Mit gemischten Gefühlen bewegte ich das kleine Stück Papier, auf dem meine neusten Textzeilen standen, zwischen meinen Fingern. Der Lehrer erklärte die binomischen Formeln an der Tafel, was normalerweise mein Herz höher schlagen ließ. Doch in diesem Moment konnte ich nicht an Mathe denken, sondern nur an meinen Song. Einen großen Teil des Textes hatte ich mir jetzt nach und nach erarbeitet, doch abgesehen davon hatte ich noch nichts. Wie sollte die Melodie klingen? Wie sollte meine Choreografie dazu aussehen? Diese Fragen nahmen meinen Kopf vollständig ein.
,,Naila, es wäre schön, wenn du dem Unterricht folgen würdest", ermahnte mich Mr. Parker, was mich aus meinen Gedanken riss. Er sah mich mit einem enttäuschten Blick an, sodass ich mich schuldig fühlte. Und auch Zach schien seinen Blick zu bemerken, denn er kommentierte das Geschehen mit ,,Uuuh, unsere Musterschülerin steckt in großen Schwierigkeiten". Gelächter war im Klassenraum zu hören.
,,Es überrascht mich, dass du geistig so anwesend bist um dein Kommentar dazu abzugeben. Jeder hier weiß, dass deine Gehirnzellen schon bei der Begrüßung überfordert sind", schoss ich zurück, woraufhin sich die Gesichter der Anderen schlagartig veränderten. Damit hatte wohl niemand gerechnet, noch nicht einmal ich selbst. Mein Herz schlug wie wild.
,,Autsch, da hat dich jemand Hops genommen", meinte Daniel grinsend und stieß Zach mit seinem Ellenbogen gegen den Arm. Während ihn auch die anderen Jungs mit Sprüchen über seine genommene Ehre aufzogen, hob Mr. Parker seine Hände um die Klasse zu beruhigen. ,,So, das reicht jetzt. Naila, Zach, ihr dürft heute nachsitzen. Jetzt machen wir aber mit unseren binomischen Formeln weiter!"
Ich versuchte noch dagegen zu protestieren, jedoch ignorierte mich Mr. Parker einfach und führte seinen Unterricht fort. Heilige Scheiße, was hab ich mir bloß dabei gedacht?, dachte ich und biss mir auf meine Unterlippe. Blieb nur zu hoffen, dass meine Eltern davon nichts erfahren würden. Dann wäre ich wirklich geliefert.
Doch was in dem Moment viel wichtiger für mich war: Wieso reagierte ich so schnippisch auf Zachs Kommentare? Wieso fielen mir diese Zeilen für mein Lied ein, nachdem ich ihn mit einer Anderen gesehen hatte? Just a little bit of your heart. Ich machte mir eine innere Notiz, dass ich scheinbar eifersüchtig war und ein Teil von Zachs Leben werden wollte. Das war schwer zu verdauen, aber anders konnte ich mir meine Gefühle nicht erklären.
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Die Kreide quietschte über die Tafel, als der Lehrer die Strafaufgaben an die Tafel schrieb. Die Uhr zeigte bereits nach 16 Uhr an und die Sekunden vergingen langsamer als erhofft. Der Klassenraum war gefüllt von Schülern, die sich im Laufe des Tages daneben benommen hatten. Zach war hier sowieso ein Stammgast, aber auch Jonah und Daniel saßen im Raum. Jonah hatte im Englischunterricht der Lehrerin ,,ausversehen" eine Bananenschale an den Kopf geworfen (angeblich wollte er den Mülleimer treffen, der Mülleimer war aber auf der anderen Seite des Raumes) und Daniel hatte in Musik das Schlagzeug zerstört, welches er ausprobieren wollte. Der Junge hatte wohl viel mehr Kraft, als man es ihm ansah. Die anderen Schüler kannte ich nicht alle vom Namen, eins stand jedoch fest: Ich stach heraus, da es mein erstes Mal Nachsitzen war.
,,Ihr kennt das Spiel ja: Bearbeitet die Aufgaben vernünftig und bringt sie mir ins Lehrerzimmer, wenn ihr damit fertig seid. Erst dann dürft ihr nach Hause gehen. Wer ohne eine Abgabe geht, wird eine Woche Hofdienst machen müssen. Ich komme in einer Stunde wieder um die Lage zu checken", erklärte Mr. Jenkins, ein älterer, verschwitzter Lehrer. Dann packte er seine Sachen zusammen und verließ den Raum, was meiner Meinung nach nicht die beste Idee war. Denn sofort danach ging es los: Alle unterhielten sich, lachten, waren am Handy oder legten sich auf die Tische um ein Nickerchen zu halten. Ein kurzer Blick zu Zach verriet mir, dass er sich direkt irgendeinem Mädchen zugewandt hatte und mit ihr plauderte. Ich verdrehte die Augen, machte mir Musik über Kopfhörer an und schrieb die Aufgaben von der Tafel ab, um diese dann zu bearbeiten.
Nach einer Weile merkte ich, wie sich jemand neben mich setzte. Zuerst dachte ich, dass es Zach wäre, doch zu meinem Überraschen musste ich feststellen, dass es Daniel war. Er lächelte mich an, sodass seine Zahnlücke zum Vorschein kam, und sagte irgendwas zu mir. Ich stöpselte meine Kopfhörer aus meinen Ohren, woraufhin er sich wiederholte. ,,Was hörst du für Musik?"
Ich war etwas überrascht von der Frage, wodurch ich ins Stottern kam. ,,I-Ich? Uhm.. 5 seconds of summer", murmelte ich zurück.
,,Wirklich? Ich liebe 5sos! Kann ich mithören? Ich habe meine Kopfhörer vergessen und würde gerne die Aufgaben machen", antwortete er und lächelte sanft. Als ich meine Augenbrauen zusammenzog, weil ich nicht abschätzen konnte ob der ernst gemeint war oder nicht, ergänzte er noch ein kleines ,,Bitte". Ich nickte und hielt ihm einen Kopfhörer hin, woraufhin er näher an mich heranrückte und sich diesen einstöpselte. Er fischte ein Blatt Papier aus seiner Tasche und begann tatsächlich die Aufgaben zu machen.
Mein Herz klopfte wie wild. Nicht, dass ich an Daniel interessiert war oder so, aber diese ganze Situation war so ungewöhnlich. Vorher hatten wir nie wirklich miteinander gesprochen und jetzt saßen wir dicht zusammen und hörten Musik. Ich musste mich kurz sammeln, bevor ich an meinen Aufgaben weiterarbeiten konnte.
Irgendwann war ich fertig, doch ich wollte Daniel nicht weiter stören. Er konzentriete sich anscheinend wirklich sehr, da er ganz fokussiert auf sein Blatt guckte und dabei seine Zunge leicht herausstreckte. Der Anblick brachte mich zum Lächeln, woraufhin ich mich im Klassenraum umschaute. Meine Augen trafen Zachs, der zuerst mich und dann Daniel finster anstarrte. Das Lächeln auf meinen Lippen starb sofort aus und ich schaute auf meine Beine, mit denen ich nervös herumwippte.
Daniel schien das zu bemerken. ,,Was hast du?", flüsterte er mir zu. Dann schaute er hoch und sah Zach, woraufhin er breit grinste. ,,Ich bin jetzt mit meinen Aufgaben fertig, wollen wir zusammen zum Lehrerzimmer gehen?"
Ich lächelte erleichtert und nickte ihn an. Er lehnte sich zu mir rüber und flüsterte mir ins Ohr. ,,Wenn wir gleich rausgehen, dann schau nur mich an. Guck nicht durch den Raum und schon gar nicht zu Zach, in Ordnung?" Ich nickte erneut und tat genau das, was er mir sagte.
,,Daniel, ich bin einfach nur verwirrt", meinte ich, als wir beinahe vor dem Lehrerzimmer waren.
Er lachte leicht. ,,Das kann ich verstehen, schließlich haben wir eigentlich nicht viel miteinander zu tun. Abgesehen davon, dass Jack und Tara... Zeit miteinander verbringen. Aber das würde ich gerne ändern, denn ich finde dich ziemlich cool und du hörst gute Musik."
Jetzt musste ich auch lachen. ,,Ist das deine Art zu sagen, dass du mit mir befreundet sein willst?"
,,Man könnte es Freunde nennen, ja. Und um dir unsere neue Freundschaft zu beweisen, würde ich dich gerne zu meiner Party dieses Wochenende einladen."
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Aloha :)
Mal wieder ein neues Kapitel.
Was haltet ihr von der Freundschaft zwischen Daniel und Naila?Bis ganz bald :)
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just a little bit of your heart | Zach Herron
FanfictionZwei Menschen. Zwei Listen voller Kriterien. Die Liste der 16-Jährigen Naila, welche in ihrem Tagebuch aus der sechsten Klasse verewigt wurde, enthält die Eckdaten ihres idealen Freundes. Die Liste des 17-Jährigen Zachs, welche auf die Rückseite ein...