinlich wunderte sie sich, warum sie stumpf seufzte, anstatt sie mit unnötigen Dingen vollzuquatschen. ,,Nein, alles super. Außer Mr Quinns Unterricht." Grinsend schüttelte Rina den Kopf. ,,Ich denke bloß nach, oder darf ich das auf einer Uni nicht?" Leni setzte einen tadelnden Blick auf, hob drohend ihren Finger und drohte gespielt: ,,Nicht frech werden, Miss Bennett!" Dann brach eine Kicherwelle aus, sodass Rina und Leni sich fünf Minuten später auf dem schmutzigen Fußboden kringelten. Der Junge hinter ihnen schaute sie bloß verstört an, weshalb Leni sich schnell aufrappelte, dem Jungen verführerisch zuzwinkerte und im nächsten Moment starr auf ihrem Stuhl saß und so tat, als würde sie schon die ganze Zeit über aufmerksam Mr Quinn lauschen, der im übrigen gerade mit dem Gesicht zur Tafel stand und eine Formel aufschrieb. Dabei entdeckte sie Rinas -oder ehemals das des fremden Junges- Buch.

,,Ich dachte, du willst die Panembücher nicht mehr lesen, nachdem du die Filme gesehen hast?", fragte sie mit unverhohlener Neugier und schnappte sich das Buch. Rina machte den Mund auf, um zu protestieren, entschied sich letzten Endes jedoch dagegen und berichtete ihr stattdessen von vorne bis hinten vom gestrigen Morgen. Leni musste oftmals prusten, wobei sie viele Bakterien auf dem Tisch verteilte - vor allem, als Rina gerade von ihrem unromantischen Kuss mit der Verkehrsinsel erzählte - und gab andauernd Kommentare ab wie: ,,Diese Omi ist der Hammer!" oder ,,Pah, ich hasse Krankenhäuser!" oder aber sie schrie laut: ,,Oh Gott, wie kann man nur so süß sein und sein Buch verschenken?!" Daraufhin starrte der ganze Kurs mitsamt Mr Quinn sie perplex an, bevor sie in schallendes Gelächter verfielen und zu tuscheln begannen. Eigentlich war Leni sehr bodenständig, wenn es jedoch um Fangirling ging, konnte man sie einfach nicht mehr stoppen.

,,Schauen wir uns das Buch doch mal an", hörte Rina Leni geheimnisvoll murmeln, anstatt sich mit dem lästernden Kurs zu beschäftigen. Im nächsten Moment untersuchten sie gemeinsam das Taschenbuch. Die leicht verblasste Schrift The Hunger Games auf dem schwarzen Cover wies auf, wie alt das Buch schon sein musste, doch ansonsten machte es den Eindruck, als wäre es gerade erst gekauft worden. Nicht einmal die Ecken waren zerknickt, obwohl Rina doch gesehen hatte, wie der Junge es in die Taschen seines großen Hoodies gesteckt hatte. Auch die hauchdünnen Seiten wirkten, als ob sie wie das wertvollste Fundstück einer Grabstätte behandelt worden wären. Perlweiß schienen sie Rina anzustarren, als wollten sie sagen: Ließ mich!

,,Wow", flüsterte Leni ihr beeindruckt zu, ,,der Junge hat das Buch wohl wie einen Schatz behütet." Anstatt zu nicken, zappelte Rina auf mit den Händen. Soeben war ihr etwas aufgefallen. ,,Leni!", sagte sie aufgeregt, ,,Schlag nochmal die Seite mit dem Titel auf!" Sofort blätterte Leni zur ersten Seite. ,,Siehst du das?" Mit dem Finger zeigte Rina auf die linke Ecke. Dort, ganz klein, stand etwas mit Kugelschreiber geschrieben. ,,Kilian Clarke", las sie leise vor.

Kilian besaß eine kaligrafische, ordentliche Handschrift, die sich leicht nach links neigte und einen tiefgründigen Eindruck hinterließ. Mit Ausnahme des C waren alle Buchstaben simpel und ohne Schnörkel jeglicher Art aufgebaut und bloß der wenige Abstand zwischen den Wörtern erinnerte an eine typische Jungenschrift.

,,Denkst du oft an ihn?", wisperte Leni ihr plötzlich zu. Rina gefror das Blut in den Adern. ,,Wie bitte?", fragte sie ein wenig zu patzig.

Leni seufzte, verdrehte die Augen und wiederholte ihre Frage so betont, als würde sie es mit einem Kind zutun haben, das schwer vom Begriff war. ,,Ich denke oft an gestern, aber nicht an ihn persönlich", behaarte Rina leicht zickig. Leni allerdings schaute sie nur mit ihrem du-kannst-nichts-vor-mir-verbergen-Blick an, der klarmachte, dass sie keine Lügen erduldete. ,,Meinetwegen", schmollte Rina, ,,Ich habe jede freie Sekunde an ihn gedacht. Und das beunruhigt mich." Nervös knibbelte sie an ihren Fingernägeln. ,,Verstehst du? Er ist mir vollkommen fremd. Sogar seinen Namen wusste ich bis eben nicht! Er hat einfach Eindruck damit hinterlassen, sich wortkarg zu halten und nur so viel wie nötig preiszugeben."

Nachdenklich schaute Leni sie an und sagte: ,,Wenn er dir nicht aus dem Kopf geht, musst du ihn kennenlernen." ,,Aber wie?" ,,Du hast ihn im Krankenhaus getroffen, sagtest du?" Etwas an Lenis Blick gefiel ihr ganz und gar nicht. ,,Ja?" Sie nickte entschlossen antwortete: ,,Ich habe einen Plan."

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