Schreien

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Ein Blick in die Vergangenheit:

"Valérie, Esmée! Das Frühstück ist fertig!" Die Worte hallten durch das Haus, gefolgt von dem Duft heißem Kaffee und warmen Baguette. "Ja mère, wir kommen gleich!" Die zwei Schwestern liefen mit Eile die Treppenstufen hinunter. Auf der Terrasse blieben sie stehen und blinzelten in die warme Sonne.

"Setzt euch Kinder" sagte die junge Frau. Die zwei Mädchen lächelten und umarmten ihre Mutter nacheinander. "Ich wünsche dir einen guten Morgen" sagte die jüngere der beiden Schwestern.

"Das wünsche ich dir auch Esmée" ihre Mutter gab ihr ein Küsschen auf die linke Wange. Valèrie hatte sich unterdessen schon an den Tisch gesetzt und wartete ungeduldig.

"Wo ist père?" Fragte sie überrascht.

"Er hat gesagt, dass er ein bisschen spazieren gehen wird..."

Esmée runzelte die Stirn. "Und seit wann ist er weg?" Die hochgewachsene Frau, schaute nachdenklich in den Garten. "Seit ungefähr 1/2 Stunden" Im selben Moment klingelte es an der Tür. Valèrie sprang auf und rannte los.

"Hallo Schatz" begrüßte er seine Frau, als er auf die Terrasse trat. "Wir haben uns schon gewundert wo du bleibst!" Sagte sie leicht vorwurfsvoll. "Tud mir Leid, ich war noch in der Stadt... Es sollte eine Überraschung werden" Er setzte sich zu ihnen an den Tisch. "Kinder, wir sind jetzt seit genau 2 Wochen hier." Er grinste. "Und ihr habt jeden Tag fleißig geübt. Heute kam Post für euch an!" Er kramte aus seiner Jackentasche einen Brief und übergab ihn ihnen. Valèrie blickte Esmée mit großen runden Augen an, bevor sie ihn aufriss. Nachdem sie geendet hatte zu lesen, wurden ihre Wange leuchtend rot. "Esmée, Esmée! Sie nehmen uns!" Freudig sprangen sie auf und umarmten sich.

"Bist du sicher das wir den Druck durchhalten?" Fragte am Abend Valérie ihre Schwester. "Ja, ich denk schon!" Mit einem Seufzen kuschelte sie sich in ihr warmes Bett. "...Wir müssen davor unbedingt neue Ballettschuhe und ein neues Tutu kaufen gehen." Plapperte Valèrie weiter. Esmée hörte gar nicht mehr richtig zu und schlief auch schon ein.

Am nächsten Morgen klingelte das Telefon und die Großmutter war am Hörer.

"Liebes, Esmée bist du es?" fragte die älte Dame unsicher. "Ja Großmama, ich bin es" Ein erleichtertes Seufzen war zu hören. "Ich habe schon gehört, dass meine zwei Ekelinen bald in der Ecole de danse tanzen werden!" Esmée lächelte. "Ja, das ist so wundervoll!" Ihre Oma lachte. "Habt ihr auch immer schön geübt?" "Ja, das haben wir!" antwortete Esmée stolz. "Und wie ist die Villa? Dein Vater hat sie ja extra für den Sommerurlaub gekauft" Das Mädchen ließ ihren Blick durch die offenen Zimmer schweifen. "Alles ist hier Lichtdurchflutet und freundlich! Ganz anders wie bei uns in der Wohnung in Paris" Die Großmutter nickte. "Euch bleibt ja noch genügend Zeit, den Sommer zu genießen" sagte sie vernünftig. "Ja, da hast du recht..." antwortete Esmée nachdenklich. "Und wie geht es deiner Schwester? Hat sie die Kette an, die ich ihr geschenkt habe?" "Mhm, sie trägt sie Tag über und Nachts!" Die Dame lachte erneut. "Das freut mich zu hören" Plötzlich begann die Großmutter kräftig zu husten. Sie legte den Hörer weg und Esmée konnte nur noch im Hintergrund die klagenden Hilferuf ihre Oma hören. Erschrocken ließ sie das Telefon fallen. Mit einem lauten Knall, kam dieser auf dem Boden auf.

"Mère, Père!" Schrie sie. Mit schnellen Schritten rannte sie durchs Haus. Doch niemand war zu finden. Keuchend lief das Mädchen in den Garten und fand ihre ältere Schwester schließlich hinter der großen Tanne. "Valérie, Valérie! Wo sind Mère und Père??" Mit weit aufgerissenen Augen blieb sie neben ihrere Schwester zum Stehen. "Sie wollten zusammen in die Stadt, irgendwelche Besorgungen machen... Was ist denn los?" Unter Tränen berichtete Esmée, Valérie was passiert war. "Und du hast das Telefon auf den Boden fallen lassen?" stammelte nun auch das andere Mächen. "Ja" mit gesenktem Blick ließ sich Esmée ins Moos fallen. "Ja, so ist es." Valérie setzte sich neben sie. "Unsere Eltern kommen bistimmt gleich zurück, dann erzählen wir es ihnen. Und ausserdem, vielleicht geht es Oma auch schon wieder besser..." Tröstend legte sie einen Arm um sie.

Doch auch als die dunkle Nacht anbrach, kammen ihre Eltern nicht zurück. Die Mädchen kuschelten sich auf das große Sofa und schliefen unter Tränen ein. Aber auch an dem darauffolgedem Tag, rollte kein Auto die Einfahrt ein. Die Mädchen schworen sich, dass sie noch eine Woche in der Villa bleiben würden, sie erhofften sich die plötzliche Rückkehr ihrer Eltern. Doch die blieb aus. Am siebten Tag, meinte die ältere der beiden, dass sie gehen sollten. Auch wenn der Weg bis in die Stadt, ein Tag dauern würde. Doch Esmée glaubte immer noch an die Rückkehr ihrer Eltern und weigerte sich zu gehen. Am zehnten Tag, während eines Unwetters, ging Valérie. Sie hatte bemerkt, wie sich Esmée verändert hatte und hatte Angst zu bleiben.

So ging sie, alleine.

BallerinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt