Kapitel 1

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Kann man vergessen jemanden zu lieben? Kann einem der verursachte Schmerz egal sein? Heilt der Egoismus die Wunden, die durch schlechte Taten verursacht wurden? Wie kann jemand behaupten zu lieben, wenn das Wohl der geliebten Person unter dem Eigenem steht?

„Du bist zu verrückt Lo, weißt du das eigentlich?", er legte seine Hand spielerisch auf ihre und schaute auf den Horizont. Sie tat es ihm gleich und grinste übers ganze Gesicht: „Du fährst mich an diesen abgelegenen Ort, sitzt mit mir auf einer unendlichen Wiese um mir zu sagen, dass ich verrückt bin?". Das Haar des Jungen schien in einem hellen Braun, während das Sonnenlicht seine Augen wie flüssiges Gold wirken ließ. Das Herz der Braunhaarigen pochte unglaublich schnell gegen ihre Brust, als er seinen Blick auf ihre Augen richtete: „Nicht nur das. Ich weiß wir kennen uns nicht besonders lang, aber du gibst mir das Gefühl dich schon ewig zu kennen. Egal was ich mache, du gehst mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich...". Das Mädchen weitete ihre Augen als er auf einmal aufhörte zu reden: „Du?".
„... Und ich liebe dich.".

*

„Amore, woran denkst du gerade?", mit einem gewaltigen Ruck wurde die Braunhaarige aus ihren Gedanken gerissen. Ihre Mutter legte das Geschirrtuch beiseite, mit dem sie die gespülten Teller abtrocknete: „Denkst du an Diego?". Lorena zuckte leicht bei der Erwähnung seines Namens zusammen. Ein kalter Schauer durchfuhr ihren Körper und überflutete ihren Kopf mit Erinnerungen. Es verging keine Minute, in der sie nicht durch den Schmerz gelähmt wurde. Keine Minute, in der sich ihre Atmung nicht schwer anfühlte. Langsam und zaghaft schlich sich ein unbetontes „Nein" über ihre Lippen. Die Art, wie gleichgültig es über ihre Lippen kam, besorgte ihre Mutter umso mehr. Das Mädchen hätte nie Gedacht, solch eine Leere verspüren zu können. Jede Faser ihres Körpers pochte vor Schmerz. „Lorena, ich sehe doch wie sehr es dich be-", „Ich will nicht darüber reden Mamma, bitte". Tief atmete die ältere Dame ein und betrachtete ihre Tochter. Das Sonnenlicht strahlte direkt in ihre kristallklaren grünen Augen. Ein silberner Schleier umrandete ihre Iris und ließ ihre Augen Trotz der Trauer unbeschreiblich schön funkeln. Mit der rechten Hand griff ihre Mutter nach einigen Strähnen ihres welligen Haares und zog sie sanft über ihre Schulter. Nun begann sie liebevoll und frech zu grinsen: „Sollen wir Joseph über seine neue Freundin ausfragen gehen?". Ein leichtes Schmunzeln überkam ihr bei dem Gedanken, wie der alte Mann sich aufregen würde: „Gerne". 

*

Zwei Mal klingelte das Mädchen an der Tür des Nachbarhauses. Aufgeregt schaute Lorena zu ihrer Mutter, bis sich die Tür mit einem Ruck öffnete: „Ah, Sarina und Lorena. Wie immer eine Überraschung". „Na du, möchtest du uns denn nicht hereinbitten?", wimpernklimpernd setzte ihre Mutter einen Hundeblick auf. Joseph seufzte und rollte die Augen: „Na schön, ich habe aber nicht viel Zeit". Beide nickten und traten in den Flur. Alle sichtbaren Räume waren weiß gestrichen und mit einem einfachen Laminatboden ausgelegt. Sein Haus war nur mit den notwendigsten Möbel bestückt, nirgends waren Pflanzen oder anderweitige Dekorationen zu sehen. Das Einzige was wirklich ins Auge stach, war der Flügel im Wohnzimmer. Metallic schwarz, mit einem vergoldeten Rand. „Also, wie kann ich euch weiterhelfen?", fragte der alte Herr und fuhr sich durch sein schwarzes Haar. Lorena begann zu grinsen: „Erzähl uns etwas über deine Freundin die gestern hier war". „Sie war nicht nur gestern hier, sie wohnt jetzt hier. Ihr Name ist Sarah", der Herr verschränkte seine Arme wohlwissend ineinander, dass er nun beide Damen ins Staunen versetzt hat. Lorena öffnete ihre Kinnlade:

„Sie wird unsere neue Nachbarin? Vielleicht bringt sie ja etwas Farbe ins Haus". „Erhoff dir nicht zu viel Lorena", das Mädchen meinte den Herrn schmunzeln gesehen zu haben. Doch bevor Joseph erneut Luft holen konnte, um etwas zu sagen, kam ihnen eine ältere Frau entgegen. Sie hatte schulterlanges, schwarzes Haar und kühle blaue Augen. Man hätte sie Anfang 40 schätzen können.

„Oh Hallo! Sie müssen unsere Nachbarn sein. Ich bin Sarah", freudig streckte sie ihre Hand in Lorenas Richtung aus. Beim Schütteln der Hand bemerkte Lorena, wie zart und blass diese war. Nachdem auch ihre Mutter mit Freuden die Hand der Dame geschüttet hatte, zog Sarah beide Brauen nach oben: „Ihr solltet heute Abend zum Essen kommen!". Gerade als Joseph erneut etwas einwenden wollte, fiel ihre Mutter ihm ins Wort: „Aber liebend gerne". Joseph seufzte: „Kommt gegen acht". „Oh, das wird perfekt. Sarina, richtig? Ich muss Ihnen unbedingt etwas zeigen, kommen Sie mit", die Dame verwies auf eine Tür am Ende des Korridors. Mit einer Handbewegung Signalisierte ihre Mutter Lorena, dass sie bereits nachhause gehen könne und nicht zu warten bräuchte.

Lorena schaute den alten Mann bemitleidenswert an, dieser grinste jedoch: „Ich weiß genau, dass du das lustig findest. Wir sehen uns heute Abend mit einer leckeren Portion Gemüse für dich". „Das werden wir noch sehen, bis dann", so verabschiedete sich das Mädchen und lief zur Tür. Vorsichtig verlegte sie Gewicht auf die Türklinke und zog sie zu sich. Beim hinauslaufen prallte die Braunhaarige aus dem nichts gegen jemanden: „Oh, tut mir leid". Doch als sie genauer hinsah bemerkte sie, dass es der Junge von gestern war, der den Karton fallen ließ. „Schau' am besten hin, wo du entlangläufst", sagte dieser trocken ohne sie zu beachten. Ohne einen wirklichen Grund zu haben, reagierte das Mädchen gereizt auf seine Antwort: „Oh ja, Natürlich. Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten". Die Braunhaarige wendete sich mit einer finsteren Miene von ihm ab und ging wieder nachhause.

Doch sobald Lorena die Tür schloss, baute sich dieses gereizte Gefühl stärker in ihr auf, bis ihre Brust schmerzte. Es dauerte nicht lange um zu erkennen, dass nicht er es war, der sie sichtbar aufregte. Von einem Moment zum anderen begannen ihre Hände zu zittern und ihre Haut erschien ihr viel blasser als sonst. Ein kalter Schauer durchfuhr ihren Körper, bis sie gleichzeitig zu frieren und zu schwitzen begann. Lorena hetzte auf ihr Zimmer, schloss die Tür und ließ sich auf ihrem Bett nieder. Da die Braunhaarige nicht genau koordinieren konnte, woher der krampfartige Schmerz kam, presste sie mit ihrer rechten Hand gegen ihr Brustbein. Ihr Herz raste, während ihre Atmung unregelmäßiger wurde. Sollte sie jemanden rufen?

„Ruhig atmen, Lorena. Ein und aus", leise rankte das Mädchen um Luft. "Ein und aus", so wiederholte sie den Satz immer wieder, bis das ziehen in ihrer Brust langsam nachgelassen hatte und sich der Druck spürbar auflöste. 

Voller Angst sank sie an ihrer Bettkante hinab: „Was zur Hölle war das...?".

....

𝐼𝓈𝓈𝓊𝑒𝓈Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt