Perfekt. Ja, so würde meine Mutter mich beschreiben, wenn sie mal wieder mit ihren ach so wichtigen Damen der Berliner Upper Class zusammen sitzt und über den Nachwuchs tratscht. Perfekt. So würde mich mein Vater beim Smalltalk bei einem wichtigen Geschäftsessen mit großen Kunden von ihm beschreiben. Perfekt. Sogar meine Mitschüler auf dem Internat hätten mich so beschrieben, obwohl nahezu jeder dort Sohn oder Tochter eines Multimillionärs ist.
Warum ich perfekt bin? Was es mit mir macht, dass ich perfekt bin? Ich weiß es nicht. Es fragt aber auch niemand. Als Tochter des Besitzers der Größten Herrenausstatter Kette Deutschlands wird einfach angenommen das ich es eben bin. Ich werde darüber definiert, nicht über das perfekt sein. Über meine Eltern, meine Herkunft, meine Wurzeln. Ich bin die Person, nach der sich jeder auf dem Flur umdreht wegen dem makellosen Aussehen. Ich bin die Person, über die alle heimlich in den Pausen tratschen, besonders wenn ich mit einem neuen Freund für neuen Klatsch und Tratsch gesorgt habe. Egal ob ich es möchte oder eben nicht, Menschen haben einen Stereotypen vor Augen, wenn sie an meine Person denken. Kleine Kinder denken „Wow, ihr Leben ist perfekt, so möchte ich auch sein!", wenn es mal wieder Paparazzi Bilder von mir in der Klatschpresse gibt. Dieser Schein trügt. Denn wäre ich immer perfekt gewesen, hätte ich die schönsten Fehler meines Lebens verpasst.
Es begann schon in meiner Kindheit, denn die Dinge, die mich am meisten begeistert haben, waren die Dinge, die verrückt waren. Die eben echt waren. Die klebrige Zuckerwatte an meinen Fingern, als mich unsere Haushälterin einmal mitgenommen hat auf einen Rummel. Die Seifenblasen, die ein Straßenkünstler für mich gemacht hatte, als ich an einem lauen Sommertag vor der Bank eine Stunde lang auf meine Mutter warten musste. Das Konfetti, mit dem ich im Kindergarten an meinem 3.Geburtstag beschmissen wurde. Alles mehr oder weniger belanglose Dinge, die aber die wunderschönen Momente meiner Kindheit perfekt gemacht haben. Aber auch alles Dinge, die Menschen wie meine Eltern als albern und unnötig oder gar als „Sachen für arme Menschen mit denen wir uns nicht bespaßen müssen" abtun.
Was ist, wenn diese Welt noch mehr für mich bereit hält? Was ist, wenn ich während ich versucht habe perfekt zu sein, viele weitere dieser wunderschönen Dinge vielleicht verpasst habe? Eine Vorstellung, die mehr als nur Trauer in mir hervorrief. Eine Vorstellung, bei der mich die so bekannte „fear of missing out" einholte. Aber gleichzeitig auch eine Vorstellung, die mich anstachelte. Ich will nicht die perfekte Tochter sein im Rüschenkleid mit dem vorzeige Leben. Ich will echt sein. Ich will ich sein. Das ist leichter gesagt als getan, wenn man unter dem ganzen Perfektionismus und einem Haufen an Tüll leider vergebens nach seiner individuellen Persönlichkeit sucht. Was also tun, wenn du nicht einmal dich selber kennst? In diesem Moment wurde es mir klar. Ich musste mein Nest verlassen. Das ist die einzige Möglichkeit für mich mich selber zu finden, zu entdecken und zu erforschen. Und das war der Anfang meiner Reise. Wohin? Zu mir selbst. Denn wie schon Pavel Kosorin sagte: „Wer perfekt ist, braucht Hilfe."
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Wer perfekt ist, braucht Hilfe!
Teen FictionDalia. Ein Mädchen aus reichem Hause, das tief im Inneren die Welt entdecken möchte. Sie macht sich alleine auf eine Reise, bei der sie sich selber aber auch den Sinn des Lebens ganz neu entdeckt. Sie hinterfragt Perfektionismus und Normalität und e...