2. Herzschlag

143 26 83
                                    

... als ich am liebsten die ganze Welt verflucht hätte.

Würde mich in diesem Moment jemand fragen, was mir am meisten auf den Magen schlägt, wäre meine einzige Antwort wahrscheinlich ein ausdrucksloses Stieren ins Nichts und mit ganz viel Glück ein geöffneter Mund, der mir zu allem Übel das Aussehen eines reichlich minderbemittelten Karpfens verleihen würde.

Denn die Entscheidung zwischen dem Lärm der plötzlich ziemlich überfüllten Flure, Colton Hills herbem Parfüm, das mir selbst jetzt noch schwer in der Nase liegt und penetrant an vernarbten Wunden kratzt, die schmerzliche Erinnerung an das gestrige Training oder meine beste Freundin Ava Campbell, die soeben meine persönliche Hölle betreten hat, ist wohl so ziemlich vergleichbar mit der Wahl zwischen Pest und Cholera- nichts, was man auch nur im Geringsten braucht, geschweige denn will.

Ich gebe mir nicht einmal die Mühe, meine Abgeschlagenheit zu verstecken und schaue stattdessen dem Mädchen mir gegenüber in die grünen Augen, die unerwarteterweise meine momentane Gefühlslage eins zu eins widerspiegeln.

„Hey" Ein Flüstern, das ich, hätte ich es nicht synchron von ihren Lippen abgelesen, mir genauso gut hätte einbilden können. Statt allerdings etwas zu erwidern, schultere ich meinen Rucksack und bin bereits drauf und dran, mich stur an ihr vorbei, durch die noch offene Tür zu schieben, als mich ihre brüchige Stimme erneut aus der Bahn wirft.

„Ich habe euch gesehen, dich und Colton meine ich." Langsam, wie in Zeitlupe, drehe ich meinen Kopf nach links, um Ava von der Seite zu betrachten. Keine Regung.

„Nun, wenn das dein einziges Problem ist." Und damit schlüpfe ich endgültig aus dem Raum, ohne noch einen Blick zurück zu werfen.

Bis eben habe ich mir vorgenommen, heute oder vielleicht auch übermorgen noch einmal mit Ava zu reden und ihr zumindest die Chance einer Erklärung zu geben, aber damit hat sie definitiv den Bogen überspannt.

Sie ist eine der Wenigen, die von der Sache zwischen Colton und mir wissen, aber das gibt ihr noch lange nicht das Recht, ihre eigenen Fehler dahinter zu verstecken.

Und genau das ist der Punkt, an dem ich merke, dass ich nicht nur verdammt wütend auf sie bin, sondern, dass ich auch nicht vorhabe, so schnell damit aufzuhören. Denn sie hat es schlichtweg nicht anders verdient.

♡︎♡︎♡︎

Pünktlich mit der Klingel, die die Mittagspause einläutet, schnappe ich mir meine Schulsachen, die ich kurzerhand auf dem Weg zur Schulkantine in meinen Spint stopfe, um anschließend weiter dem köstlichen Duft nach Lasagne zu folgen, der in der Luft hängt und stärker wird, je näher ich dem Essensraum komme.

Die erste Hälfte meines heutigen Stundenplans habe ich mehr schlecht als recht hinter mich gebracht. Denn abgesehen, davon, dass sich mein Mangel an Schlaf zunehmend bemerkbar macht, wobei auch die stickige Luft im Klassenraum nicht wirklich zu einer Besserung beigetragen hat, war ich die ganze Zeit so angestrengt darauf konzentriert, Ava neben mir zu ignorieren, dass der bloße Versuch zuzuhören ein Hoffnungsloser blieb.

In der Hoffnung meine schlechte Laune möglicherweise mit Essen verdrängen zu können, trage ich meine eben ergatterte Lasagne wie einen heiligen Gral durch die Mensa, bis ich mir meiner Handlung bewusstwerde und abrupt stehen bleibe.

Ganz zum Leidwesen meines Hintermannes. Colton.

„Pass doch auf!" Dass ich nicht lache. „Habe ich nicht genügend Abstand gehalten und nebenbei vergessen nach vorne zu schauen, oder du?" Unbeeindruckt setze ich meinen Weg fort. Das Schnauben hinter mir entgeht mir allerdings nicht.

Herzschlag-ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt