"Wie geht es deiner Familie?", fragte Yutos Vater mich. "Ich dachte, sie wollten dir erst sagen, dass wir auch hier leben, wenn Yuto wieder wach ist."
Es war also wirklich Yuto.
Chan.
Chan war Yuto. Und Yuto war Chan.
Alles drehte sich im Kreis. Wortwörtlich.
Mir wurde regelrecht schwindelig.
"Entschuldigung", sagte ich. "Ich muss jetzt gehen."
Und ohne ein weiteres Wort verschwand ich aus dem Zimmer und lief den Gang entlang.
"Sakura!", hörte ich Hyunggu rufen, doch ich rannte einfach weiter zu den Treppen, dann hinunter und raus aus dem Krankenhaus.
Wenn Yuto der Junge aus meiner Kindheit war, änderte es alles und auch nichts zugleich.
Das Rätsel meiner Großmutter ergab endlich Sinn. Doch zeitgleich bedeutete es auch, dass ich Chan niemals vergessen könnte, wenn ich an Yuto festhalten wollte.
Doch was nun wirklich wichtig war, war die Tatsache, dass Yuto und Soto jeden Moment nach Hause kommen könnten. Sie durften auf keinen Fall vor mir zurück sein. Ich war nicht sicher, ob ich dafür bereit war Yuto zu sagen wer ich war. Doch ich war mir sicher, dass Soto auf keinen Fall erfahren durfte, wer Yuto wirklich war.
In Gedanken panisch die Straßen entlang rennend bemerkte ich nicht, wie mich zwei Freunde verfolgten um herauszufinden, was im Krankenhaus geschehen war.
Ich hatte die Schule erreicht und rannte bereits am Park vorbei, als mir ein Schauer den Rücken hinunterlief.
Etwas stimmte ganz und gar nicht, das verrieten mir meine Instinkte bereits. Bestätigt wurde mein Verdacht, als um mich herum alle Lichter durchbrannten und ich plötzlich von Dunkelheit umgeben war.
Und dann hörte ich die Stimme meines Bruders rechts von mir. Jedenfalls war ein Teil davon die Stimme meines Bruders. Der andere Teil davon jagte mir den nächsten Schauer den Rücken runter.
"Bevor sie herausfindet, wer du bist, wirst du das erste Leben sein, das ich aussauge!"
Das war eindeutig Sotos Stimme mit einer deftigen Portion böser Geist. Ich musste nicht lange nachdenken um zu wissen, mit wem er sprach. Das Ganze hier bedeutete, dass die beiden es herausgefunden hatten.
Da ich im Dunkeln blind wie ein Maulwurf war, fiel mir nichts Besseres ein, als die Taschenlampe meines Handys einzuschalten und ich erschrak beinahe selbst zu Tode, als ich zwei Dinge erkannte.
Soto trampelte auf Yuto ein.
Und ich stand nicht allzu weit hinter ihnen.
Soto stand mit dem Rücken zu mir und Yuto lag so unter ihm, dass ich ihm direkt ins Gesicht leuchtete.
"HÖR AUF DAMIT, SOTO!", schrie ich, als ein weiterer Tritt Sotos direkt in Yutos Rippen landete.
"Super Timing!", lachte Soto. "Die Darstellerin unseres Dramas bekommt heute einen Ehrenplatz in der ersten Reihe. Möge sie zusehen, wie ihre große Liebe sie erneut verlässt noch ehe sie überhaupt zurück ist."
Das war nicht mehr mein Bruder.
Soto hätte niemals so mit mir gesprochen.
"Hör auf damit, bevor ich dich röste!", stammelte ich. Ich wollte es selbstsicher sagen, doch ich zitterte am ganzen Leib.
War die Zeit gekommen, in der ich meinen Bruder in die Hölle jagen musste?
Ohne Vorwarnung einfach so?
"Versuch es", spottete Soto. "Bis du den Mut dazu gesammelt hast, bin ich mit dem hier fertig!"
Soto packte Yuto am Hals und hob ihn hoch.
Yutos Gesicht verzerrte sich und er versuchte vergebens nach Luft zu schnappen.
"YUTO!", schrie ich und lief automatisch in seine Richtung.
"Nicht!", japste er und ich hielt inne. "Komm nicht näher. Es ist... zu gefährlich."
Wenn Seelen blasser werden konnten, war dies gerade der Fall mit Yuto, doch das war sicher nur Einbildung. Eine Seele konnten nur zwei Dinge töten.
Die Zeit und die Durchtrennung ihres goldenen Lebensfaden.
Wild wühlte ich in meiner Tasche herum. Denn Soto wusste genau, wie er eine Seele töten könnte. Und dieses Wissen ließ jetzt auch Yutos Zeit ablaufen.
Als Soto nach Yutos Lebensfaden griff, überlegte ich nicht mehr und handelte einfach.
Ehe ich mich versah hatte ich den Abstand zwischen uns geschlossen und Soto eine Hand voll Salz über den Kopf geschüttet. Ein Hoch auf die Notfallration Salz, die immer in meiner Tasche darauf gewartet hatte meinen Bruder zu würzen.
Schreiend wandte sich Soto und wirbelte umher. Das Wichtigste jedoch: er ließ Yuto los.
Ich konnte Yuto gerade noch abstützen, bevor er auf den Boden stürzen konnte.
"Aus dem Weg, Mädchen", knurrte Soto, der sich von dem Salz erholte. "Oder ich muss dich noch vor meinem Hauptgang als Vorspeise verzehren."
"Lauf weg, Sakura!" Yuto bestand darauf, während er nach Luft schnappte.
"Yuto", sagte ich eindringlich. "Tu mir heute Abend nur noch einen Gefallen, ja? Pass auf deinen Lebensfaden auf. Da ich gerade offensichtlich Soto verloren habe, würde ich es bevorzugen nicht noch eine zweite Person am gleichen Tag zu verlieren."
"Sakura!", sagte er erschöpft.
"Trau dich!", sagte ich lauter an Soto gewandt. "Versuch ihm auch nur ein Haar zu krümmen und du schmorst in der Hölle."
"Ganz schön vorlaut", lachte Soto und kam selbstsicher auf uns zu. "Als würdest du es über dich bringen, deinen Bruder zu vernichten."
"Du hast dabei eine Sache vergessen", sagte ich, als er nur noch einen Meter von uns entfernt war.
"Die wäre?", spottete er unbeirrt und schloss die Distanz zwischen uns vollkommen.
"Du bist nicht mein Bruder!" Und mit diesen Worten rammte ich ihm den heiligen Dolch meiner Großmutter in die Brust.
Der Geist, der eins mein Bruder gewesen war, hielt inne, starrte mich mit einem schmerzverzerrtem Gesicht an und begann dann übermäßig laut zu schreien und zu brennen.
Schützend stellte ich mich vor Yuto um sicher zu gehen, dass Soto nicht in der letzten Sekunde noch Yutos Lebensfaden durchtrennen würde. Mir konnte er in dem Zustand jedenfalls nichts mehr antun. Dachte ich jedenfalls.
Und dann, für den Bruchteil einer Sekunde bildete ich mir ein Soto in all der Asche zu sehen, die sich von ihm löste. Für einen minimalen Moment bildete ich mir ein sein trauriges Gesicht zu sehen. Und dann schoss er durch mich hindurch, ehe er in tausend kleine Teile zerbrach und sich auflöste.
"Finde heraus, was er der kleinen Sakura immer sagen wollte."
Das waren die letzten Worte meines Bruders, ehe er in die Hölle einmarschierte.
(A/N) Glückwunsch an Pentagon zum first win mit Daisy! So verdient und überfällig! Ich bin stolz wie eine Löwenmama, wenn die Kitten das erste Mal Beute reißen! :)
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Invisible You / Yuto PTG
FanfictionNakamoto Sakura lässt ihre Heimat hinter sich um ein neues Leben in Südkorea zu beginnen. Doch hätte sie geahnt, was sie an ihrer neuen Schule alles erwartet, hätte sie wahrscheinlich niemals Japan verlassen. Zu den neuen Freundschaften, die sie sch...