Scheiße!
Als ich gerade versuchte meinen rechten Unterarm zu verbinden, riss die Wunde erneut auf. Warum musste es auch ausgerechnet der rechte Unterarm sein? Ohne den Arm zu bewegen, kann ich nicht schreiben.
Ich befand mich gerade mitten in der Nacht im Badezimmer und hockte auf dem Rand der Badewanne, direkt neben dem Waschbecken.
So ein Mist. Ich werde wohl links schreiben müssen. Ehrlich gesagt werde ich jede Stunde nach dem Unterricht meinen Verband wechseln, nicht dass es jemand noch bemerkt. Schließlich geht es keinen was an.
Warum musste der Freund meiner Mutter auch wie die anderen sein? Jeder Freund, der danach kommt, ist schlimmer als der vorherige.
Lauter, Gewalttätiger, Gefährlicher.
Aber auch ein Alkoholiker und der Freund meiner Mutter.
Dieses Mal wurde ich mit einem Teller beworfen, aus Reflex hielt ich meine Arme vor meinem Gesicht und da war auch schon die Wunde entstanden. Eine senkrechte Linie zog sich vom Handgelenk leicht schräg Richtung Armbeuge. Sie war zwar nicht so tief, aber ich werde noch eine Weile damit zu kämpfen haben.
Mein Gesicht wie auch alles andere blieb unverletzt. Dieses eine Mal. Wer weiß was nächstes Mal passiert.
Allein bei dem Gedanken noch weitere Schmerzen aushalten zu müssen würde mir schon übel. Auch, wenn ich schon Profi beim Verbinden meiner Wunden bin oder die blauen Flecken mit Schminke abzudecken.
Oft wird mein Gesicht ausgelassen was die sogenannten "Unfälle" betrifft. Es sind bisher nur Hämatome gewesen in unterschiedlichen Farbtönen, die jedoch mit Schminke vertuscht werden konnten. Bei meinem Körper möchte ich nicht anfangen. Ich creme vieles ein aber ein paar Erinnerungen bleiben an meiner Haut. Ich habe mich daran gewöhnt.
Es gehörte nun zum Alltag und somit auch zu meinem Leben.
Aber die Verletzungen wurden jedes Mal schlimmer und jetzt wo bald der Sommer kommt, wird es schwierig sie alle abzudecken.
Es war kurz nach sieben Uhr morgens, als ich fertig angezogen war und mein Unterarm fertig verband. Ein Top und eine leichte Strickjacke müsste ich bei 24 Grad noch aushalten können.
Ich fuhr zur Schule und hörte meine Playlist. Mist ich musste in der Pause was zu essen holen, wie immer. Wir hatten kaum was zu essen daheim und bevor ich die "Monster" weckte, wollte ich schleunigst raus. Dabei habe ich dieses Mal mein Portemonnaie vergessen, dann muss ich es eben heute ohne aushalten. Gott sei Dank haben wir heute wenig Unterricht da viele Stunden ausfallen, so kann ich früher zur Arbeit und dort was essen und kann vielleicht etwas mehr verdienen. Deswegen habe ich auch früh genug angefangen nebenbei zu jobben.
Damals trug ich Zeitung aus, dann arbeitete ich in einer Eisdiele und als Kellnerin bei einem Diner. Heute bin ich mit meinen 17 Jahren und meinen Ersparnissen recht weit aber nicht ausreichend um zu überleben, geschweige denn abzuhauen.
Ich arbeite somit in einer Bar als Kellnerin wo viele Studenten und Jugendliche von den Schulen sich dort aufhalten. Nichts Luxuriöses so, dass die Schüler meiner Schule sich dort definitiv nicht aufhalten würden. Zum Glück, denn wenn ich weiterhin meine Fassade aufrechterhalten soll, dann muss ich auch unentdeckt bleiben.
Als ich Richtung Schulparkplatz ankam, begann der nächste Kampf. Ich bin zwar nicht reich wie die meisten hier, dennoch denken sie es, dass ich es wäre.
Meine Eltern hatten zuvor ein schönes und auch unvorstellbares luxuriöses Leben, doch als mein Dad an einem Autounfall starb als ich 10 war, haben wir alles verloren. Meine Mutter wurde depressiv und die Firma ging den Bach unter. Wir verloren nicht nur die Firma, das Haus und alles andere war verloren. Wir mussten was übrig blieb verkaufen und so blieb uns das Geld, um ein einfaches Haus zu kaufen und der Wagen, der mir von Vater blieb, konnte ich behalten. Die Schule ist das einzige, was noch luxuriös in meinem Leben war. Die Schule, die für wohlhabende geeignet war und ich als Ausnahme konnte weiterhin hingehen, wenn meine Noten ausgezeichnet waren und mein Image als wohlhabende blieb. Die Schule wusste zwar, dass mein Dad nicht mehr bei uns ist und auch das mit der Firma, aber nicht wie es uns wirklich geht. Aber wer will schon was Schlimmes ahnen, schließlich hat ja mein Vater eine Lebensversicherung abgeschlossen, womit wir nie wieder Geldsorgen hätten. Er hat uns auch einen Schuldenberg hinterlassen und ohne das meine Mutter wusste, nahm sie das Geld an und auch somit die Schulden. Das wusste aber keiner. Wir zogen um und das Haus wurde verkauft, die Ausrede, dass wir nicht mehr dort leben, war, dass die Erinnerungen meines Vaters uns zu stark belasteten.
Ich habe mich zurückgezogen und getrauert. Doch als ich meinem Leben fortführen wollte, wurde mir ein Strich durch die Rechnung gezogen. Meine Mutter kam eines Tages betrunken mit einem Mann nachhause und der Albtraum begann...
Ich hatte an dem Tag nicht nur meinem Dad, sondern auch meine Mum verloren. Ich habe alles, was ich liebte verloren.
Von nun an war meine Kindheit vorüber, ich habe mich von allen abgewendet. Ich wollte nicht, dass jemand erfährt wie es mir ergeht. Genauer gesagt meine Mutter wollte es nicht. Sie sagte zu mir: „Rose nach dem dein Vater uns verlassen hat und wir ein neues Leben beginnen, darfst du niemanden, wirklich niemanden von unseren Umständen erzählen. Wenn jemand fragt, wie es uns geht, wo wir wohnen und wie unser Leben von nun an aussieht, nichts davon darfst du verraten. Das hätte dein Vater nicht gewollt.
Die anderen würden dich bemitleiden und anfangen dich zu erniedrigen. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich will mich schließlich nicht bei den anderen blamieren. Ja? Hörst du Rose? Keiner darf etwas erfahren, du musst Geheimnisvoll sein. Glaube mir das wird dir Spaß machen. Bald werden dir alle Jungs hinterherrennen und dein Geheimnis herausfinden wollen aber du musst stark bleiben.
Wenn sie etwas erfahren würde dein Vater sich schämen, wir waren immer eine vorzeige Familie. Behalte dies und du wirst ungestraft davonkommen."
Immer wieder und wieder sagte mir meine Mutter was zu tun ist und als meine Mutter ihre ersten Ohrfeigen von ihrem Freund Rick bekam, hatte ich keine Wahl als zu schweigen. Ich wusste, wenn ich etwas sage dass es mir auch so ergehen wird. Und seitdem habe ich alles verdrängt und kein einziges Wort mehr über mein Leben preisgegeben. Damals war ich elf Jahre alt gewesen.
Mein Lebensmotto:
"Halte deine Fassade aufrecht so bist du unzerstörbar" Das betraf nur die Außenwelt. Zu Hause sah die Sache schon ganz anders aus.
Wie es wohl heute Abend aussieht?
Doch ich verstreichte die Gedanken und stieg aus dem Wagen. Ich lief vom Parkplatz zur Schule und konnte die Blicke auf mir spüren. Selbst wenn mich keiner genau anblickte weil sich kaum jemand traute, taten sie es dennoch hinter meinem Rücken.
Sie tuschelten und hielten einen Mindestabstand von paar Metern. Warum auch immer... Gut irgendwie konnte ich es ihnen nicht übel nehmen, keiner kannte mich wirklich und ich hatte einen Todesblick darauf dass eigentlich meine wahre Maske überspielte.
Während ich müde und traurig war und keine anderen Begriffe für innerlich Tod aber dennoch lebendig wusste, streckte ich mein Kinn und würdigte keinen Blick der anderen, setzte ein Lächeln auf und trat in die Schule ein.
Möge der Kampf beginnen...
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𝐘𝐨𝐮 𝐃𝐨𝐧'𝐭 𝐊𝐧𝐨𝐰 𝐌𝐞
Dla nastolatkówMein Name ist Rose Anderson. Man sagte mir, ich solle meine Fassade aufrechterhalten. So bin ich unzerstörbar. Dabei bin ich innerlich schon Tod. Während ich zur Schule gehe und nebenbei jobbe und den Monstern von Zuhause entkommen mag, treffe ich a...