Kapitel 1

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Meine Augen weiten sich, während das Fett der Pizza mein Kinn runterläuft.
Ich lege das kaltgewordene Stück schnell zurück in die Box.

„Du verarschst mich doch, Dad!", schreie ich und erhalte einen mahnenden Blick meiner Mutter, die auch kurz darauf ihr Gesicht verzieht als ihr Blick auf mein Kinn fällt.
„Achte doch bitte auf deine Wortwahl und...", sagt sie bevor sie auf ihr eigenes Kinn zeigt und rumfuchtelt.

Ich zucke entschuldigend mit den Schultern und greife nach Küchenrolle um mir grob das Kinn zu wischen bevor das Fett auf meinen Hoodie tropft.

Neben mir sitzt meine Schwester, die gerade ihren Lippenstift aufträgt nachdem sie ihr Müsli mit Hafermilch aufgegessen hat.
Rubys rubinroter Lippenstift ist ihr Markenzeichen. Ihr Lippenstift und ihre rote Lockenpracht komplimentieren sich gegenseitig und da ist ihr Name nur noch wie die Kirsche auf der Sahnetorte.
Wenn sie jemals ohne diesen Lippenstift außerhalb des Hauses gesichtet werden sollte, weiß man, dass etwas gewaltig schiefgelaufen ist.
Mein Blick gleitet weiter zu ihren Augen.
Die riesigen braunen Augen, machen jedem der auf Frauen steht, die Knie weich. Sie blicken immer zu so observierend und gleichzeitig unschuldig.
Ihre Nase hat einen Höcker, der ihrem Gesicht eine Kontur gibt und sie von anderen abhebt.
Ihre jetzt rot geschminkten Lippen sind nicht sehr voll, aber perfekt geformt. Ein Lächeln dieser Lippen und fast jeder würde betteln um der Grund für dieses Lächeln sein zu dürfen.

Sie richtet sich auf.
Genau, und da ist noch ihr Körper.
Ich würde mich mit meinen eins dreiundsiebzig schon als nicht sonderlich klein bezeichnen, aber neben ihren eins achtzig, bin ich das definitiv.
Ihre athletische Figur lässt einen staunen und selbst ich als ihre Schwester frage mich jeden Tag, wie sie die Kurven an den besten Stellen haben kann.

Ich richte meinen Blick schnell wieder auf meinen Vater, der auch meine Schwester beäugt. Er ist ein nicht sonderlich großer Fan von Rubys roten Lippenstift und ich muss grinsen. Ich komme definitiv nach meinem Dad während Ruby das Abbild meiner Mutter ist. Sowohl charakterlich als auch von Aussehen her. So ziemlich alles kommt von ihr, bis auf ihre Körpergröße und der Höcker auf der Nase, den wir beide von unserem Dad geerbt haben.

Zurück zum Thema.
„Du willst mir allen Ernstes sagen, dass Callister wieder nach San Francisco zieht?", schreie ich dann wieder aufgeregt als ich so richtig begreife, was mein Dad vorhin gesagt hat.
Mein Kindheitsfreund zieht zu mir! Vom anderen Ende der Welt.

Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Ruby teils genervt teils belustigt den Kopf schüttelt.
Mein Dad aber nickt.

„Und rate Mal wer heute Abend zum Essen kommt.", sagt dann meine Mutter und lächelt mich erfreut an.
Nein. Meine Augen fallen mir beinahe aus dem Kopf.

„Warum erfahre ich erst jetzt davon?", kreische ich aufgeregt.

„Sie haben's dir verheimlicht, weil sie wussten, dass du dich Tage lang sonst nicht einkriegst.", ertönt Rubys harmonische Stimme und ich drehe mich empört zu ihr.
Sie wusste es auch?

Sie zuckt belustigt mit ihren Schultern bevor sie ihren Taschenspiegel weglegt.
„Also ich werde gleich abgeholt von Soph, wenn du mitwillst, wisch dir das Pizzafett vom Kinn.", sagt sie und grinst, obwohl ich weiß wie angeekelt sie beim Gedanken von Pizza zum Frühstück ist. Ich winke ab.
Soph ist anstrengend. Da laufe ich lieber.

Sie deutet immer noch auf mein Kinn.
Was kann ich denn dafür wenn Dad am Abend Pizza holt und morgens noch was da ist. Dann wird es natürlich von mir gegessen.
„Dad, dazu muss ich aber kurz sagen, dass ich diese Pizza doch ein wenig zu fettig fand.", werfe ich kurz ein bevor ich meinen Rucksack anhebe.
Wenn die Pizza kalt ist und mir trotzdem fett über das Kinn läuft, dann ist es selbst für mich zu viel des Guten.

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