Kapitel 1.

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„Carlynne Ela Chapeaurouge", die Stimme meines Vaters hallte durch die Flure unseres Anwesens. Wenn mein Vater mich bei meinem vollen Namen ruft, der wohl angemerkt in meinen Augen einer der Schlimmsten Namen ist, die es gibt, gibt es dafür meistens genau zwei Gründe. Erstens er ist sauer, weil ich mal wieder etwas angestellt habe, oder zweitens wir haben hohen Besuch, den er nicht warten lassen möchte. Enora seufzt hinter mir theatralisch auf und schnürt mein Korsett etwas fester. „Carly, was hast du nur wieder angestellt? Du hattest mir versprochen dich zu bessern", ich rollte mit den Augen. Enora ist die Einzige die mich Carly nennt und dessen Ermahnungen ich wenigstens ein kleines bisschen Gehör schenke. Sie ist bei uns als Dienstmädchen angestellt und meine beste Freundin seit ich denken kann. Ich beneide sie schrecklich um all die Freiheiten, die ihr gewährt werden. „Ich habe gar nichts angestellt", abwehrend hob ich die Hände, musste sie aber sogleich wieder auf meinem Bett abstützen, da Enora so fest an der Schnürung meines Korsetts zog, dass ich beinahe mein Gleichgewicht verlor. In diesen Dingern zu Atmen war bereits eine Herausforderung, aber dabei auch noch hübsch und elegant auszusehen, fast unmöglich. Enora ignorierte meine Aussage und wandte sich Kopfschüttelt meinem Kleid zu, denn meinen Vater, Monsieur Chapeaurouge lässt man nicht warten.

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Ich eilte, so schnell wie mir das wallende Kleid, mein Luftabschnürendes Korsett und die Feinen Schuhe erlaubten durch die langen Flure, in Richtung Arbeitszimmer. Vor der großen hölzernen Tür blieb ich stehen, strich mir zwei widerspenstige, blonde Locken aus dem Gesicht und raffte mein Kleid. Ich war nervös, keine Frage, doch ich konnte mich beim besten Willen an keinen Grund erinnern, weswegen mein Vater erzürnt sein könnte. In den letzten Wochen hatte ich penibel darauf geachtet die kleine, brave Tochter zu sein, die sich meine Eltern so sehr wünschten. Ich hatte mich kein einziges Mal rausgeschlichen und mich stehts meiner guten Manieren bedacht. Woher dieser plötzliche Sinneswandel kam fragt man sich. Ich habe jedenfalls nicht vor in einem Mädchenkloster irgendwo in Frankreich zu verrotten, bis mein Vater einen für mich geeigneten Ehemann gefunden hat, den ich dann heirate. Ich musste mich also wohl oder übel an seine Regeln halten und die wohlerzogene Tochter spielen. Ich öffnete die Tür und trat in das Lichtdurchflutete Arbeitszimmer. „Carlynne", mein Vater schritt elegant auf mich zu. „Vater, ihr ließt mich rufen", ich knickste. „Ja mein Engel, wir haben Besuch. Die Bauffremonts warten bereits mit deiner Mutter im Salon. Ich möchte, dass du dich heute von deiner besten Seite zeigst. Die Bauffremonts sind wichtige Leute und gute Freude der Familie und Vincent ist auf dem besten Weg mein Schwiegersohn zu werden. Er ist ein guter Junger Mann also hast du dich zu benehmen! Hörst du." Ich nickte stumm, meinem Vater zu widersprechen würde zu nichts führen, auch wenn jede Faser meines Körpers danach verlangte. Er legte seine Hand auf meinen Kopf und strich sanft über meine blonden Locken. Meine Haare habe ich von meiner Mutter und die Grünen Augen sind die meines Vaters. „Du bist wunderschön mon chèri", sagte er liebevoll, „aber hüte deine Zunge. Ich will doch nur das Beste für dich, irgendwann wirst du es verstehen". Er wandte sich zum Gehen, „Komm, besuch lässt man nicht warten."

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Vincent Bauffremont in drei Wörtern zu beschreiben ist einfach. Eingebildet, selbstverliebt und aufgeblasen trifft es auf den Punkt. Ich muss mich jedes Mal zusammenreißen und den Würgereiz zurückhalten, den er bei mir auslöst. Seit geschlagenen 20 Minuten wandern wir jetzt schon durch die Gärten unseres Anwesens. Am liebsten würde ich ihm mal ordentlich meine Meinung geigen. Er war alles in einem Mann was ich nicht suchte und trotzdem hatte ich keine Wahl und musste mitspielen. Bereits als wir Kinder waren hatte ich es aufgegeben ihm zuzuhören und gelernt einfach immer still neben ihm herzugehen und stumm zu nicken. Er widert mich an mit seiner Aufgeblasenen, Selbstverliebten Art. „Nun Carlynne, unsere Eltern schmieden bereits Pläne für unsere Hochzeit und da bin natürlich wieder einmal zu der wunderbaren Auffassung gekommen, dass du, meine schöne, mich den begehrtesten und schönsten Mann in ganz Frankreich auf den Ball nächste Woche begleitest." Ich schwieg, versuchte die in mir aufkommende Wut zu kontrollieren. Er wagte es so mit mir zu reden und mir auch noch etwas Vorzuschreiben. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und meine Fingerknöchel traten Weiß hervor. Atmen Carlynne atmen, er ist deine Wut nicht wert versuchte ich mich zu beruhigen. Ich zwang mir ein Falsches lächeln auf die Lippen, „Ich werde darüber nachdenken." Vincent machte eine abwinkende Handbewegung „Zum Denken wurde die Frau nicht geschaffen, ich werde unseren verehrten Eltern sofort die freudigen Neuigkeiten überbringen". Er eilte davon, ich sah ihm Fassungslos hinterher. Und wieder einmal hatte Vincent Bauffremont es geschafft meinen Tag zu Ruinieren. Zu allem Überfluss waren unsere Eltern hellauf begeistert von dieser Schnapsidee und somit war für mich alle Hoffnung auf Rettung vor diesem grauenhaften Event geplatzt. Meine Laune war so im Keller, dass ich den ganzen restlichen Abend nur noch das nötigste von mir gab und so schnell wie möglich wieder in mein Zimmer verschwand. Eine Sekunde länger an diesem Tisch zusammen mit <Ich kann nicht aufhören über mich selbst zu reden- Vincent> und unseren <Wir planen jetzt schon die Hochzeit und handeln das Erbe aus- Eltern> und ich wäre zur Mörderin geworden.

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Am nächsten Morgen wurde ich so sanft wie immer von meiner geliebten und besten Freundin und Dienstmagd Enora geweckt. „Aufstehen du Faulpelz", schrie sie mir ins Ohr, riss meine Vorhänge zur Seite und setzte mich so der schrecklich hellen Morgensonne aus. Als wäre das nicht alles schon genug Folter musste sie mir noch meine warme Federdecke wegnehmen. „Das Frühstück ist serviert, der Monsieur und die Madame warten bereits." Vorwurfsvoll sah sie mich an und ich grummelte etwas vor mich hin. Sie wusste ganz genau, dass ich bei diesem Blick immer ein schlechtes Gewissen bekam und nutze das in vollen Zügen aus. Kurze Zeit später saß ich gebadet und gekämmt mit meinen Eltern im Speisesaal am Frühstückstisch. Unser Koch hatte sich wie jeden Morgen mal wieder selbst übertroffen und während ich an meinem Croissant knabberte hob sich meine Laune langsam wieder. „Mein Schatz wir müssen dir unbedingt noch ein neues Ballkleid bei Madame Perrin bestellen" und mit diesen Worten meiner Mutter war meine Laune wieder im Keller. „Aber Mutter ich habe doch genug Kleider, ich wüsste nicht warum es nötig wäre Madame Perrin mit einer solchen Nichtigkeit zu belasten". Meine Mutter schüttelte bloß enttäuscht über meine offensichtliche Langeweile an dem Thema Ballkleider den Kopf. „Diese Banditen haben erneut zugeschlagen", mein Vater ist wie ich kein großer Redner am Morgen und wenn er etwas sagt, dann nie ohne Grund. „Diesmal hatten sie das Anwesen der Aubespine im Visier, den gesamten Schmuck und das Geschirr haben diese Bastarde gestohlen". Ich kniff meine Augen zusammen, wenn mein Vater fluchte, dann war es wirklich ernst. „Ach du meine Güte, die arme Georgette", gestresst biss meine Mutter von ihrem Croissant ab, um ihren Anflug von Hysterie zu unterdrücken. „Mach dir keine sorge mon amour, ich werde die Bewachung unseres Anwesens verstärken. Gestern hat mir Monsieur Bauffremont von ihren neusten Wachhunden berichtet, ich denke nun wäre der richtige Zeitpunkt genau solche in Anbetracht zu ziehen". Liebevoll legte mein Vater seine Hand auf die meiner Mutter. Wir alle wussten das das Thema für uns nun vorbei sei. Für solche Dinge waren die Männer im Haus zuständig. Frauen sollten sich damit nicht den Kopf zerbrechen, dennoch ließ mich die Sache nicht los. Ich meine, auf einmal taucht aus heiterem Himmel eine gruppe Banditen auf, vor denen ganz Frankreich zittert und raubt ein Anwesen nach dem anderen aus. Mir war bewusst, dass mein Vater niemals zulassen würde, dass unsere Sicherheit gefährdet wird. Dennoch beunruhigte mich das Gefühl, dass die Männer uns etwas Wichtiges verschweigen. Und dass ich so davon ausging, dass uns wichtige Details verschwiegen wurden, nur weil wir Frauen waren machte mich einfach nur Wütend. 


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Das erste Kapitel meiner Geschichte. Danke an alle die es bis hier her geschafft haben! Ahhhh ich bin so aufgeregt. Sorry wenn es noch nicht so spannend ist, aber das kommt noch ;). Das nächste Kapitel kommt gleich schon online. 

Vielen dank fürs lesen <3

~ Booksnhoney


Carlynne und Cassiel~ Durch das Schicksal verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt