N e u n

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,,Naila! Na endlich, ich habe dich gefühlt ewig nicht mehr gesehen'', rief Tara mir zu und sprang von unserem Stammtisch in unserem Lieblingscafé auf. Sie lief auf mich zu und fiel mir um den Hals. Ich erwiderte ihre Umarmung lachend und genoss es ebenfalls, sie wiederzusehen.

Als wir wieder an unserem Tisch saßen, zog ich erstmal meine nassen Mantel aus und nahm meine beschlagene Brille ab. Heute trug ich meine Brille ausnahmsweise wieder, da mir meine linke Kontaktlinse heute morgen auf meinen Flusenteppich gefallen war. Es würde Jahre dauern bis ich die wiederfinden würde. 

Wenig später kam auch schon der Kellner und brachte mir mein Standardgetränk, einen Minztee, während Tara eine heiße Schokolade bekam. Sie hatte wie immer schon für mich bestellt. Tara war wirklich ein Schatz.

Unser Thema Nummer eins war der Winterball, der einen Tag vor den Ferien stattfinden würde. Und das war schon in weniger als einem Monat. Ich hatte weder ein Kleid, noch einen Partner für den Ball. Ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich überhaupt hingehen würde.

,,Ich hoffe so sehr, dass Jack mich fragen wird ob ich ihn zum Ball begleite. Schließlich haben wir jetzt schon ziemlich lange... Kontakt'', murmelte Tara vor sich hin und starrte durch das Fenster auf die viel befahrene Straße.

Das war eine wirklich schöne Umschreibung dafür, dass sie Freunde mit gewissen Vorzügen waren.

,,Seid ihr denn offiziell zusammen?'', hakte ich nach.

,,Nein.''

,,Geht ihr zumindest auf Dates?''

,,Auch nein'', erwiderte sie seufzend. ,,Aber nach so langer Zeit muss er doch Gefühle haben, oder etwa nicht..?''

Ich zuckte mit den Schultern und nippte an meinem Tee. ,,Ich weiß es nicht, ich kenne ihn schließlich nicht. Wie wär's denn, wenn ihr darüber redet?''

Mal wieder spielte ich die Liebesberaterin für Tara und das obwohl ich selbst kaum Erfahrung mit Jungs hatte. Wie sagt man so schön, coaches don't play.

Ich weiß nicht wieso, aber auf einmal brannte sich mir eine Frage in den Kopf. Die Worte sprudelten quasi aus mir heraus, während Tara noch mit sich selbst diskutierte, wie sie das Thema Winterball am besten ansprechen sollte.

,,Woran hast du gemerkt, dass du etwas für Jack empfindest?", unterbrach ich sie und ballte meine Fäuste unter dem Tisch. Verdammt, hätte ich das nicht einfach googlen können?

,,Oh.. Naja.. Auf einmal war da dieses Kribbeln in meinem Bauch. Zuerst dachte ich, dass ich vielleicht etwas falsches gegessen habe und mein Magen deshalb verrückt spielt. So wie damals mit den Milchshakes in New York, weißt du noch?", meinte sie kichernd.

New York 2014, wie konnte ich das vergessen. Zu meinem 12. Geburtstag sind meine Familie und ich nach New York gefahren und weil Tara schon damals meine beste Freundin war, durfte sie mit. Meine Mutter hatte uns erlaubt eine halbe Stunde allein unterwegs zu sein, weil sie noch etwas erledigen musste. Also sind Tara und ich in den wohl dubiosesten Laden in ganz New York spaziert und haben uns dort - warum auch immer - Milchshakes bestellt. Den Rest des Trips durften wir im Badezimmer des Hotels verbringen.

Ich nickte und rollte grinsend mit den Augen. ,,Jedenfalls ist mir irgendwann aufgefallen, dass dieses Kribbeln kommt, wenn er mir schreibt oder mich berührt. Gleichzeitig ist da dieses dumpfe Gefühl in mir, wenn er anderen Mädchen nahe ist... Inzwischen kann ich ihm nicht mehr in die Augen schauen ohne das mein Herz explodiert", erklärte sie zuende und schaute mich interessiert an. ,,Wieso fragst du eigentlich? Ist es wegen Zach?"

,,Was? Doch nicht wegen Zach. Pfft, als ob ich solche Fragen wegen ihm stellen würde", antwortete ich in einer viel zu hohen Stimmlage, was Tara dazu veranlasste ihre Augenbrauen hochzuziehen.

,,Also gut. Du weißt doch, dass Zach mir Klavierunterricht gibt und ich im Gegenzug auf Reese aufpasse, oder? Gestern Abend bin ich wohl auf der Couch eingeschlafen, es war immerhin schon recht spät und Zach war immer noch nicht von seinem Date zurück. Und am nächsten Morgen bin ich in seinem Bett aufgewacht, also muss er mich dort hingebracht haben. Und jetzt kommt das wirklich Merkwürdige: Ich war noch komplett angezogen und er selbst hat auf seiner Couch geschlafen."

Tara weitete die Augen und starrte mich ungläubig an. ,,Zach hat dich in seinem Bett schlafen lassen? Das klingt so, als wäre er von Aliens entführt und ersetzt worden. Und wie hat er sich heute Morgen verhalten?"

Ich zuckte nur mit den Schultern. ,,Er war noch am schlafen als ich gegangen bin, ich musste zum Training. Aber ich habe mich komisch gefühlt, als ich ihn so friedlich schlafen gesehen habe. Und bei der Klavierstunde gestern auch, als sich unsere Hände berührt haben..."

,,Naila Roberts, du stehst doch nicht etwa auf Zach He-?", hakte Tara ein wenig zu laut nach.

,,Psst, soll dich das ganze Café hören?", flüsterte ich und legte ihr schnell meine Hand auf den Mund. ,,Ich stehe nicht auf ihn. Auf keinen Fall. Er verstößt schließlich gegen jeden einzelnen Punkt auf meiner Liste."

Tara sah mich entschuldigend an, runzelte dann aber die Stirn. ,,Welche Liste? Dieses olle Ding, was du vor Jahren mal geschrieben hast?"

Ich nickte stolz und nahm mein Handy in die Hand, um ihr ein Bild von der Liste zu zeigen. Ich hatte sie fotografiert um mich immer wieder an ihren Inhalt zu erinnern, falls ich irgendwann in eine schwierige Situation geraten sollte. Und die Lage mit Zach war definitiv eine dieser schwierigen Situationen.

,,Das ist das ultimative Rezept gegen Fuckboys", kommentierte ich das Bild und steckte mein Handy schließlich wieder weg, als Tara fertig mit dem Lesen war. ,,Und bei aller Liebe, wenn man im Wörterbuch das Wort Fuckboy nachschlägt, ist ein Bild von Zach Herron als Erklärung abgedruckt. Deswegen kann ich gar nichts für ihn empfinden. Ich war lediglich... verwirrt."

Tara rollte mit den Augen. ,,Deine bescheuerte Liste hält dich davon ab auch mal Risiken in deinem Leben einzugehen. Und nur weil du mit dreizehn mal ein paar Kriterien auf eine Tagebuchseite geschmiert hast, heißt das nicht, dass das dein Interesse an ihm auflöst."

,,Ich bin nicht interessiert an ihm!"

,,Oh wirklich nicht? Na wenn das so ist, dann verabrede dich doch mal mit ihm. Ohne Klavierstunde, ohne Reese. Nur ihr beide für... mindestens zwei Stunden. Wenn du das überstehst und immer noch mit dieser Überzeugung sagen kannst, dass du nichts von ihm willst, dann rede ich mit Jack wegen dem Winterball."

Nach kurzem Zögern nickte ich.

Was hatte ich schon zu verlieren, außer meiner Jungfräulichkeit?

just a little bit of your heart | Zach HerronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt