Sie sind da/37

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Es dauerte keine Minute, da überrollte mich eine so schmerzhafte Wehe, dass ich laut aufschrie und mich verzweifelt an Matt krallte. Dieser gab ein leichtes zischen von sich, als sich meine Fingernägel in sein Fleisch bohrten. Daryl griff nach der Klingel und drückte mehrere Male den roten Knopf. ,,Versuch tief ein und aus zu atmen Prinzessin." Matts versuche mich zum atmen zu animieren zeigten null Wirkung. Er machte mich eher wütend. ,,WENN DU MEINST, DASS DAS SO EINFACH IST, KÖNNEN WIR JA TAUSCHEN!!!" , bluffe ich ihn an und schrie erneut auf.

Da immer noch keiner zu uns kam, lief Daryl aus dem Kreißsaal. Seine auf brausende Stimme hallte durch die ganze Station. Ich wollte jetzt nicht in der Haut der Hebammen stecken. Obwohl....Doch, das wäre mir jetzt gerade lieber. Als ich erneut das Gefühl hatte, man wolle mich innerlich zerreißen, kam Daryl mit einer jungen Frau und einer Ärztin zurück. Im Gegensatz zu Daryl waren die beiden die Ruhe selbst. ,,Legen Sie sich aufs Bett Miss Spencer. Wir schauen mal, wie weit sie sind" , sagte die junge Frau und half mir mich aufs Bett zu legen. ,,Wurde bisher kein CTG geschrieben?", fragte die Ärztin etwas verwundert. Die junge Frau schüttelte den Kopf, während mich eine weitere Wehe heim suchte. Und als wenn das nicht schon scheiße genug wäre, tastet sie parallel meinen Muttermund ab. Ich schrie auf. Tränen liefen mein Gesicht hinunter. Ich sah zu Matt und Daryl, die wie Falschgeld an der Seite standen und sichtlich unsicher waren. ,,Der Muttermund ist vollständig geöffnet. Das erste Baby kann also kommen."

Matt und Daryl wurden aschfahl und starrten einfach nur in meine Richtung. ,,Sie zwei, sind doch sicherlich hier, um sie zu unterstützen. Also kommen Sie her." Während die Ärztin noch einmal den Kreißsaal verließ, setzte sich Daryl neben mich. Matt lief um das Bett und setzte sich auf die andere Seite. Beiden war die Panik förmlich ins Gesicht geschrieben. Als mich eine Wehe laut aufschreien ließ, griff ich reflexartig nach Daryls Hand und drückte sie so fest zusammen, dass Schmerzlaute seine Kehle verließen. ,,Bei der nächsten Wehe müssen Sie pressen", sagte die Hebamme und kniete sich zwischen meine Beine. In dem Moment, als eine weitere Wehe kam, betrat die Ärztin wieder den Raum und brachte eine weitere Hebamme mit. Ich fühlte mich gerade wie in einem Labor. Wie eine Spinne unterm Glas. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Hätte ich nicht gerade das Gefühl, zu sterben, würde ich sie wütend anschreien. ,,Sie müssen Pressen. Nicht schreien. Pressen." Bekommt man diese schlauen Sprüche eigentlich während der Ausbildung beigebracht? Ich krallte mich an Matt und Daryl und schrie einfach nur.

,,Kommen Sie, tief Luft holen und Pressen." Ich wusste, dass ich den Jungs mit jeder Presswehe Schmerzen bereitete, aber so schlimm wie meine, konnten diese, wiederum nicht sein.

,,Noch einmal Pressen, dann ist das erste Baby da." Eigentlich müsste mich das motivieren, aber ich wusste, dass da noch ein Baby raus wollte. Ich Presste mit aller Kraft und hörte dann die kräftige Stimme meines Kindes. ,,Möchte einer von Ihnen, die Nabelschnur durchschneiden?", fragte die Hebamme und blickte abwechselnd zu Matt und Daryl. Ich tickte Daryl an, der aus seiner kleinen Starre erwachte und lächelte ihm zu. Dieser ergriff zögernd die Schere. ,,Keine Sorge, das tut dem kleinen Mann nicht weh."

Ein Junge.

Daryl schnitt die Nabelschnur durch und setze sich dann wieder lächelnd neben mich. ,,Wie soll der kleine Mann den heißen?", fragte die Hebamme und wickelte ihn in ein Handtuch.

,,Juan!", sagten Matt und Daryl Synchron. Lächelnd legte mir die Hebamme mein erstes Baby auf die Brust. Als ich ihn sah, war ich so überwältigt von den Emotionen, die über mir herein brachen, dass ich nicht anders konnte, als vor Freude und Glück zu weinen. Er war einfach perfekt.

Als die Wehen von neuem anfingen, verzog ich das Gesicht und hielt die Luft an. Die Hebamme verstand sofort. Sie nahm mir Juan ab, gab ihm der anderen Hebamme und kniete sich wieder zwischen meine Beine. ,,Wo bringt sie ihn hin?", will ich wissen. ,,Nur zum Kinderarzt. Danach darf er wieder zu Ihnen." Matt und Daryl lächelten mir zu. Ich war dankbar dafür, dass sie sich ihre Sprüche verkniffen und einfach nur da waren. Wie beim ersten Kind krallte ich mich bei jeder Wehe an ihnen fest. Die Schmerzen wurden immer Stärker und ich hatte so gut wie keine Pause zwischen den Wehen. Langsam aber sicher verließen mich die Kräfte. ,,Ich kann nicht mehr", keuchte ich und schrie einfach nur, als die nächste Wehe mich regelrecht verkrampfen ließ.

Zwillinge nur für dich alleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt