„Was ist passiert?" Hastig zog Elisa die Tür hinter sich zu und hastete hinter Mira zum Krankenhaus. „Deine Mutter ist noch am Operieren und da kamen so viele Soldaten, ich wusste nicht, was ich tun soll." „Was ist mit den anderen Ärzten?" „Die meisten sind so wie du gerade auf Mittag nach Hause gegangen." Mira begann zu schluchzen und stoppte vor der Tür. „Das sind so viele." „Ist, in Ordnung." Elisa strich der jungen Frau beruhigend über den Rücken. „Du musst nicht mit reinkommen. Hol in der Zwischenzeit einfach noch ein paar der Ärzte. Ich schaffe das schon." „Danke." Mira umarmte Elisa und lief dann die Gasse wieder hinunter. Traurig sah Elisa ihr hinterher. Seitdem die Soldaten ihre Tante geholt hatten hatte sie panische Angst vor ihnen. Aber das konnte man ihr auch kaum verübeln. Jeder hatte Angst vor den Soldaten. Man wusste nie, wann sie kamen, um einen zu holen. Elisa lief es kalt den Rücken runter. Zuerst der Lauscher und jetzt das. Ob sie wohl herausgefunden hatten, dass... Nein. Wie sollten sie das wissen. Es gab sicherlich einen anderen Grund, warum sie hier waren. Elisa straffte ihre Schultern und ging in das Krankenhaus hinein.
Was sie dort sah war definitiv nicht das, was sie erwartet hatte. Die Soldaten waren nicht gekommen, um sie zu holen. Sie waren gekommen, weil sie Hilfe brauchten. Erleichterung durchströmte die junge Ärztin. Es waren nur Patienten. Damit konnte sie umgehen. Sie atmete tief durch, schob ihre Gefühle zur Seite und warf sich eine frische Schürze um.
„Elisa! Dank dem Gleichgewicht. Du bist da." Eine rothaarige Krankenschwester rannte auf sie zu und fasste sie am Arm. „Hier lang." „Rosalie, was ist denn passiert?" Entsetzt ließ Elisa ihren Blick über die Reihen verwundeter Soldaten wandern, während Rosalie sie am Arm weiterzog. „Ich weiß es selbst nicht genau. Auf einmal sind sie alle aufgetaucht. Ohne Vorwarnung. Es soll wohl einen Aufstand gegeben haben, oder so." „Einen Aufstand?" Elisa blieb stehen und fasste Rosalie bei den Schultern. „Hier bei uns etwa?" Das würde noch viel mehr Verletzte bedeuten. Falls überhaupt zugelassen wurde, dass sie die Aufständigen versorgten. „Nein, nein." Rosalie schüttelte den Kopf. „Drüben, auf der anderen Seite anscheinend. Mehr weiß ich auch nicht. Und jetzt komme, wir brauchen dich hier drüben." Sie zog Elisa weiter zu einer Soldatin, die wimmernd auf einer Krankenliege lag. Elisa schob die Gedanken an den Aufstand und die Konsequenzen daran zur Seite. Das betraf sie jetzt nicht. Sie hatte sich jetzt um Patienten zu kümmern und das war alles was zählte. „Hallo." Sie beugte sich zu der Verletzten hinunter und wusch sich die Hände in der Wasserschüssel neben der Liege. „Mein Name ist Elisa. Ich werde mich um dich kümmern. Wie heiß du denn?" „Karina", keuchte die junge Frau. „Karina. Ein schöner Name. Kannst du mir sagen, wo es dir am meisten wehtut?" Routine mäßig begann Elisa den Kopf der Frau abzutasten. „Mein Arm, ich kann ihn nicht bewegen." „Gut, dann sehe ich mir den mal an. Es kann sein, dass das etwas schmerzt." Die Frau atmete zischend ein, als Elisa ihren Arm untersuchte. „Dein Schultergelenk ist ausgekugelt, das haben wir gleich wieder. Kannst du dich aufsetzten?" Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte sie sich hoch und Elisa renkte die Schulter wieder ein. „So, das wäre geschafft." Elisa winkte Rosalie heran. „Kannst du die Schulter fixieren und etwaige Schnitte desinfizieren?" „Klar." Rosalie lächelte der Patientin beruhigend zu und Elisa stand auf. Auf der anderen Gangseite winkte ihr schon eine weiter Krankenschwester. Eine üble Schnittwunde musste genäht werden.Elisa hastete von einem Verletzten zum nächsten. Es waren so viele. Sie wollte gar nicht wissen, wie es den Krankenhäusern der Dracea gerade zuging. „Elisa? Was ist passiert?" Eine Frau mittleren Alters kam hereingestürzt und riss sich die blutbefleckte Schürze herunter. „Mutter!" Erleichtert sah Elisa zu der blonden Frau auf. „Es gab wohl einen Aufstand", sagte sie im Flüsterton, als ihre Mutter nah genug heran war, um sie zu hören. Ihre Mutter wurde bleich. „Hier?" Elisa schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben nur die Soldaten zu behandeln." „Gut, dann schau ich mal, wo ich mich nützlich machen kann." Sie drückte kurz Elisas Schulter und machte sich daran zu helfen. Inzwischen waren auch die anderen Ärzte eingetroffen und Elisa konnte endlich wieder etwas durchatmen. Sie lächelte dem Jungen vor ihr zu und machte dann mit der Naht weiter, an der sie gerade arbeitete.
„Hast du kurz Zeit?" Rosalie stand hinter Elisa und deutete mit dem Kinn auf eine Frau, die in einer Ecke lehnte. „Sie will sich von mir nicht behandeln lassen, hat aber einige fiese Kratzer. Und sie hält ihren Arm ganz komisch." Elisa nickte. „Kannst du den Verband hier für mich in der Zwischenzeit übernehmen?" Rosalie nahm ihr die Leinenstreifen aus der Hand und Elisa näherte sich der Soldatin. Ihre dunklen Augen musterten den Raum scharf und sie wirkte als würde ihr nichts entgehen. Sie war mehr als nur eine einfache Soldatin, vermutete Elisa. Sie holte tief Luft und ging auf sie zu. Rosalie hatte recht gehabt. Aus der Nähe sah man, dass sie mit feinen Kratzern überseht war und ihre rote Ledermontur war mit schwarzem Blut überseht. Dracea Blut. Elisa schluckte schwer. Das war wirklich viel Blut. Die Frau jagte ihr aus irgendeinem Grund Respekt ein. Vielleicht war es die Art und Weise wie sie sich hielt, oder wie ihre schwarzen Augen Elisas durchbohrten so, als könnte sie direkt in ihre Seele schauen. Ihr Schritt stockte kurz, doch dann wandte die Frau ihren Blick ab, umklammerte ihren Arm und der seltsame Moment war vorbei.
„Kann ich mir die Schnitte mal ansehen?" „Nein danke, ich brauche keine Hilfe. Kümmern Sie sich zuerst um meine Soldaten." Ihre Soldaten? Dann hatte sie also recht gehabt. Die Frau war mehr als eine einfache Soldatin. Vielleicht war sie ihre Kommandantin. „Die sind alle in guten Händen. Sie sollten sich die Wunden wirklich ansehen lassen." Elisa dirigierte die Frau ein paar Schritte weiter zu einem Sessel, neben dem ein Tisch mit Desinfektionsmittel und Tupfer stand. Zu ihrer Überraschung ging die Frau mit. „Ich will eine Ärztin, keine einfache Krankenschwester." „Zu einem sind unsere Krankenschwestern ausgezeichnet ausgebildet," entgegnete Elisa, „zum anderen bin ich keine Krankenschwester, sondern eine Ärztin." „Bist du dafür nicht noch etwas jung?" Elisa griff nach den Tupfern und gab etwas von dem Alkohol darauf. Diesen Kommentar bekam sie oft. „Meine Mutter leitet das Krankenhaus. Ich bin hier aufgewachsen und hab schon sehr früh mitgeholfen. Nach der Schule habe ich dann gleich die Ausbildung zur Ärztin gemacht. Das Grundwissen dafür hatte ich ja schon." Sie lehnte sich nach vorne und strich der Frau die dunklen Locken aus der Stirn, um einen Kratzer abzutupfen. Es war nur eine oberflächliche Wunde und musste nicht genäht werden. „Wie heißt du?" Die Soldatin sah sie neugierig an, während Elisa sich ihren anderen Wunden zuwandte. „Elisa, und Ihr?" „Ich heiße Celeste." Elisa blickte hoch zu ihr. Das ungute Gefühl von vorhin war verschwunden und ihr fiel auf, dass die Frau nicht sehr viel älter sein konnte als sie. „Ich seid aber auch noch sehr jung für eine Kommandantin." Celestes Mundwinkel zuckten. „So ähnlich wie du bin auch in dem Beruf aufgewachsen." Sie zischte, als Elisa versehentlich ihren Arm berührte. „Zeigt mal her." Elisa griff nach Celestes Arm und bevor sie ihn wegziehen konnte schob Elisa den Ärmel nach oben. „Eine Brandwunde?" Die dunkle Haut war übersät mit Brandblasen. „Wie...?" Elisas Augen wurden groß. „Sie haben sich verwandelt?" Celeste nickte. Ihr Blick wurde finster vor Zorn. „Mitten im Kampf haben ein paar von ihnen sich in ihre Drachenform verwandelt." Entsetzt sah Elisa die Kommandantin an. Das erklärte dann auch das viele schwarze Blut. Die Soldaten hatten sicher keine Gnade walten lassen. Auf das Verwandeln ohne Erlaubnis stand die Höchststrafe. „Darf ich fragen, was genau passiert ist drüben?", fragte Elisa zaghaft nach. „Nein", antwortete Celeste knapp. „Und jetzt kümmere dich bitte um meine restlichen Wunden ich muss zurück, um Bericht zu erstatten."
Müde striff sich Elisa die Schürze über den Kopf. Es war schon lange dunkel draußen und sie wurden jetzt gerade erst fertig. Viele der Soldaten hatten nur oberflächliche Wunden gehabt, aber einige wenige waren sehr schwer verletzt. Und Celeste war nicht die einzige mit einer Brandwunde gewesen. Elisa ging durch den langen Gang an der Gemeinschaftsküche vorbei und wollte schon raus gehen, als sie sah, dass ganz hinten noch ein Licht brannte. Wer war denn jetzt noch in der Medikamentenkammer? „Hallo?" Langsam ging Elisa auf den Raum zu und stieß die Tür auf. „Mira! Warum bist denn du noch da?" Die blonden Locken der Krankenschwester lugten über einem halbhohen Regal hervor. „Oh, ich mache hier nur noch schnell sauber." Kam es dumpf von der anderen Seite des Regal. „Ist alles in Ordnung?" Elisa ging um die Ecke und sah in Miras rot geränderte Augen. „Ja.." Sie schniefte. „Ich fühle mich nur ein bisschen doof, dass ich vorhin nicht mitgeholfen habe. Jetzt räume ich hier dafür noch etwas auf." „Das kannst du doch auch morgen machen." „Nein passt schon. Ich würde das gerne jetzt machen." Elisa zuckte mit den Schultern. Dann sollte sie halt. Sie würde auf alle Fälle jetzt nach Hause gehen. „Oh, hier. Das hätte ich fast vergessen." Mira hielt ihr eine Handvoll dünner, roter Papierscheine entgegen. „Das hat die Kommandantin hier gelassen." Elisa nahm die Scheine und zählte sie durch. „Zwanzig Scheine? So viel bekommen wir normalerweise nicht." „Ich glaube das soll eine Anregung sein, damit wir nicht zu viel herumerzählen. Kannst du sie noch in die Kasse tun?" „Mach ich. Gute Nacht." „Gute Nacht." Elisa ging aus der Medikamentenkammer in das Büro ihrer Mutter, in der die Kasse stand und hinterlegte dort die Scheine. Dann schloss sie endlich die Krankenhaustüre hinter sich. Sie wollte einfach nur noch ins Bett.
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Aequa
FantasyEigentlich ist Elisa mit ihrem Leben als Ärztin der Magare zufrieden und denkt gar nicht daran irgendetwas zu ändern. Doch dann findet sie in einer Gasse eine verletzte Dracea und sie muss eine Entscheidung treffen. Will sie weiterhin ihr behagliche...