Weit entfernte Länder die er besucht hat. Andere Menschen, Pflanzen, Umgebungen, Kulturen, Sprachen, Temperaturen, Gefühle, Musik, Religionen. Interessante Dinge um ehrlich zu sein.
Alle Dinge, die er schon gesehen, gehört, wahrgenommen hat. Aber ei...
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Regentropfen rannen die Fensterscheiben hinab, hinter denen Johnny auf einem weichen Sessel saß und ein Buch las. Gegenüber von ihm auf dem Sofa machte seine Großmutter wie an jedem anderen Tag nach dem Essen ihr Nachmittagsschläfchen, welches für sie unauslässlich war.
Als es dämmerte und noch immer in Strömen regnete, wurden seine Augen schwer und er klappte das Buch zu, nachdem er einen Blick auf die Seitenzahl geworfen hatte. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich mehr in den Sessel sinken, er entspannte seine müden Muskeln, die sich verspannt und versteift hatten, in der Zeit, in denen er mit einem Buch in den Händen gesessen hatte und seine ganze Aufmerksamkeit in dieses gesteckt hatte.
„Warum seufzt du so schwer?”, ertönte die sanfte Stimme seiner Oma von der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Johnny hob den Blick, sah in ihre Augen, schenkte ihr jedoch nur seine halbe Aufmerksamkeit.
„Ich bin nur müde”, sagte er. Seine Stimme war ebenfalls eingerostet und er musste sich kurz räuspern.
„Hast du mal wieder mit deinen Eltern telefoniert?”, fragte sie.
„Ich habe nicht daran gedacht, seitdem ich wieder hier bin”, gestand er. „Aber ich werde es definitiv sobald wie möglich tun.”
„Du bist zu viel unterwegs. Ein paar Wochen hier, dann ein paar Monate in einem anderen Land, dessen Sprache du nicht verstehst, dreimal im Jahr bei deinen Eltern und dann wieder hier. Du schadest dir nur selbst, jedes mal, wenn du nach einer weiteren Reise hier auftauchst gehst du dich duschen, danach sofort ins Bett und den nächsten Tag verschläfst du komplett.”
Johnny schüttelte den Kopf. „Ich kann jetzt nicht aufgeben. Ich weiß, damit anzufangen war eine schlechte Idee, aber ich hatte keine anderen Zukunftspläne, also habe ich das Beste genommen, was ich zur Verfügung hatte.”
„Es hat eine Auswirkung wie eine Droge.”
Er schwieg. Was wäre denn eine passende Antwort gewesen? Dass es sich tatsächlich wie eine Sucht anfühlte, herumzureisen und die Person zu suchen, die man liebte? Wenn man dies aussprechen würde, würde es noch besessener klingen, als es sowieso schon war und das wollte Johnny damit nicht erreichen. Er kam gerade aus Madrid zurück, wo er verschiedene Kurse besucht hatte, von einem Chor zu einem Nähkurs. Er hatte in etwa bei jedem Kurs zwei Wochen mitgemacht und es hatte nichts gebracht. Er hatte in Cafés mit Menschen geredet, auf der Straße Leute mit dem dem Kaffee aus „Versehen” angeschüttet. Und hatte es was gebracht? Natürlich nicht, sonst wäre er nicht wieder im Haus seiner Oma in London.
„Ich weiß”, erwiderte er nur tonlos und stand auf. Das Gespräch würde nicht anders enden als sonst. Er ging in die Küche, aß Obst und ging in sein Zimmer, welches jedesmal, ohne seine Meinung äußern zu müssen (wie seine Großmutter), auf ihn wartete. Er warf sich auf das Bett, mit dem Gesicht in der weiche Decke vergraben, nicht wissend, was er als nächstes tun sollte.
Sein Zimmer war fast nur weiß. Die Wände waren weiß, seine Möbel, sein Teppich und seine Bettwäsche, das Bettgestell, die Fensterläden und die Vorhänge. Nur der Boden war Holz und Pflanzen mit grünen Blättern, die durch den weißen Hintergrund noch grüner wirkten, standen an den Wänden und in den Ecken.
Frustriert fuhr er sich durch die Haare. Er war genervt von dem täglichen Gemecker seiner Großmutter. Jedes Mal, wenn sie Johnny vom Flughafen abholte, sah sie mit einer müden und traurigen Miene zu ihm, da sie es sah, wenn er wieder verkackt hatte.
Viele Omas sagen „Ach, wie groß du schon geworden bist” und „Du bist ja noch hübscher geworden” oder sie sagen einem die Wahrheit ins Gesicht wie zum Beispiel „Hast du zu viel gegessen in der Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben?”. Das erzählten Jaehyun und Mark ihm zumindest immer. Johnny wurde nur in den Arm genommen, dann wieder losgelassen, zum Essen eingeladen, gefragt wie es ihm ergangen war und wenn er erzählte, er hätte wieder versagt, bekam er noch eine Umarmung.
Die ersten Male, als Johnny verreist war und wieder zurückgekommen war, hatte sie aufgeregt gefragt, wie es gelaufen war, mit Freude ihn über das Geschehene ausgefragt, doch wahrscheinlich war es ihr nach einer Zeit zu blöd geworden.
Die Zeit verstrich, während Johnny nur neben dem Fenster saß, welches bis zum Fußboden reichte und unbewusst die Regentropfen zählte, die vor seinem Gesicht auf der anderen Seite der Fensterscheibe hinunterliefen. Die Straße vor dem Haus war von Straßenlaternen in regelmäßigen Abständen gesäumt, die Licht auf das Wasser, welches vom Himmel regnete, scheinen ließ.
Ein leises Klopfen ertönte an seiner Tür. Johnny hob den Kopf und sah seine Oma hineinschauen.
„Ich gehe jetzt schlafen. Wenn du etwas brauchst, ich bin in meinem Zimmer. Gute Nacht”, verabschiedete sie sich.
„Gute Nacht.” Johnny nickte ihr noch zu und schenkte ihr ein schwaches Lächeln, dann ging die Türe zu. Er legte sich kurz darauf in sein weiches Bett, zu faul sich umzuziehen, seine Zähne zu putzen oder sich duschen zu gehen.
Es war leise um ihn herum. Der Regen hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn, sein Herzschlag verlangsamte sich, genau wie seine Atmung. Er starrte permanent auf die Decke über ihn. Gedanken schweiften durch seinen Kopf, doch er konnte keine Sätze oder Fragen festhalten. Es war, als würde man eine neue Sprache lernen, man fragte nach einem Wort, was es hieß, und drei Sekunden später vergaß man es wieder.
Die einzige Frage, welche er sich jeden Tag mindestens einmal selbst stellte war, ob er es jemals schaffen würde, eine Beziehung aufzubauen. Es wirkte unnatürlich, gar unvorstellbar. So unerreichbar.
Die Müdigkeit schwappte über ihn, wie Wasser, was über den Rand des Glases geschüttet wurde, wenn man es schief hielt und es mit schneller Geschwindigkeit auf den Boden goss.
Er deckte sich zu, die Wärme genießend, die sich in seinem Körper ausbreitete. Johnny versuchte, das Chaos in seinem Gehirn zu beruhigen, damit er etwas Schlaf bekommen könnte. Er beruhigte sich, versuchte an nichts zu denken, nur seinen Atem zu realisieren und alles andere ignorieren.
Nur wenige Augenblicke später war er in einem tiefen Schlaf versunken.