K A P I T E L Z W E I

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Ein Gähnen unterdrückend griff ich nach meinem Tablet und zog es aus meiner Tasche. Gleich würde die erste Vorlesung dieser Woche starten und vorbildlich wie Eh und Je schrieb ich so gut wie jedes Wort auf meinem iPad mit. Ich liebte das, alles so ordentlich wie möglich mitzuschreiben und meine Notizen nach der Vorlesung noch nachzuarbeiten. 

Ich griff nach der Thermoskanne Kaffee und nahm einen großen Schluck. Es war gerade mal Acht Uhr und somit eindeutig zu früh für mich. Wenn ich einiges war, aber garantiert kein Frühaufsteher. Samira ließ sich neben mich fallen und sah genau so fertig aus wie ich. 

Samira und ich kannten uns seit dem ersten Tag hier in Stanford. Unser kennen lernen lief nicht ganz so, wie man sich ein kennenlernen vorstellte. Anscheinend konnten wir beide gleich schlecht Auto fahren. Es war ein recht glücklich abgelaufener Unfall, wenn man es so nennen konnte. Wir beide waren unverletzt und nur unsere Autos hatten ein paar Dellen.  Ich kann mir bis heute nicht erklären wie der Unfall zustande kam. 

"Morgen.", grummelte ich leise und Samira antwortete in der gleichen Tonlage dasselbe. 

"Bist du bereit für das Examen heute?", fragte ich schließlich und drehte mich ein wenig in ihre Richtung. Im Gegensatz zu mir hasste Samira die Ordentlichkeit und ich bezweifelte beinahe, dass sie auch nur wusste, dass wir heute ein Examen hatten. Keine Ahnung wie sie es hier her geschafft hatte. 

"Ach man. Die Nacht war echt zu heftig, ich war mit Philip und Georgina unterwegs, bestimmt bis vier Uhr. Ich  hab gar nicht mehr an das blöde Examen gedacht." Samira stöhnte auf. "Ich hab den schlimmsten Kater meines Lebens. Sowas mach ich garantiert nie wieder." 

"Das sagst du jeden zweiten Tag.", schmunzelte ich und sah den Dozenten an, welcher den Saal betrat und sofort mit dem Unterricht begann. Während ich also alles mitschrieb und versuchte, dem Dozenten zu folgen. Samira neben mir gab sich nur halb so viel Mühe. Ab und an schrieb sie ein paar Worte auf, beschäftigte sich jedoch eher damit, sich für das Examen vorzubereiten. 

Viel zu langsam verging die Zeit und als die Vorlesungen endlich beendet wurde, standen wir auf und ich schaltete mein iPad aus. Lange hatte ich auf das Teil gespart. Meine Mom hatte mir den Apple Pencil dazu geschenkt bevor ich von zuhause los gefahren war. Ich war ihr echt dankbar dafür gewesen, gerade, weil sie auch meine Studiengebühren bezahlte und die nicht gerade billig waren. So war der Deal. Meine Mom hatte darauf bestanden, wenn sie schon nicht für die Unterkunft bezahlte. Das, wiederum, wollte mein Dad nämlich nicht.

Samira und ich setzten uns nebeneinander und holten einen Stift aus der Tasche. Meine Finger waren etwas feucht und gribelten vor Nervosität. Mein erstes Examen. Ob es schwierig war? Ob es zu schwierig war? Jetzt bekam ich Panik. Oh Gott. Ich würde das hier vermasseln. Mein Studium war gelaufen, ich würde arm und allein enden. Ich werde mir nicht mal Katzen leisten können. Verflucht, ich hatte doch nicht mal einen Notfallplan! Ich-.. meine Gedanken wurden von dem Professor unterbrochen, der geradewegs zur Tafel lief und in großen Buchstaben "EXAM" an die Tafel. Dann teilte er die Zettel aus. Ich atmete tief ein. Dann warf ich einen Blick auf den Zettel. Verwirrt blinzelte ich. Das... das war doch kein Architekturexamen. 

Zögernd hob ich den Arm und sah mich um. Alle schrieben aufgeregt, ebenso Samira. Wie? Ich sah erneut auf das Blatt. Da waren nicht mal Fragen. 

"Keine Fragen während des Exams!", sagte der Professor von vorn und verdrehte die Augen. Ich glaubte ihn etwas wie "Dumme Erstsemester" murmeln zu hören, doch es konnte genau so gut Einbildung gewesen sein.  

"Aber-" "Keine. Fragen. Sie können den Raum auch gerne verlassen, Miss!" 

Zittrig holte ich Luft. Ich  war kurz davor, anzufangen zu heulen. Fest biss ich mir auf die Lippe. Mein Blick wurde bereits verschwommen. Auf dem Zettel war ein Schlachtfeld abgebildet. Ein engelsgleicher Mann stand neben einer ebenso engelsgleichen Frau. Die Frau schien zu lachen, während der Mann grimmig auf ein schemenhaft erkennbares Etwas auf dem Boden starrte. 

Ich starrte konzentriert auf das Bild, starrte auf den Mann und die Frau sah auf das... Ding am Boden... überlegte zwanghaft, was das Bild mit Architektur zutun haben konnte, als sich der Kopf des Dinges zu bewegen begann. Ich blinzelte. 

"Du wirst sterben, Lillith!", kreischte die Stimme aus meinem Traum von heute Nacht erneut und ließ mich aufschreien. 


Foreign BodyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt