Einundvierzig 🌳

917 47 17
                                    

Dunkelheit rollte über das sonnige Waldstück, obwohl die Sonne weiterhin hoch am Firmament stand. Es war keine Dunkelheit im herkömmlichen Sinne, es war eher ein Gefühl, dass sich in mir breit machte. Ich hatte mit Cassians Hilfe die Falle für den Suriel ausgelegt, dann war er verschwunden, aber nicht ohne mich vorzuwarnen, dass er ständig vorbeischauen würde, ob ich nicht doch in Schwierigkeiten geraden war. Stundenlang hatte ich in dem Baum gesessen und gewartet. Mein Hintern tat bereits von dem schmalen, aber stabilen Ast, den ich mir zum Sitzen ausgesucht hatte, weh.

Der Mantel lag den ich dem Suriel schenken wollte, lag unten auf dem Gras. Cassian hatte mich vorgewarnt, dass das ein Mantel von Amren sei und ich sicherlich dafür bezahlen würde ihn wegegeben zu haben und zwar nicht mit Geld, aber ich hatte nur mit den Schultern gezuckt. Ich hatte keine anderen Klamotten gefunden und ich hatte auch kein Huhn, dass ich köpfen könnte.

Gänsehaut überzog meine Arme, als ein lautes Kreischen ertönte, dass mir durch Mark und Bein fuhr. Der Suriel fuchtelte wütend mit den knöchernen Händen, als er in die Falle tappte und nun kopfüber von dem Baum mir gegenüber hing. Nicht so elegant, wie ich wollte hüpfte ich vom Baum, stolperte, knickte mir den Fuß um und fluchte laut, als der Schmerz scharf durch meinen Knöchel fuhr.

"Lilith der erste Dämon, Satans Liebling", zischte der Suriel mit einer Stimme die keinen Körper zu haben schien, sondern irgendwie direkt in meinem Kopf landete.

"Hi", lautete meine plumpe Antwort.

"Was willst du von mir?", die S-Laute zischte er beinahe so, wie eine Schlange es tun würde.

"Ich habe Fragen und brauche Antworten."

"Antworten die du nicht hören willst."

"Also weißt du was ich fragen will?"

"Natürlich weiß ich das", er klang empört.

"Dann brauch ich ja nicht mehr zu fragen."

"Du bist unhöflich", fauchte er wütend.

Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern. Mich kümmerte es recht wenig, was der Suriel von mir hielt.

"Weiß dein Seelengefährte, dass er in eurer Beziehung nicht das größte Monster ist? Dass er nicht mal ansatzweise so grausam sein kann, wie die Frau mit der er sein Bett teilt? Weiß er welchem Monster er Unsterblichkeit schenken möchte? Weiß er, dass du die sie nicht möchtest?"

"Ich kann es bekämpfen."

"Aber wie lange wirst du das Monster in den Schrank sperren können bis es ausbricht, wütender als jemals zuvor?"

"Also gibt es keine Heilung? Keine Möglichkeit ein Mensch zu sein?"

"Du kennst die Antwort und jetzt lass mich runter."

Ich hatte diese Antworten befürchtet. Ich wusste, dass ich verflucht war und ich wollte ewiges Leben mit Azriel, aber nicht als Monster. Mein Tod würde Sicherheit bedeuten, mein Tod war unausweichlich. Ich hatte schon viel zu lange gelebt, aber auch ich hatte eine menschliche Seite die Angst vor dem Tod hatte, obwohl mich der Fluch immer wieder einholen würde. Obwohl ich die Antworten erwartet hatte, hatte ich trotzdem irgendwie andere erhofft und ein taubes Gefühl machte sich in meinem Herzen breit. Ich hatte es gewollt.

Als ich den Suriel am Fuß berührte, um das Seil durchzuschneiden mit dem er an den Baum gehängt wurde, zuckte er zusammen. Er hatte Angst vor mir, weil er genau wusste was ich war. Welche Bestie in meinem Inneren schlummerte und er genau wusste wozu ich fähig war.

Weil er wusste, wieviel Leute durch meine Hand gestorben waren.

Weil er wusste, dass meine Hände nicht nur mit Blut beschmiert waren, sondern sie vor Blut tropften.

Schattensänger 🌙Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt