Kapitel 1 - Geschnappt

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Es schaukelt. Hätte sie etwas im Magen gehabt, wäre ihr spätestens jetzt schlecht geworden. Dem stetigen auf und ab nach zu urteilen, liegt sie auf einem Kamel.

Sie spürt einen trockenen Luftzug, ihr Kopf muss also unbedeckt sein. Sie öffnet die Augen. Seltsam. Sie könnte schwören, ihre Augen wären offen.

Warum sieht sie dann nichts? Moment. Selbst mit geschlossenen Augen hätte sie in der Lage sein müssen, das Licht der Sonne auszumachen. Oder war es bereits Nacht?

Nein, unmöglich. Dafür war es noch viel zu heiß. Die Männer müssen ihr etwas eingeflößt haben, dass sie blind macht. Zur Sicherheit. Das ist definitiv zu viel. Selbst für sie. Normalerweise, hätte sie es mit Gleichgültigkeit erstickt. Aber stattdessen regt sich Wut in ihr.

Sie versucht den Kopf zu heben. Etwas hindert sie daran. Ein rauer Strick liegt um ihren Hals. Sie spürt das gleiche auch an Armen und Beinen. Sie muss gefesselt worden sein.

Einen Augenblick windet sie sich und sogar sachte Panik überfällt sie. Die Stricke ritzten nur in ihre Haut, sie lösen sich nicht das kleinste Bisschen.

„Sieh mal einer an. Auch endlich aufgewacht?“

Die Stimme eines Mannes erklingt. Es musste einer der vier sein. Er klingt auf eine seltsame Art gefährlich, jagt ihr einen Schauer über den Rücken. Sie stutzt. Seit wann interessiert es sie, ob irgendwelche Menschen gefährlich waren. Sie war ein Gott! Was konnte ihr schon passieren? Sie bleibt wieder ruhig.

„Was ist? Ist dir schon der Mut vergangen?“

Die Wut und ebenfalls die aufkeimende Panik werden von einer Welle der Gleichgültigkeit verschluckt. Das sind Menschliche Gefühle, auch nach all der Zeit noch. Nichts bleibt über. Nicht einmal der Schmerz an ihren Gliedmaßen. Nichts. Jetzt macht ihr auch die Finsternis vor den Augen nichts mehr aus.

Es ist ohnehin nicht so, als hätte sie sich ohne Augenlicht nicht zurechtfinden können. Was interessiert es sie, was diese Menschen mit ihr vorhaben. Sie würde mitspielen und warten, bis sich ihre Augen wieder beruhigt hatten und dann einfach wieder weiter gehen.

Nach allem sind es eben doch nur Menschen. Sie sind dumme Kreaturen. Und alle gleich. Sie würden sie für ein bisschen Geld verkaufen. Da sie ihre Flügel gesehen hatten, erhoffen sie sich einen besonderen Preis. Das ist alles. Beinahe lacht sie auf.

Wie lächerlich und vorhersehbar die Menschen doch sind. Sie kann kaum noch glauben, dass sie mal einer von ihnen war. Sie waren ganz und gar von ihr eingenommen, dabei haben sie ihre wahre Gestalt noch nicht einmal gesehen.

Noch hat sie lange, leicht gelockte schwarze Haare, die ihr über die Schultern fallen. Dazu grau-blaue Augen und für ein so Sonnen reiches Land wie Ägypten erstaunlich fahle Haut. Man kann wahrscheinlich sagen, sie sei hübsch.

Aber ihr jetziges Bild ist einfach kein Vergleich, zu ihrem tatsächlichen Aussehen. Auch wenn sie nicht besonders eitel war, hatte sie früher oft an dem Rand ihres kleinen Teiches gesessen und ihr Spiegelbild auf der Wasseroberfläche betrachtet.

Ihre wunderschönen, leicht mandelförmigen, grünen Augen mit ihren goldenen Sprenkeln, die wunderbar zu ihrer von der Sonne dunkel gebräunten Haut passte, während ihre silbernen, glatten Haare dazu im Kontrast fast bis auf den Boden fielen.

Der Teich führte sie weiter zu anderen Erinnerungen. Manchmal würde ein Mann sie besuchen kommen – Shingeka – er würde ihr das Haar bürsten und zu einem langen Zopf flechten.

Sie vermisst Shingeka, wie er ihr leicht übers Haar streicht. Ein schmerzhafter Stich fährt ihr in die Brust. In etwa auf Höhe des Herzen. Er soll sie daran erinnern, dass es besser ist, solche Dinge zu vergessen und sie der Gleichgültigkeit zu übergeben.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 16, 2012 ⏰

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Der Wüsten Prinz {On Hold}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt