E i n s

1.1K 47 47
                                    

Musik.

Für Einige ist Musik nur Hintergrundgedudel, während man sich den ersten Kaffee am Morgen macht oder man vom einen Ort zum Anderen fährt. Einige sehen Musik als Begleiterscheinung, die man gar nicht mehr so richtig wahrnimmt, weil sie überall zu hören ist. In Cafés, in Kaufhäusern, in sämtlichen Serien und Filmen.

Der einzige Moment, in dem solche Menschen Musik wirklich wahrnehmen, ist wenn sie voll aufgedreht im Club ertönt. Wenn der Bass jede einzelne Faser des Körpers zum Beben bringt, wenn der Alkohol deine Wahrnehmung benebelt und man gar nicht mehr aufhören kann sich zu bewegen.

Doch bei mir war es anders. Musik war mein Leben. Es war meine größte Leidenschaft, ja sogar meine Geldquelle. Und ein Traum, der nie in Erfüllung zu gehen schien.

,,Fünf, sechs, sieben, acht", rief ich den Mädchen zu, damit meine Stimme die klassische Musik übertönte. Passend zum neu einsetzenden Takt hob ich meine Arme, stellte mich auf meine Zehenspitzen und machte eine Schrittfolge vor. Zuerst eine Glissade, dann eine Arabesque.

Dann drehte ich mich zu den sieben Mädchen herum. ,,Und jetzt ihr", forderte ich sie auf und zählte nochmal ein. Das war schließlich mein Job.

Nachdem alle es fehlerfrei hinbekommen hatten, startete ich Vivaldis ,,Vier Jahreszeiten" erneut und wir tanzten gemeinsam das heute erarbeitete Stück der Choreographie.

,,Vielen Dank Naila, bis nächste Woche dann", verabschiedete sich auch die letzte meiner Schülerinnen am Ende der Stunde.

,,Bis nächste Woche, Reese. Und vergiss nicht, die Pirouette zuhause zu üben!", rief ich ihr noch hinterher, weshalb sie sich nochmals umdrehte und mich anlächelte. Dabei stachen ihre leicht schiefen Zähne hervor, was mich zum Grinsen brachte. Sie war wirklich zuckersüß.

Dann war es Zeit an meiner eigenen Choreographie zu arbeiten. Schließlich war ich mit meinen 16 Jahren selbst noch Schülerin an dieser Ballettschule, bekam aber vor einem Jahr das Angebot, jüngere Gruppen zu unterrichten. Das brachte mir einerseits Geld, was ich mehr als gebrauchen konnte, andererseits auch viele neue Erfahrungen. Inzwischen konnte ich mir wirklich gut vorstellen, später mal mit Kindern zu arbeiten, was vorher nicht der Fall war.

Ich ging zur Musikanlage und ließ ein zeitgenössisches Stück abspielen. Dann positionierte ich mich vor dem Spiegel und betrachtete mich kritisch, während ich die Bewegungen zur Musik ausführte.

Mein schulterlanges, dunkelbraunes Haar hatte ich zu einem festen Knoten im Nacken gebunden. Meine grauen Augen waren hinter meiner Brille versteckt, die ich heute ausnahmsweise zum Sport trug, da ich meine Kontaktlinsen an dem Morgen nicht fand. Mein weinroter Ballettanzug schmeichelte meiner weiblichen Figur. Im Gegensatz zu vielen anderen Balletttänzerinnen, die oft hochgewachsen und sehr dünn waren, stach ich mit meinen 1,63 Metern und meiner Figur ziemlich heraus. Und obwohl ich sehr kritisch mit mir selbst war, mochte ich mein Aussehen manchmal sogar.

Dieser Schritt war zu unsauber, bei der einen Drehung hatte ich kurz das Gleichgewicht verloren. Ich wiederholte es wieder und wieder, bis alles perfekt war. Und meine Füße schmerzten.

Erschöpft setzte ich mich auf einer der Bänke und zog mir meine Spitzenschuhe aus. Bei dem Anblick meiner blutigen Zehen griff ich beinahe automatisch in das linke Fach meiner Sporttasche, in der sich Verbandsmaterial befand, und verarztete mich selbst. Dann zog ich mir eine Jeans über, löste meinen Dutt und schlüpfte in meine Stiefeletten, ehe ich dann das Tanzstudio verließ.

Die kalte Herbstluft kam mir entgegen, was mich erschaudern ließ. Schnell kramte ich meinen Schal aus meiner Tasche und wickelte ihn mir um den Hals. Dann machte ich mich auf den Weg zur Haltestelle. Die letzten Meter zur Stadtbahn musste ich laufen, um sie nicht zu verpassen.

,,Hey Naila", begrüßte mich meine beste Freundin und winkte mir zu. Ich bahnte mir meinen Weg durch das gemütliche Café am Rande von Dallas und setzte mich ihr gegenüber. Hier trafen wir uns immer nach der Schule oder - am Wochenende - nach meinem Training. ,,Ich habe dir deinen Minztee schon bestellt."

,,Tara, du bist wirklich ein Schatz", meinte ich und warf ihr eine Kusshand zu, die sie theatralisch auffang.

Tara und ich könnten gar nicht unterschiedlicher aussehen. Sie hatte blondes Haar und war einen halben Kopf größer als ich, außerdem hatte sie eine sehr sportliche Figur. Tara war das, was man als klassische Schönheit bezeichnen würde.

,,Das weiß ich doch", erwiderte sie zwinkernd und nahm dann einen Schluck von ihrem Kaffee. ,,Jack hat übrigens gefragt, ob du nächste Woche auch auf seine Halloweenparty kommen willst."

Tara hatte bereits seit über einem Jahr etwas mit Jack Avery, einem tollpatschigen, aber witzigen Lockenkopf, am laufen. Die Beiden trafen und vergnügten sich, ab und zu mal machten sie auch auf Partys miteinander rum. Sie führten die klassische Freundschaft Plus, bei der eigentlich doch Gefühle dabei waren, es sich jedoch niemand traute dies auszusprechen.

Für mich wäre diese Art von Bindung nichts. Noch schlimmer waren jedoch die Typen von meiner Schule, die allgemein als Fuckboys bekannt waren. Bestes Beispiel dafür war wohl Zach Herron. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie man sich auf so jemanden einlassen konnte.

Ich hatte nämlich feste Vorstellungen, wie mein zukünftiger Partner zu sein hatte. Da aber 99% der männlichen Bevölkerung aus meiner Umgebung rausfielen, blieb mir keine andere Wahl als single zu bleiben und mir unnötige Herzschmerzen durch die eben genannten Fuckboys zu ersparen.

,,Ich weiß ja nicht, ob das was für mich wäre", entgegnete ich, während ich an dem Faden meines Teebeutels herumspielte.

,,Ach komm schon, das wird cool. Wir verkleiden uns, stauben Süßigkeiten ab und machen uns über die schlechten Tanzschritte von betrunkenen Mitschülern lustig", trällerte sie grinsend.

Nachdem sie mich noch weitere fünf Minuten bearbeitet hatte, lenkte ich schließlich ein.

,,Na schön, ich komme mit zu dieser Halloweenparty. Aber nur, wenn wir ein Partnerkostüm tragen."

Ein Grinsen breitete sich auf Taras Gesicht aus.

,,Abgemacht."

---

Aloha!

Das erste richtige Kapitel ist endlich da. Wie ihr bereits bemerkt habt, spielt diese Geschichte in einem alternativem Universum, das heißt die Jungs sind hier nicht berühmt und wohnen alle in Dallas, Texas.

Wenn ihr einige Ballettbegriffe nicht versteht, dann glaubt mir: Ich verstehe sie selbst nicht. Alle Infos sind angelesen und falls ich irgendwelche gravierenden Fehler diesbezüglich mache, lasst es mich bitte wissen.

QOTD: Habt ihr schon andere Geschichten von mir gelesen? Wenn ja, welche?

AOTD: lol alle

Bis ganz bald, eure Anna :)

just a little bit of your heart | Zach HerronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt