Kapitel 10

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Rastlos lief ich in meinem Zimmer auf und ab. Zwischendurch warf ich immer wieder Blicke zu meinem Bett, auf dem Louis Notizbuch lag. Ich hatte in der Schule keine Gelegenheit mehr gehabt es ihm zurück zu geben und jetzt lag es da, ganz unschuldig und doch machte es mich so unglaublich nervös. Meine Neugierde kämpfte gegen mein Gewissen. Auf der einen Seite juckte es mich in den Fingern, dass kleine Heft einfach aufzuschlagen. Aber auf der anderen Seite wusste ich, dass es falsch war, die Privatsphäre eines anderen so zu verletzen.

Ich haderte mit mir selbst, doch nach einiger Zeit konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich setzte mich auf mein Bett und nahm vorsichtig das Notizbuch in die Hand. Einen kurzen Moment zögerte ich noch, doch dann schlug ich die erste Seite auf.

Mir stockte kurz der Atem, als ich langsam durch die Seiten blätterte. Ich wusste nicht was ich erwartet hatte, aber auf keinen Fall das hier. In der gleichen kritzeligen Handschrift, wie auch die Handynummer, waren mit einer großen Sorgfalt Verse und Liedtexte geschrieben. Vieles war durcheinander, auf manchen Seiten konnte ich zu einigen Zeilen Noten erkennen, doch das ganze Heft wirkte auf seine eigene Weise so vollständig und tiefgründig. Während ich hinein blickte, fühlte es sich schon fast so an, als würde ich ein Stück von Louis Seele betrachten.

Ich überflog einige Seiten und was er da schrieb, berührte mich sehr. Es hörte sich so ehrlich an, als würden alle seine Gefühle in dieses Buch fließen. Plötzlich schlug ich eine Seite auf, die sich von allen Anderen unterschied. Keine Kritzeleien oder Noten am Rand. Nur diese unverwechselbare Handschrift, schwarz auf weiß. Langsam fing ich an zu lesen.

It's been a minute since I called you Just to hear the answer phone Yeah, I know that you won't get this But I leave a message so I'm not alone

Ich runzelte die Stirn, noch unterschied sich das Lied nicht wirklich von den Anderen.

This morning I woke up still dreaming With memories playing through my head You'll never know how much I miss you The day that they took you I wish it was me instead

Ich schluckte. Jetzt verstand ich.

But you once told me „Don't give up. You can do it day by day" And diamonds, they don't turn to dust or fade away

Erst jetzt realisierte ich wirklich, was er alles hatte durchmachen müssen.

So I will keep you, day and night Here until the day I die I'll be living one life for the two of us I will be the best of me Always keep you next to me I'll be living one life for the two of us Even when I'm on my own I know I won't be alone Tattooed on my heart are the words of your favourite song I know you'll be looking down Swear I'm gonna make you proud I'll be living one life for the two of us


Ich spürte, wie mir eine Träne die Wange herunter rollte. Auf einmal hatte ich das Bedürfnis Louis zu umarmen und ihn vor der ganzen ungerechten Welt zu beschützen.

Schlagartig holte mich die Türklingel in die Realität zurück. Das müssen Niall und Liam sein. Nachdem ich keine Zeit mehr hatte, ihnen in der Schule alles zu erzählen, war der Ire auf die Idee gekommen sein Verhör zu mir nach Hause zu verlegen. Liam, der sich diese "Therapiestunde" nicht entgehen lassen wollte, kam natürlich auch.

Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht, damit niemand bemerkte, dass ich geweint hatte. Dann stand ich auf und machte mich auf den Weg zur Haustür.

Ein paar Minuten später, saßen wir zu dritt auf dem Bett. Das Notizbuch hatte ich vorher weggeräumt, da ich verhindern wollte, dass die anderen beiden ebenfalls hinein sahen. Es war schon respektlos genug gewesen, dass ich darin gelesen hatte.

„Jetzt fang endlich an" drängte mich Niall, nachdem es kurze Zeit still zwischen uns gewesen war. Ich holte tief Luft, bevor ich anfing zu erzählen. Ich redete mir alles von der Seele. Wie ich Louis Handynummer bekam und Gemmas Vermutung dazu. Eigentlich war das alles gewesen wonach die beiden gefragt hatten, aber es tat so gut es auszusprechen, dass ich einfach weiter redete. Ich vertraute ihnen meine Gedanken und Sorgen an und wie sehr mich Louis und die ganze Situation verwirrte.

„Wow, das war echt deep." kam es verblüfft von Niall, als ich schließlich meinen Bericht beendete. Ich seufzte nur laut auf. Da hatte er auf jeden Fall recht.

„Und du bist dir immer noch zu 100% sicher, dass du nichts für Louis empfindest?" hinterfragte Liam mit gerunzelter Stirn. Ich antwortete nur mit einem langgezogenen „Jaaa". Was sollte diese Frage denn schon wieder? Ich konnte es echt nicht mehr hören. Warum dachten alle anderen immer, meine Gefühle besser einschätzen zu können, als ich selbst?

„Was willst du Louis schreiben?" fragte mich der Ire aufgeregt. „Ähm, eigentlich wollte ich ihm gar nichts schreiben." stellte ich klar, woraufhin ich einen enttäuschten Blick und Protest erhielt. „Mann Harry, du musst deine Chance schon nutzen!" „Meine Chance worauf?" wollte ich wissen, obwohl ich mir schon denken konnte, auf was Niall hinaus wollte.

Wir diskutierten weiter, bis Liam schließlich dazwischen ging. „Hört auf zu streiten! Wenn Harry sagt, dass er nichts von Louis will, dann wird das auch so stimmen, Niall. Schließlich muss er es ja am besten wissen." Fast wäre ich Liam dankbar gewesen, doch man sah ihm an, dass er von seinen eigenen Worten nicht wirklich überzeugt war.

Die Stimmung wurde wieder entspannter, als wir das Thema Louis fallen ließen. Stattdessen verbrachten wir die Zeit damit, einen Film zu sehen und nebenher Snacks zu essen. Zwischendurch gab Niall immer wieder lustige Kommentare zum Film ab. Wir lachten viel und hatten einfach Spaß. So viel Spaß, dass wir die Zeit vergaßen.

Wir sahen erst auf die Uhr, als Gemma ins Zimmer kam. Sie fragte, ob wir auch etwas vom Abendessen wollten, dass sie gerade gekocht hatte. Niall und Liam lehnten dankend ab, da beide eigentlich schon längst zu Hause sein sollten und eilig machten sie sich auf den Weg.

Don't let me go (l.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt