🎄Schokokeks🎄

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P.o.V Adam
-Aus: Thin, thinner, sick-

Glücklich schaute ich Ally dabei zu, wie sie mit Mike unseren Weihnachtsbaum schmückte. Unsere Wohnung war mittlerweile auch ziemlich hübsch geworden, wir hatten überall gestrichen und alle Möbel waren angekommen. Nur in Allys Büro hallte es noch ein wenig, wobei sich das vermutlich auch ändern würde, sobald sie ihre ganzen Ordner in dem riesen Regal untergebracht und alles mit Bildern behangen hatte.

"Papa?"

Ich schaute fragend auf, in die dunklen Augen meines Adoptivsohnes und lächelte ihn an. "Hm?"

"Hast du auch Colin eingeladen?", fragte er und setzte sich auf meinen Schoß, während er stolz den geschmückten Baum begutachtete. Colin war mittlerweile sowas wie eine Art Onkel für Mike geworden und auch Colin kam ziemlich gut mit dem Kleinen klar.

"Natürlich hab ich das", erwiderte ich. Ich ließ Mike auf meinen Beinen auf und ab hüpfen, der darauf hin heiter auflachte.

"Weiter!", gluckste er und ahmte die Geräusche eines Pferdes nach.

Eine ganze viertel Stunde spielte er Pferd zu Last meiner Beine, bis ich ihn schließlich bat, sich mir zu erbarmen, weil meine Beine langsam nachgaben. Er hüpfte von mir runter und sprintete in sein Zimmer.

Ich erhob mich und half Ally dabei, die ganzen Kartons wegzuräumen, in denen die Weihnachtsdeko war. Sie dankte mir mit einem Lächeln. "Wann kommt Colin denn? Und was ist mit Owen?"

"Kommen beide", meinte ich und schaute kurz auf die Uhr, "So in einer zwanzig Minuten."

"Dann-" Sie hielt kurz inne und verstaute die letzten beiden Kartons die ich ihr angab in der großen Kommode. "Dann kann ich Kaffee und Kuchen vorbereiten", murmelte sie. Ich erkannte den Schatten der sich über ihr Gesicht legte und hielt sie mit meiner Hand auf ihrer Schulter auf. "Soll ich das machen?"

Sie drehte sich zu mir um. Ihre eisblauen Augen versuchten sich an einem Lächeln als sie mit den Schultern zuckte. "Nein, eigentlich nicht..."

"Hey, ich bin echt stolz auf dich, mein Spatz", erinnerte ich sie. Ally atmete tief durch und lächelte mich dankend an. "Lass es uns zusammen machen."

Zufrieden folgte ich ihr. Wir kochten Kaffee und Kakao, für Mike, und schnitten den Kuchen an, den ich gestern gebacken hatte. Ich wollte grade die Kekse auf den Teller kippen, da hielt sie mich auf und nahm mir die Tüte aus der Hand. "Warte...", bat sie leise und stellte den weißen Teller zurück ins Regal.

Sie kam mit einem relativ großem ziemlich hübschen Teller zurück, von dem ich nicht mal wusste, dass wir ihn besaßen und griff nach der Tüte, aus der sie mit spitzen Fingern die Plätzchen nahm und sorgsam jedes einzeln darauf drapierte, sodass es aussah, wie ein Kunstwerk.

Ich fand es ehrlich gesagt schon anstrengend, dass das Auge bei ihr immer mitaß und dass das auch immer sein würde, allerdings hatte es zum einen den Vorteil, dass unser Essen immer hübsch angerichtet war und zum anderen: Wenn es ihr half, mit ihrer Essstörung klarzukommen, dann konnte sie meinetwegen aus ein mal ein Zentimeter großen Paprikastücken ein Mosaik machen, solange wir nicht noch einmal durch diese Hölle laufen mussten.

"Besser", brummte sie und begann das ganze Zeug aus der Küche auf den Esstisch im Wohnzimmer zu stellen. Ich beobachtete sie, wie sie den Tisch deckte, als wäre es ein einmaliges Ereignis. Aber es war verwunderlich, wie manche Sachen banale Dinge plötzlich ganz anders schienen ließen.

Kleinigkeiten, wie zum Beispiel, dass sie kein Tuch in der Hand hatte, um sich hektisch die Kekskrümel von den Fingern zu wischen, wären mir früher nicht mal aufgefallen, heute erfüllte es mich förmlich mit Stolz.

Grade war sie fertig, da fiel ihr Blick seufzend auf die Playmobil Figuren, wie wild verteilt auf unserer Couch lagen. "Mike!", rief sie ihn.

Der kleine kam, ein Spielzeugauto in der Hand, angerannt und schaute neugierig zu ihr. "Ja?"

"Räumst du bitte die Ritter vom Sofa?"

Er nickte und grade als er wiederkam, klingelte es. "Ich geh", meinte ich und öffnete die Tür. Owen und Colin standen, beide überraschend gut gelaunt, da und kamen mit einem "Tach" und einem stumpfen "Hi" in unsere Wohnung.

Das letzte mal als die beiden hier waren, sah es hier noch aus, wie auf einer Baustelle und Mike war von oben mit unten mit weißer Farbe überdeckt worden. Seine schwarzen Haare und seine dunkle Haut waren fast völlig verdeckt gewesen, weil er es tatsächlich geschafft hatte, so sehr an der Leiter zu wackeln, dass die weiße Wandfarbe auf ihn gefallen war.

Es war die reinste Tortur das Zeug wieder aus seinen Haaren zu bekommen.

Nachdem Mike Colin quietschend begrüßt hatte und auch Owen ehrwürdig angesprungen und umarmt worden war, setzten wir uns an den Tisch. Colin nippte an seinem Kaffee und Owen wurde grade über den neusten Schlachtplan der Löwenritter gegen die Drachenritter aufgeklärt. "Und dann nehmen sie einen Rammbock und brechen bei den Drachenrittern ein", erklärte Mike gewissenhaft und wartete auf eine Reaktion.

Owen verkniff sich ein schmunzeln und tätschelte Mike den Kopf. "Und merken die Drachenritter den gar nichts?"

Empört stemmte Mike die Hände in die Hüften und schaute ihn an, als sei er nun von allen guten Geistern verlassen. "Doch natürlich! Hast du noch nie einen Rammbock gesehen?"

"Also wirklich, Owen", pflichtete Colin Mike bei und biss in einen der Kekse.

Skeptisch schielte ich zu Ally neben mir rüber, die ein wenig blass um die Nase war. Es war noch immer nicht einfach für sie, aber sie gab sich wirklich Mühe. Schweigend nippte sie an ihrem Kaffee und starrte auf den Teller mit Keksen.

"Was ist eigentlich aus der verrückten Mutter geworden", erkundigte sich Owen, der nun nicht mehr von Mike belagert wurde.

Ally erwachte aus ihrer Starre und schaute schmunzelnd in die Runde. "Die? Sie schleppt ihr armes Kind immer noch einmal die Woche zu uns. Schrecklich", lachte sie.

Mrs. Harper brachte ihre Tochter, der es an nichts mehr fehlte, so oft in die Psychiatrie in der Ally arbeitete, dass selbst der Professor, der dort arbeitete, sie mittlerweile kannte und wöchentlich bat, nicht mehr herzukommen. Aber diese Mutter war auch wirklich paranoid.

Owen steckte sich einen Keks in den Mund und schob den Teller in Allys Richtung. "Willst du nicht-"

"Ich denke, Mini würde sich schon einen nehmen, wenn sie wollte!", unterbrach Colin ihn scharf und schaute ihn ermahnend an. Als hätte er sich verbrannt zog er die Hand zurück und schaute entschuldigend zu ihr. "Sorry..."

Colin, der sich die Beschützerrolle bei Ally noch immer nicht abgewöhnt hatte, sah sofort zu seiner Cousine. "Du musst keinen davon essen, Mini", wand Colin sich an Ally.

Auch ich spürte, wie ich unruhiger wurde. Wir hatten alle schon die Erfahrung gemacht, was passierte, wenn man sie zu sehr unter Druck setzte und wir wussten alle, dass das nicht gut ausging. Ich hatte keine Lust, dass meine kleine Familie an Weihnachten auseinander gerissen wurde, nur wegen so eines dummen Fehlers.

Ally schaute auf. Ihre braunen Haar fielen ihr vereinzelt in ihr blasses Gesicht. "Ist schon gut." Und dann griff sie über den Tisch und nahm sich den vermutlich schokoladigsten Keks, der auf dem Teller lag.

Mit großen Augen verfolgte ich, wie sie den Keks aß. Sie stand nicht auf und verschwand in der Küche, um ihn wieder auszuspucken und sie hatte auch niemandem angeboten, den Keks zu teilen. Sie hatte ihn einfach gegessen und sie sah lange nicht mehr so verspannt und geladen dabei aus, wie es vor einiger Zeit noch der Fall war.

Es war ein kleines Stückchen Normalität, was grade wie vom Himmel fiel. Nie hätte ich gedacht, mich je darüber zu freuen, zu sehen, wie jemand einen einsamen Schokokeks isst, aber es erfüllte mich mit Freude, als würde irgendwer da oben grade mit Glück for free um sich werfen.

Ich legte meine Hand auf ihren Oberschenkel und streichelte sie zärtlich. Ihre blauen Augen trafen meine. Sie lächelte mich an ohne etwas zu sagen und tat sonst, als wäre gar nichts passiert. "Auf jeden Fall", wand sie sich an Owen, "Werden wir sie irgendwann einfach rauswerfen. Das arme Kind..." Und dann redete sie weiter, als sei es das Normalste, was je passiert wäre.

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