4. Herzschlag

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... als Amor einen Fehlschuss erzielte.

„Warum so betrübt Süße? Keinen Bock auf Mathe? Kann ich sowas von verstehen. Aber mach dir nichts draus, dafür fällt Physik heute aus und da sich meiner Meinung nach Mathe dort sowieso dezent verirrt hat, kann ich das nur als puren Pluspunkt für uns verbuchen."

Ich hätte es ahnen müssen. Es ist nicht nötig, mich umzudrehen, um zu wissen, wer da hinter mir steht. Hunter Sunchez, mein bester Freund, seitdem wir vor geraumer Zeit entdeckt haben, dass uns nicht nur unser Hang zur Tollpatschigkeit verbindet, sondern obendrein auch noch die Liebe zur Musik und das Talent, sich binnen weniger Sekunden ohne große Anstrengung in die peinlichsten Situationen hinein zu manövrieren. Es gibt wohl kaum einen größeren Sonnenschein an der „Emerald". Und den Tag, an dem wir auf dem Flur zusammengestoßen sind, werde ich nie vergessen.

Da ich für einen kurzen Moment der festen Überzeugung war, Colton habe die Gelegenheit genutzt, mich nun seinerseits öffentlich bloßzustellen, bin ich umso erfreuter stattdessen Hunter vorzufinden.

Zwar habe ich sein Faible für dramatische Auftritte nicht wirklich vermisst, dafür aber seine vor Euphorie triefende Stimme und seine pure Anwesenheit, auf die ich in letzter Zeit unerklärlicherweise öfter verzichten musste, was sich wiederum zunehmend auf meine aktuelle Stimmung auswirkt. Es ist, als hätte mir jemand eine reichliche Dosis Dopamin und Endorphine entzogen.

Sein breites Grinsen nun endlich wieder vor mir zu haben, macht sogar seinen Anteil an Coltons gestriger Aktion in der Cafeteria wett. Denn auch sein Gesichtsausdruck, direkt neben dem Avas, ist mir keineswegs entgangen.

„Hey Hunter, jetzt weiß ich wieder, was mir in letzter Zeit so gefehlt hat." Ein Tippen an die Stelle meiner Wange, wo sich auf Seiner ein Dauergrübchen gebildet hat.

„Und ja, Mathe treibt mich in den Wahnsinn. Man sollte meinen, irgendwann würde ich mich damit abfinden, aber ich fürchte, dieses Fach wird mir auf ewig ein Dorn im Auge sein."

Ich weiß, ich könnte meinem Freund ohne schlechtes Gewissen von meinen eigentlichen Gründen für meine momentane Stimmung erzählen, denn an gegenseitigem Vertrauen mangelt es unserer Freundschaft nicht. Allerdings will ich den Moment nicht zerstören, wo ich es gerade einfach genieße, mal wieder frei zu lachen, zumal ich weiß, dass sich das im Handumdrehen ändern würde, würde Hunters Lachen einer besorgten Miene Platz machen. Und so nehme ich seine vorgefertigte Ausrede liebend gern an.

„Dachte ich es mir doch." Ein Zwinkern. „Sag, was ist das?" Seine Aufmerksamkeit, die bis eben noch mir galt, richtet sich nun voll und ganz auf einen Punkt schräg hinter mir. Und ehe ich mich versehe, greift er an mir vorbei, nur um mir kurz darauf einen kleinen Umschlag unter die Nase zu halten.

„Aufmachen, sofort!"

♡︎♡︎♡︎

Nachdem uns die Klingel in unserem Vorhaben unterbrach, hatten weder Hunter, noch ich die Chance, den Brief auch nur aus seinem Umschlag zu lösen. Und so steckt er nun sicher in den Tiefen meiner Schultasche und mein bester Freund musste sich mit einem Wuscheln durch seine hellbraunen Locken und dem Versprechen, ihn auf dem Laufenden zu halten, zufriedengeben.

Allerdings gelingt es Mr Adams, unserem Mathelehrer, nicht, mich mit seinem wenig spannenden Unterricht von jenem Stück Papier abzulenken. Ihm nicht. Der Person direkt hinter mir allerdings schon.

Denn während sich Prince Charming in mangelhafter Ausführung anfangs noch damit begnügte, einen Arm lässig über die Stuhllehne baumeln zu lassen und mit dieser gegen das Fensterbrett neben sich zu kippeln, geht er nun zunehmend dazu über, sich über den Ball auszulassen.

Und mal abgesehen von der Tatsache, dass dieser erst in ein paar Monaten stattfindet, scheint es Coltons Banknachbarn, Thomas Green, genauso wenig zu interessieren, wie mich.

Fest steht allerdings, dass der Blonde, auch wenn man es kaum glauben mag, weder dumm, noch unbeholfen ist. Und so weiß er auch ganz genau, dass er es nicht nötig hat, mich vor der ganzen Schule bloßzustellen, sondern, dass mir seine geflüsterten Worte so viel mehr wehtun. Ja, Colton hat es förmlich studiert, wunde Punkte auszunutzen und seine Angriffe gezielt und präzise auszuführen.

Wenn ich nicht wüsste, dass er nicht immer so war, könnte ich ihn glatt für den geborenen Racheengel halten, auch wenn mir die Verherrlichung seiner Person zutiefst zuwider ist.

Dem erlösenden Klang der Schulklingel folgend, stopfe ich meine Stifte und Blöcke in meinen Ranzen und bete dabei, den Brief nicht allzu stark in Mitleidenschaft zu ziehen. Allerdings hat der Plan, so viel Abstand wie nur irgend möglich zwischen Colton Hill und mich zu bringen, jetzt definitiv mehr Priorität.

Wie ich keine zwei Minuten später allerdings feststellen muss, sollte ich die Umsetzung meiner Pläne ganz klar noch einmal überdenken. Denn mir gegenüber steht der Badboy höchst persönlich, der nicht davor zurückschreckt, mir mitten im Gang aufzulauern, nur, um mich unbemerkt in ein leeres Klassenzimmer zu ziehen. Und zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass er mit seinen Zielsetzungen mehr Erfolg zu haben scheint, als ich.

Der einzige Ausweg, nämlich die Tür, ist versperrt und aufgrund Coltons gut gebauter Statur verwerfe ich den Gedanken, ihn beiseite zu rempeln direkt wieder. Es würde ja doch nichts bringen.

„Was willst du von mir?" Ich seufze ergeben auf, lasse mich in der weit entferntesten Ecke von ihm nieder und schaue ihn erschöpft an. Von meinem Kampfgeist von gestern scheint nichts mehr übrig zu sein. Zu kräfteraubend waren die Ereignisse in letzter Zeit.

„Ich will mich versichern, dass du etwas aus deinen Fehlern gelernt hast. Mit mir sollte man sich nicht anlegen."

Und wie ich aus meinen Fehlern gelernt habe. Gib einem Jungen nie zu viel Macht über dein Herz, oder er wird es dir schneller brechen, als du mit den Wimpern klimpern kannst.

„Weißt du Colton, die Tatsache, dass du nicht einstecken kannst, ohne doppelt so hart zurückzuschlagen, ist mir nicht neu." Meine Stimme bleibt ruhig und ich vermeide es stark, auch nur in seine Richtung zu schauen. „Und ich behaupte nicht, dass ich besser im Einstecken bin, aber ich habe immer noch genug Herz, die Grenze zu erkennen und zu wissen, wann es besser ist, aufzuhören. Und vor allem weiß ich, dass es sich nicht lohnt, Anderen jeden kleinen Fehler unter die Nase zu reiben, um seine Eigenen zu verharmlosen. Das macht einen nicht glücklicher, nicht weniger schuldig. Und das weißt du, wenn du ehrlich zu dir selbst bist."

Ich kann an seinen Augen erkennen, wie etwas in ihm bricht, wie seine Fassade zu bröckeln anfängt. Ganz kurz. So kurz, dass ich es mir womöglich auch eingebildet haben könnte. Dennoch weiß der Junge in der gegenüberliegenden Zimmerecke ganz genau, dass ich Recht habe. Und ich weiß, dass er das niemals zeigen würde.

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Erst einmal wow... Euer wahnsinniges Feedback, seien es Kommentare, Votes etc., hat mich völlig umgehauen! Vielen lieben Dank dafür! <3

𝑱𝒆𝒕𝒛𝒕 𝒉𝒂𝒃𝒆 𝒊𝒄𝒉 𝒏𝒐𝒄𝒉 𝒆𝒊𝒏 𝒂𝒏𝒅𝒆𝒓𝒆𝒔 𝑨𝒏𝒍𝒊𝒆𝒈𝒆𝒏... 𝑼𝒏𝒅 𝒛𝒘𝒂𝒓 𝒉𝒂𝒕 ayuciel 𝒆𝒊𝒏 "𝑩𝒖𝒄𝒉 𝒅𝒆𝒓 𝑺𝒆𝒍𝒃𝒔𝒕𝒑𝒓𝒐𝒎𝒐" 𝒗𝒆𝒓𝒐̈𝒇𝒇𝒆𝒏𝒕𝒍𝒊𝒄𝒉𝒕. 𝑫𝒊𝒆𝒔𝒆𝒔 𝒆𝒓𝒎𝒐̈𝒈𝒍𝒊𝒄𝒉𝒕 𝒆𝒔 𝑨𝒖𝒕𝒐𝒓𝒆𝒏/-𝒊𝒏𝒏𝒆𝒏, 𝒅𝒊𝒆 𝒏𝒐𝒄𝒉 𝒂𝒎 𝑨𝒏𝒇𝒂𝒏𝒈 𝒊𝒉𝒓𝒆𝒓 𝑮𝒆𝒔𝒄𝒉𝒊𝒄𝒉𝒕𝒆 𝒔𝒕𝒆𝒉𝒆𝒏, 𝒐𝒅𝒆𝒓 𝒔𝒊𝒄𝒉 𝒎𝒆𝒉𝒓 𝑨𝒖𝒇𝒎𝒆𝒓𝒌𝒔𝒂𝒎𝒌𝒆𝒊𝒕 𝒇𝒖̈𝒓 𝒊𝒉𝒓 𝑩𝒖𝒄𝒉 𝒘𝒖̈𝒏𝒔𝒄𝒉𝒆𝒏, 𝒆𝒕𝒘𝒂𝒔 𝒎𝒆𝒉𝒓 𝑩𝒆𝒌𝒂𝒏𝒏𝒕𝒉𝒆𝒊𝒕𝒔𝒈𝒓𝒂𝒅 𝒛𝒖 𝒆𝒓𝒓𝒆𝒊𝒄𝒉𝒆𝒏. 𝑰𝒉𝒓 𝒌𝒐̈𝒏𝒏𝒕 𝒅𝒐𝒓𝒕 𝒆𝒖𝒆𝒓 𝑩𝒖𝒄𝒉 𝒗𝒐𝒓𝒔𝒕𝒆𝒍𝒍𝒆𝒏 𝒖𝒏𝒅 𝒆𝒖𝒄𝒉 𝒈𝒆𝒈𝒆𝒏𝒔𝒆𝒊𝒕𝒊𝒈 𝒎𝒊𝒕 𝒂𝒏𝒅𝒆𝒓𝒆𝒏 𝑨𝒖𝒕𝒐𝒓𝒆𝒏 𝒂𝒖𝒔𝒕𝒂𝒖𝒔𝒄𝒉𝒆𝒏 𝒖𝒏𝒅 𝒖𝒏𝒕𝒆𝒓𝒔𝒕𝒖̈𝒕𝒛𝒆𝒏. 𝑭𝒂𝒍𝒍𝒔 𝒊𝒉𝒓 𝒏𝒆𝒖𝒈𝒊𝒆𝒓𝒊𝒈 𝒔𝒆𝒊𝒅 𝒖𝒏𝒅 𝑰𝒏𝒕𝒆𝒓𝒆𝒔𝒔𝒆 𝒉𝒂𝒃𝒕, 𝒔𝒄𝒉𝒂𝒖𝒕 𝒈𝒆𝒓𝒏𝒆 𝒎𝒂𝒍 𝒂𝒖𝒇 𝒊𝒉𝒓𝒆𝒎 𝑷𝒓𝒐𝒇𝒊𝒍 𝒗𝒐𝒓𝒃𝒆𝒊! :)

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