Die Schneeflocken bilden wunderschöne, kleine Eiskristalle an meinen Fensterscheiben. Ich sitze schon seit einer gefühlten Ewigkeit hier am Fenster und beobachte wie die weihnachtlich leuchtende Stadt langsam zugeschneit wird. Dazu dringen die sanften Klänge von Taylor Swifts Lied „Lover" aus meiner Bluetooth Box und es riecht nach Zimtduftkerzen. Ich liebe die Weihnachtszeit einfach, ich könnte stundenlang so am Fenster sitzen an meinem warmen Tee nippen und das Schneegestöber beobachten. Es gibt nur eine Sache, die mir zu einer perfekten Weihnachtszeit fehlt und das ist jemand zum Ankuscheln, jemand zum Händchenhalten während kalten Winterspaziergängen, jemand der mit mir den Baum schmückt, jemand der an Heiligabend mit zu meiner Familie fährt und am Weihnachtsfeiertag dann zu seiner und vor allem einfach jemand den ich unterm Mistelzweig küssen kann. Das Problem ist allerdings nicht, dass ich niemanden finde, das Problem ist, dass ich schon jemanden gefunden habe, aber einfach nicht weiß wie ich ihm das sagen soll. Denn natürlich ist es so klischeehaft wie es nur sein kann ausgerechnet mein bester Freund Lewis und ich weiß einfach absolut nicht wie ich ihm meine Gefühle beichten soll. Ich bin jetzt schon seit fast zwei Monaten in ihn verliebt, um genau zu sein seit Halloween. Zumindest habe ich es da zum ersten mal realisiert.Wir saßen nach einem regnerischen Herbstspaziergang zusammen mit zwei Tassen heißer Schokolade vorm Kamin und ich wollte ihm endlich sein Geburtstagsgeschenk geben. Ich war auf unzählige Flohmärkte gegangen und hatte Stunden auf Ebay verbracht um die alte Analogkamera zu finden, die er schon seit Monaten haben wollte. Als er diese dann auspackte begann sein Gesicht vor Freude zu leuchten und da passierte es. Die flackernden Flammen des Kaminfeuers ließen ihn strahlen wie einen Engel und knisterten romantisch im Hintergrund und seine wunderschönen, blauen Augen glitzerten beim Anblick der Kamera. In diesem Moment versank ich in diesen meerblauen Augen und mein Herz begann in doppelter Geschwindigkeit zu schlagen. Allein das Wissen, dass ich ihm so eine Freude gemacht hatte, machte mich zum glücklichsten Menschen überhaupt und die komplette Arbeit und das Suchen hatten sich ausgezahlt. Als er mich dann umarmte flogen tausend Schmetterlinge in meinem Bauch auf und da wusste ich ich war hoffnungslos verloren.
Seitdem ist es kein bisschen besser geworden, im Gegenteil ich verliebe mich jeden Tag mehr in ihn. Deswegen bin ich auch in letzter Zeit ein wenig auf Abstand gegangen um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit, wo die ganze Stimmung sowieso schon so romantisch und glückselig ist tut es meinem armen, verlorenen Herzen glaube ich nicht gut noch mehr in seiner Nähe zu sein. Ich hoffe er bemerkt es nicht, aber da ich jedes Jahr in der vorlesungsfreien Zeit um Weihnachten in der kleinen Bäckerei im Stadtzentrum aushelfe, wo gerade dann immer sehr viel zu tun ist, hoffe ich einfach er schiebt es darauf. Das würde mir wirklich noch fehlen, dass er gerade jetzt wo ich beginne meine Gefühle in den Griff zu bekommen herausfindet was ich für ihn empfinde.
Plötzlich klingelt es an der Tür. Skeptisch blicke ich auf die Uhr, für die Post ist es auf jeden fall zu spät. Neugierig öffne ich die Tür und spähe hinaus ins Treppenhaus und da steht natürlich, wenn man vom Teufel spricht, Lewis. Er lächelt mich breit an und schließt mich eine warme Begrüßungsumarmung, mein Herz schlägt Saltos und wirbelt die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder auf. „Sorry,falls ich störe, aber wir haben uns gefühlt seit Ewigkeiten nicht gesehen und ich weiß, dass in der Bäckerei gerade bestimmt viel zu tun ist, aber ich brauche echt mal wieder einen Abend zusammen mit dir. Ich hab dich vermisst ", sagt er nun entschuldigend. Ok, wie bildet man nochmal normale Sätze? Es ist ihm also tatsächlich aufgefallen, dass wir uns wenig gesehen haben. Allerdings hatte das auch einen guten Grund, der mir gerade wieder schmerzlich bewusst wird und deswegen sage ich jetzt auch: „Das ist mega lieb von dir und ich würde auch echt gerne mit dir Zeit verbringen, aber ich muss noch.. äh.. ganz dringend Lebkuchen für die Bäckerei backen, die ich während der Arbeitszeit nicht mehr geschafft habe." Lügen konnte ich auch schon mal besser, aber da Lewis und ich uns sonst immer die Wahrheit sagen hoffe ich einfach er glaubt mir. Er legt skeptisch den Kopf schief. „Ich kann dir doch beim Backen einfach helfen, dann geht es viel schneller und macht auch mehr Spaß und danach können wir noch einen Film gucken oder einfach mal wieder reden." So gerne ich mit ihm backen und einen Film gucken würde ich kann das jetzt wirklich nicht. „Aber du kannst überhaupt nicht backen, beim letzten mal hättest du fast meine Küche abgefackelt und das Resultat war auch absolut ungenießbar. Es ist wirklich besser wenn ich das alleine mache. Wir können uns ja mal wieder treffen wenn in der Bäckerei wieder weniger los ist." Jetzt wird der Ausdruck in seinen blauen Augen ganz traurig, was mir das Herz bricht, aber wenn ich ihn jetzt reinlasse wird er früher oder später bemerken was ich fühle und dann bricht er mir mein Herz wirklich. „Was ist los mit dir? Das geht schon gefühlt seit Halloween so. Du bist immer beschäftigt und hast überhaupt keine Zeit mehr für mich. Früher war das auch nie so, da haben wir uns dann wenigstens in deiner Mittagspause oder abends noch kurz gesehen. Hab ich irgendwas falsch gemacht und schieb es ja nicht wieder auf die Bäckerei, ich merk doch, dass da mehr ist." Verzweifelt sieht er mich an und mir fehlen die Worte. Wie kann ich ihm das antun? Wie kann ich mir das antun? Sollte unsere Freundschaft nicht stärker sein als meine Gefühle? Wem mache ich hier eigentlich was vor? Ich kann das nicht länger vor ihm geheim halten. Mit meinen Gefühlen kann er wahrscheinlich umgehen, aber nicht damit wenn ich ihm weiter aus dem Weg gehe. Also ist ihm endlich alles zu sagen wahrscheinlich das geringere Übel. Ich seufze kurz auf trete dann aus der Tür und sage zu ihm: „OK, komm rein. Ich glaub es ist Zeit, dass wir reden." Ein wenig Erleichterung breitet sich auf seinem Gesicht aus als er eintritt, sie wird allerdings überschattet von der Besorgnis in seinem Blick.
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Christmas Lover
RomanceNiemand verbringt Weihnachten gerne alleine. Besonders wenn es da eigentlich jemanden gäbe, den man gerne bei sich hätte, aber einfach nicht weiß wie man ihm das sagen soll.