Kribbeln

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Grelle Scheinwerfer

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Grelle Scheinwerfer. Das Licht kommt näher. Je weiter er seine Augen aufreißt, desto greller wird es. Es brennt sich in seine Augen. Er sieht nichts mehr und spürt, wie er in heißen und kalten Schüben zittert. Sein Körper weiß was passieren wird, ehe er überhaupt daran denken kann. Das alles dauert nur wenige Millisekunden. Und dann geht die Welt unter. Es bricht alles um ihn herum mit einem großen Knall zusammen. Alles fällt auseinander und kracht wieder zusammen. Er weiß nicht wo oben und unten ist, er weiß nicht, ob er hell oder dunkel sieht. Er spürt alles und nichts. Er fühlt seine Beine nicht, aber er merkt, dass sie mehr wehtun als alles, was er je etwas gespürt hat. Verzweifelt versucht er sich zu finden, seinen Kopf zu finden und wieder einzurasten. Er will wissen, wo er ist, aber er spürt auch seine Arme nicht. Er hört nichts und weiß immer noch nicht, was er sieht. Seine Brust zerreißt und er will atmen, aber sein Mund ist verschlossen und er findet ihn nicht, um ihn zu öffnen. Verzweifelt will er sich hin und her wenden, doch er weiß nicht, wie man sich bewegt. Er hört ein keuchen und bemerkt erst spät, dass er es selber ist und noch später, dass er wieder hört. Er spürt, wie er seinen Kopf wieder findet und versucht seinen Mund zu öffnen. Erschrocken merkt er, dass er schon offen ist. Er will atmen aber keucht nur und schreit stumm nach Luft. Sie kommt langsam, langsam löst sich die Blockade und es strömt wieder Luft in seine Lunge. Es ist nicht sein verdienst, aber er atmet wieder.

Kaum spürbar kriecht die kalte Nachtluft durch seine kehle. Er spürt nichts um sich, aber alles an ihm brennt und zieht und er will, dass es aufhört, fleht das es stoppt und er gehen kann. Langsam findet er seine Augen wieder. Punkte tauchen vor ihnen auf. Er braucht lange um zu verstehen, dass es der Himmel ist. Dunkel und tief und voller Punkte. Er blinzelt einmal und ein zweites Mal. Er kann nicht wegsehen und will es auch nicht. Der Himmel ist friedlich und beruhigt ihn. Er kann seinen Kopf nicht drehen, aber das ist ok. Bis es nicht mehr ok ist. Er hört sie schreien, seine Mutter ruft nach Hilfe und er kann sich nicht bewegen. Wieso? Seine Schwester weint, aber kann nicht zu ihr. Sein Vater stöhnt, aber er kann sich nicht bewegen. Wieso kann er sich nicht bewegen? Wieso? Er ist doch wach. Er kann nicht, aber er weiß, dass es eigentlich gehen müsste. Er hat den Lageplan für seinen Körper verlegt und hat vergessen, wie man seine Beine bewegt. Es geht einfach nicht, er würde am liebsten schreien, doch es geht einfach nicht. Seine Schwester ruft nach ihrer Mutter. Sie antwortet nicht. Harry will hier weg und sich bewegen, doch es geht einfach nicht. Tränen rinnen seinen Kopf hinab und er spürt sie nicht, während er erst das schreien seiner Mutter verstummen hört, dann das keuchen von Robin verschwindet und er schließlich die Laute seiner Schwester sterben hört. Und dann kommen blaue Lichter und das Geschrei. Wieso? Und er konnte nichts tun.

Harry zieht seine Beine vor sich auf seinen Stuhl, senkt seinen Kopf auf sie und schlingt seine Arme um seine Knie. Hätte er nicht so einen ungelenkigen Rücken wäre das ganze sogar ganz bequem. Seine Sicht auf die graue Wand ist verschwommen, nicht weil er weint, sondern weil seine Augen auf Erinnerungen in seinem Kopf fokussiert sind. Es gibt Tage, da kann er nicht weinen, obwohl es ihm Scheiße geht. Er spürt, wie sehr er sie vermisst, aber er kann nicht weinen und das macht es noch schlimmer. Er wirft sich vor, dass er nicht einmal vernünftig um sie trauern kann. Und an manchen Tagen steigen ihm plötzlich Tränen in die Augen, weil im Laden das Lieblingslied seiner Mutter läuft und an anderen ist er wie taub. Es ist grau und staubig und er wünschte, er könnte weinen, damit es nicht mehr so leer ist, damit er sich nichts mehr so alleine fühlt und ihm wenigstens etwas weh tut. Es ist ein einziges Chaos.

Perfect StrangersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt