K A P I T E L E I N S

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Schweiß gebaden schreckte ich auf. Die kreischende Stimme dröhnte in meinen Ohren. Das war bei weiten der schlimmste Alptraum, den ich je hatte. Mein Blick schweifte ziellos durch das Zimmer. Mein Zimmer. An den Gedanken musste ich mich erst noch gewöhnen.

Meine Eltern waren bereits seit fünf Jahren getrennt und die kompletten fünf Jahre habe ich mit meinen Brüdern, den Zwillingen, bei meiner Mutter gelebt. Mein Dad war damit nie zufrieden und so bot er mir an, dass ich nach meinem Abschluss bei ihm wohnen konnte, wenn ich aufs College ging. Er zog dafür extra in die Nähe des Campus der Stanford.

Ich atmete leise ein. Hier war ich also. Stanford, Kalifornien. Ich hatte so hart gearbeitet, hier her zu kommen. Schon seit ich klein war wollte ich Architektin werden. Und Stanford bot dafür die besten Eigenschaften.

Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante und stand auf. Von meinem Fenster aus konnte man das Gebäude der Uni sehen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie viel Geld mein Dad für das riesengroße Haus ausgegeben hatte. Er selbst war Arzt, Kinderarzt, um genau zu sein. Meine Mom und er lernten sich damals im Studium kennen. Zwar hatten sie dasselbe begonnen zu studieren, jedoch hatte meine Mutter schnell gemerkt, dass das nicht das richtige für sie war. Jetzt war sie eine der bekanntesten Journalisten Amerikas.

Eine gemütliche Sitzbank stand vor dem Fenster und ich ließ mich darauf nieder. Es war dunkel draußen, nur der Mond schien hell und beleuchtete die Straßen, auf denen kein einziges Auto fuhr. Es musste mitten in der Nacht sein, vielleicht ein oder zwei Uhr.

Ich sah in den Himmel. Hier sah alles so anders aus als zuhause in Idaho. Selbst der Himmel. Ich vermisste Mom und die Zwillinge. Ein leises Seufzen kam mir über die Lippen. Die Zwillinge. Joseph und Joshua waren gerade vier und kamen kurz nach der Trennung meiner Eltern zur Welt. Ein missglückter One-Night-Stand meiner Mutter schenkte ihr die zwei Jungs. Die zwei waren zwar echt belastend aber ich liebte sie über alles. Zu ihrem Vater hatte Mom kurz nachdem sie erfuhr dass sie Schwanger fand sie ihn und kurz nach ihrer Geburt heirateten sie. Mom und James waren das perfekte Paar. Sie ergänzten sich so gut und James war ein fast genau so guter Vater für mich wie mein eigener es war.

Ich stützte meinen Kopf auf meiner Hand hab und zog die Beine mit auf die Bank. Mein Zimmer war groß genug für mindestens noch eine weitere Person. Ich liebte den Platz hier. Dad hatte wirklich kein Geld eingespart. Seit Februar hatte er mir die Entwürfe meines eigenen kleinen Reiches geschickt und mich nach meiner Meinung gefragt. Ich hatte sogar ein eigenes Bad.

Ich gähnte. Morgen beginnt die zweite Woche des ersten Semesters und die sollte ich garantiert nicht übermüdet starten. Ich stand auf und zog das Fenster zu. Vielleicht gelang es mir so, schneller einzuschlafen.

Leise schlich ich zurück in das große Bett und kuschelte mich in die wolkenweiche Decke. Noch einige Sekunden lag ich wach da, dachte an die Zwillinge, Mom und James und an den morgigen Tag. Mein Professor im Architektureinführungskurs wollte ein kurzes Examen schreiben. Ich war gut genug vorbereitet dafür, doch trotzdem bammelte es mir davor. Die erste Note meiner Zukunft. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Endlich konnte ich zeigen, was ich konnte.

Foreign BodyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt