▪︎ Kapitel 1 ▪︎

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Mittwoch 30.12.2020
gegen 19:00 Uhr

PoV. Marcus
"Ich glaube ich liebe ihn auch, aber das kann ich niemals...", klagte ich meiner Mutter über Face Time verzweifelt meine Sorgen, als plötzlich laute Schritte die knarzende Holztreppe der kleinen und doch sehr luxuriösen Berghütte hinunter polterten. Vor Schreck richtete ich mich sofort auf ließ meinen Blick durch mein Zimmer huschen  auch wenn ich genau gehört hatte, das die Person die Stufen nach unten gelaufen war.  Kamen nur zwei Menschen in Betracht , die Person zu sein, welche gerade hier oben gewesen war. Es war egal, wer der beiden es gewesen ist, falls er etwas von meinem Gespräch mit meiner Mutter mit bekommen hatte, hatte ich jetzt ein riesiges Problem und vermutlich zwei unglaublich wichtige Menschen verloren. Denn das was ich meiner Mutter gerade erzählte, bevor sie sich auf der anderen Seite des Globus auf den Weg zur Arbeit machte, war definitiv für keine fremden Ohren bestimmt gewesen.  Keinesfalls unterstellte ich Mick oder Callum, dass sie absichtlich gelauscht hatten, viel mehr wollten sie mich vermutlich einfach zum Abendessen holen, welches sie freundlicherweise schon gekocht hatten, während ich mit meiner Mutter in Neuseeland telefoniert hatte. "Ich muss auflegen Mum. Ich hab euch lieb.", beendete ich das Gespräch mit meiner Mutter abrupt ohne ihr auch nur die Chance auf eine Antwort zu geben. Weitherhin völlig angespannt verließ ich das Bett auf welchem ich es mir bequem gemacht hatte und tapste so geräuschlos wie möglich über den Holzboden zu meiner Zimmertür,  in der Hoffnung noch heraus zufinden, wer von den beiden Jungs gerade hier oben war. Erschrocken zuckte ich zusammen als im unteren Stockwerk die Eingangstür mit einem lauten Knall in ihre Verankerung gezogen wurde. "Mick? Marcus?", hörte ich von unten keine Sekunde später Callums Stimme, welche mindestens genauso erschrocken klang, wie ich mich gerade noch fühlte nach mir und seinem Freund schreien, während mir selbst aufgrund des Schrecks ein etwas unmännlicher Schrei entwich. "Callum?", rief ich in der selben Lautstärke durch die ganze Hütte und beeilte mich leicht humpelnd die Treppe in den Wohnbereich der gemütlich eingerichteten Hütte nach unten zu kommen. "Was war das gerade? Ist einer von euch oben gewesen?", sprudelte es sofort etwas aufgewühlt aus mir heraus, als ich im Wohnzimmer auf den Briten traf, welcher gerade aus der Küche kam. "Ja Mick ist hoch, um dich zum Essen zu holen.", deutete er auf den rustikalen Holztisch hinter sich auf welchem bereits für drei Personen gedeckt war und auf welchem auch schon die Tupperschüssel mit den Nudeln stand, während ich versuchte nicht allzu geschockt auszusehen, da ich nun wirklich die Bestätigung hatte, dass einer der beiden oben gewesen war und somit möglicherweise etwas von meinem Gespräch gehört haben könnte. "War Mick nicht bei dir?", fügte Callum seiner vorherigen Aussage noch sichtlich irritiert hinzu, als er registierte, dass ich zu seiner vorherigen Aussage nichts sagte, während ich einfach gar nichts mehr verstand. "Nein.... Also keine Ahnung, mit mir geredet hat er nicht. Ich hab nur jemand die Treppe runter rennen hören und dann ist die Tür geknallt.", stammelte ich gedanklich total überfordert mit der Situation, da das alles einfach keinen Sinn ergab. Wenn er etwas von dem Gespräch gehört hatte, warum verschwand er dann nach draußen? Das er sauer wäre oder das er mich einfach vor die Tür setzte okay, dass wäre logisch total nachvollziehbar, aber dass er verschwand was ergab dass den bitte für einen Sinn. Das war doch überhaupt nicht logisch, dass er jetzt plötzlich ohne etwas zu sagen, ganz offensichtlich nach draußen verschwunden war. "Seine Skiklamotten sind weg.", riss mich Callums Stimme dieses Mal deutlich ängstlicher als zuvor erneut aus meinem Gedankenchaos, weshalb ich verwundert den Blick hob und feststellte, dass Callum gar nicht mehr bei mir im Wohnzimmer stand. Sondern, wie ich nach kurzem Umschauen festgestellt hatte in den kleinen Flur verschwunden war, wo wir unsere Skikleidung zum trocknen aufgehangen hatten. "Meinst du... Glaubst du er ist einfach raus.... ohne Bescheid zu sagen....", blickte ich den Älteren noch immer heillos überfordert mit der ganzen Situation an, und konnte mir einfach nicht verstehen, wieso Mick ohne etwas zu sagen nach draußen verschwinden sollte. Das passt so überhaupt nicht zu dem Deutschen, einfach so zu gehen ohne Bescheid zu sagen. "Vielleicht wollte er nochmal etwas Holz rein holen?", versuchte ich irgendwie eine halbwegs plausible Erklärung dafür zu finden, warum Micks Skiklamotten fehlten und vor einigen Minuten die Tür ins Schloss gefallen war. Doch wirklich glauben tat ich diesen Erklärungsversuch ja selbst nicht. "Der ganze Holzkorb ist noch voll, du warst doch selber vorhin dabei und auf dem Tisch steht das Abendessen.", zweifelte auch Callum deutlich an meinem Erklärungsversuch und fuhr sich mit seiner rechten Hand durchs Haar, während er mit seinem Blick durch den Raum schweifte, als wolle er einen Anhaltspunkt finden, der ihm verriet, dass das hier alles ein schlechter Scherz war. "Aber wieso sollte er denn sonst jetzt nach draußen verschwinden?", blickte ich meinen besten Freund noch immer etwas überfordert und leicht besorgt an, während ich reichlich unbeholfen neben ihm im Flur stand und versuchte dieses leicht mulmige Gefühl welches sich langsam in meiner Magengegend breit machte zu ignorieren. "Keine Ahnung, Marcus. Keine Ahnung, bevor er dich holen wollte war alles gut, wir haben gelacht und auf die nächsten Tage hier oben gefreut. Ich hab keine Ahnung.", blickte Callum mich genauso verzweifelt und überfordert mit der ganzen Situation an, ehe er seinen Blick zur Tür wandte. "Mick? Mick, wo bist du? Das ist nicht lustig ", schrie er Sekunden später in die Dunkelheit hinaus, während durch die Tür sofort eine eisige Kälte in die Hütte zog und mich fröstelnd die Arme um den Körper schlingen ließ. Ein paar einzelne Schneeflocken verirrten sich auf ihrem Weg vom Himmel herab in den Eingangsbereich der Hütte und schmolzen sobald sie den Holzboden erreichten. Ganz leicht konnte man durch das Licht des Flures draußen im Schnee frische Schritte erkennen, welche noch nicht durch den Wind verweht worden waren. "Siehst du die Spuren?", deutete Callum neben mir ohne seinen Blick von diesen abzuwenden, mit einem Finger in den Schnee. "Ja, sie sehen noch ganz frisch aus.", sah ich zu dem Älteren, während ich meine Arme noch ein wenig enger um meinen Körper schlang. Sollten wir sofort hinter her. Oder würde Mick gleich wieder auftauchen. Hatten wir überhaupt eine Chance seinen Spuren zu folgen, oder waren diese bis wir fertig wären schon längst durch den Wind und den Neuschnee wieder verdeckt, so dass wir ohne Plan durch die Dunkelheit irren würden. Würden wir denn im Dunkeln überhaupt wieder an die Hütte zurückfinden oder wären wir dort draußen dann völlig verloren? "Mick? Darling... wo bist du?", schrie Callum neben mir erneut und nun deutlich verzweifelter in die Nacht hinaus, welche seine Rufe einfach zu verschlucken schien. "Ich ruf ihn an."zog ich mit von der Kälte leicht zitternder Hand mein Handy hervor und suchte die Nummer des künftigen Haas Piloten heraus. Ohne zu Zögern drückte ich auf den kleinen grünen Hörer und presste mir mein Handy ans Ohr. Ich hoffte wirklich, dass er bei dem Wetter welches vor der Tür herrschte Empfang hatte. Ungeduldig wartete ich bis nach wenigen Sekunden das erste Freizeichen erklang, nur um keine Sekunde später zusammen zu zucken als aus dem Wohnzimmer ein Handyklingeln ertönte. Neben mir ließ Callum bei dem klingeln vor Schreck die Türe los, welche wenige Augenblicke später ins Schloss fiel, wodurch ich erneut zusammen zuckte. Noch immer war das monotone Tuten an meinem Ohr, sowie das darauf leicht verzögerte Klingeln alles was die Stille in der Hütte durchbrach. Als ich schließlich mit einigen Sekunden Verzögerung Begriff, dass es Micks Handy war, dass klingelte, weil ich ihn gerade anrief, beendete ich mit einem nicht mehr zu ignorierenden mulmigen Gefühl im Bauch den Anruf und verschwand ohne auf etwas zu achten wie vergesteuert in den großen Wohnbereich, wo Micks Handy, neben Callums auf der Kommode unter dem Fenster lag und durch den aufleuchtenden Bildschirm auf den verpassten Anruf aufmerksam machte. "Was machen wir denn jetzt?", drehte ich mich verzweifelt und eindeutig überfordert mit der ganzen Situation zu Callum um, welcher mir in das Wohnzimmer zurück gefolgt war. "Ich weiß es nicht Marcus.", gab er nicht weniger verzweifelt, fast schon ängstlich zurück und raufte sich erneut die Haare. "Ich versteh gerade einfach gar nichts mehr.", gestand ich ihm nach einigen Sekunden der Stille leise meine aktuelle Gefühlslage und ließ mich auf die ausladende Couch sinken, welche neben der Kommode stand. Das machte doch alles keinen Sinn.  Hätte er etwas von dem Telefonat gehört, dann hätte er dich eher mich rausschmeißen müssen. Wenn zwischen Callum und Mick nichts vorgefallen war gab es doch keinerlei Gründe für Mick einfach zu verschwinden. Mitten in den Bergen, im tiefsten Winter bei einer Eiseskälte. Hier oben war doch außer der Hütte nichts und ins Tal bräuchte man Stunden. "Ich auch nicht Marcus. Ich hab so Angst, dass ihm etwas passiert. Einfach abzubauen passt überhaupt nicht zu Mick.", sank Callum mit gefährlich glänzenden Augen zu mir auf die Couch und blickte mich so verzweifelt und ängstlich an, dass sich mein Herz schmerzvoll zusammen zog. Ohne weiter nachzudenken schlang ich meine Arme eng um den Körper des Briten und klammerte mich in den Pulli  von Mick, welchen er trug und vergrub meinen Kopf seiner Brust. Fest krallten sich Callums Hände an meinen Schultern in den Stoff meines Pullis. Mick durfte nichts passieren. Er durfte sich dort draußen im Schnee nicht verlaufen oder sich verletzen. Er musste einfach wieder zurück kommen.

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