Kapitel 1 - Der Streich

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"Aber es tut mir doch leid!" flehte ich und gestikulierte verzweifelt mit den Armen. Doch nichts da, unerbittlich stand sie da, die Arme in die Hüften gestämmt und funkelte mich böse an. "Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du dem alten Mr. Chaiban Streiche spielst." fauchte sie mich an und ich musste Grinsen. Mein Streich war echt der Warnsinn, allein sein Gesichtsausdruck, einfach unvergesslich. Meine Kumpels und ich waren am Strand und da waren wir erst surfen, doch dann wurde uns langweilig und wir haben auf dem Weg nach Hause Mutprobe gespielt. Ich musste die Wäsche, die zum Trocknen an einer Wäscheleine in seinem Garten hing, Pink färben. David hat extra Farbe aus dem Batikkurs seiner Mutter genommen. Wir waren noch nicht ganz fertig, als Mr.Chaiban sah was wir taten. Er kam mit rotem Kopf und lautem Gebrüll aus dem Haus gestürmt und wir rannten lachend weg. Doch dafür jetzt den Sommer bei dem Alten zu helfen, wobei er seinen ganzen Hass an mir auslassen konnte und ich alles tun musste was er sagte, nein, dass hat sich definitiv nicht gelohnt.

"Ich mach den Abwasch." bot ich an, legte den Kopf auf die Seite und lächelte übertrieben, von einem Ohr zum anderen. Doch ich, als auch Tante Ann, wussten dass mein armseeliger Versuch, doch noch davon zu kommen, nichts bringen würde. "Nö. Den machst du eh." erwiderte sie selbstverständlich, während sie ihre Schürtze abband. "Und jetzt mach dich fertig, wir gehen rüber."

Sein Haus passte zu ihm. Es war nicht wie die anderen Häuser in der Gegend, die sich alle bunt, gepflegt und lebendig, gegenüber, in zwei Reihen, gliederten. Sein Haus wirkte trostlos, alt, schäbig. Die Farbe blätterte bereits von allen Seiten ab und das Holz wirkte spröde und zerbrechlich. Die Treppe zur Veranda knarrte bei jedem meiner Schritt so laut, dass ich schon befürchtete sie würde unter meinem Gewicht einbrechen. Tante Ann schien das jedoch nicht zu merken, sie dackelte seelenruhig voraus, den Korb mit ihren preisgekrönten Muffins über ihren Arm gehängt und ich schlürfte widerwillig hinterher. Ein schrilles, nervenaufreibendes Geräusch durchschnitt das Zwitschern der Vögel, als meine Tante klingelte. Durch die geschlossene Tür hörte man wie das Klingeln durch das Haus hallte, in jedem Winkel nachklang und mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Dann herrschte Stille. Vom Inneren des Hauses war nichts zu hören, doch auch draußen, an der frischen Luft, war kein Geräusch wahrzunehmen. Auch sonst war nichts auf den Straßen los, nur eine Sammlung Vögel hatte sich auf einem der prächtigen Apfelbäume, neben dem Haus, abgesetzt und beobachtete nun neugierig die Haustür. Als ich meine Augen zusammenkniff, konnte ich unter ihnen einen Raben ausmachen, der mich mit seinen dunkelen Knopfaugen ernst und ruhig musterte. Plötzlich schrie der Rabe und schlug aufgeregt mit seinen Flügeln, als auch schon mit einem festen Ruck die Haustür aufgerissen wurde und ein angsteinflößender alter Mann zum Vorschein kam. Seine Augen ähnelten die des Rabens, jedoch säumten seine tiefe Falten und er hatte sie zu engen Schlitzen zusammengekniffen. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich gepresst, während er mit einer Hand immer noch den Griff der Tür festhielt. Seine Haut wirkte gebräunt und wenn man genauer hinsah, sah man, dass er nicht so alt war wie auf den ersten Blick scheinen mag. Allein seine vielen Falten und der grimmige Ausdruck in seinem Gesicht ließen ihn älter wirken. "Was?" fragte er barsch, doch meine Tante schaute ihn nur an und suchte nach Worten. "Ehh..." stammelte sie, schien sich jetzt erst dem Korb - der an ihrem Arm baumelte - bewusst zu werden. "Ich hab Ihnen Muffins gemacht." sagte sie etwas zu schrill und hielt ihm lächelnd den Korb mit den Muffins entgegen. "Nein, danke." antwortete er knapp und wollte die Tür schließen, doch die Stimme meiner Tante ließ ihn in der Bewegung inne halten. "Außerdem, Mr. Chaiban" setzte sie an und und erhöhte die Lautstärke ihrer Stimme, dass er sie auch ja hörte. "wollte Ihnen mein Neffe Kyle etwas sagen." Sie gab mir einen Stoß von hinten in den Rücken, sodass ich einen kleinen Schritt nach vorne stolperte und aus meiner Starre erwachte. "Es tut mir leid." nuschelte ich und rieb mir den Arm. Da er nichts sagte schaute ich auf und schaute in zwei rabenschwarze Augen, die mich eingehend musterten. Erst jetzt merkte ich, dass er die ganze Zeit über nicht aufgeschaut hatte. "Als Ausdruck seiner Aufrichtigkeit wollte er Ihnen außerdem den Sommer über ein bisschen unter die Arme greifen." ergänzte Tante Ann, wobei er sie keines Blickes würdigte. Auch als er antwortete lag sein Blick noch auf mir. "Nein." Sein Blick durchbohrte mich weiterhin, sodass ich mich unangenehm fühlte. Doch auch ich schaute nicht weg. "Ich bestehe darauf." Ohne hinzusehen wusste ich, dass ihr Lächeln immer zwanghafter wurde und sie nicht locker lassen würde. Dann ging alles ganz schnell. Wie in Trance schaute er mich an, bis sich sein Blick verdunkelte, immer dunkeler wurde und er zurückwich, als hätte ihn etwas gestochen. Der Griff der Hand, die immer noch den Türknauf festhielt, wurde fester und man sah ihm an, dass er Mühe hatte, das alles zu verbergen. Ein Schatten huschte über sein Gesicht, während er zu Tante Ann schaute und meinem verwunderten Blick auswich. "Nagut." antwortete er und stieß lautstark die Tür zu. Irritiert schauten wir uns an, als sich ein erleichtertes Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete. "Lief doch ganz gut." sagte sie, klopfte mir auf die Schulter und verließ mit zügigen Schritten das Grundstück. Immer noch auf die Tür starrend, versuchte ich mein rasendes Herz zu beruhigen.

Was ist gerade passiert?

Der Mann, der niemals lachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt