„Charlie. Charlie.“
„Zu früh, Mae.“
„Nicht zu früh. Du bist nur zu spät ins Bett.“
Verschlafen drehe ich mich um, aber meine Mitbewohnerin reißt mir herzlos die Decke vom Körper.
„Charlie. Raus jetzt!“
Unnachgiebig trommelt sie mir auf die Schultern. Offenbar sollte ich wirklich aufstehen.
„Wie spät ist es?“
„Viertel vor acht. Du hast einen Abgabetermin, schon vergessen?“
Ein paar Sekunden dauert es, bis mein Gehirn das verarbeitet, dann springe ich mit einem Satz aus dem Bett. Der Abgabetermin ist nicht das Problem, sondern die geliehenen Scans, die ich bis um neun in der Bibliothek abgeben muss. Kopien von seltenen Büchern.
„Mist! Warum hat mein Handy nicht -“
„Akku leer. Das passiert eben, wenn man zum Einschlafen die Playlist durchlaufen lässt“, sagt Mae und fuchtelt mit besserwisserischer Miene mit dem nutzlosen Ding vor meiner Nase herum. Manchmal kann sie echt eine Nervensäge sein. Nicht mal ihre blonden Traumhaare und die strahlend blauen Augen können diesen Eindruck übertünchen. Was kann ich auch dafür, wenn ich nicht ohne meine Musik schlafen kann?
Aber dann steckt sie mein Handy an das Ladekabel. „Ich kann dir mein altes leihen. Bis diese Antiquität geladen ist, vergehen Stunden.“
Dafür muss ich sie einfach lieben.
Meine nächsten Minuten vergehen in Windeseile. Zähneputzen, duschen, anziehen. Das Frühstück muss warten.
Die Luft im Bad steht. Als ich meine Bluse zugemacht habe, öffne ich gedankenverloren das Fenster. Eine graubraune Katze sitzt draußen auf dem Baum und mustert mich mit ihren gelben Augen. So nah – ich könnte die Hand nach ihr ausstrecken.
Etwas erschrocken taumle ich zurück.
„Hi Jackson. Du hast mich doch nicht etwa beobachtet“, richte ich vorwurfsvoll an ihn.
Der Kater gehört unserer Vermieterin. Seine Angewohnheit besteht darin, ständig irgendwo aufzutauchen. Er ist schon fast aufdringlich. Ich will nicht übertreiben. Ich konnte immer gut mit Tieren, aber diese Katze macht mir Angst. Sein Blick ist fest auf mich gerichtet, er verzieht keine Miene, nur sein Schwanz zuckt aufmerksam hin und her. Ich lächle das Tier verkrampft an und gehe rückwärts aus dem Bad. Es ist ein Erleichterung, als ich die Tür hinter mir zumachen kann. Immer wieder rede ich mir gut zu, gebe uns noch eine Chance, obwohl ich nicht glaube, dass wir Freunde werden. In den drei Wochen, die Mae und ich jetzt hier wohnen, hat er mich dutzende Male so überrascht. Eines Morgens, als ich aufgewacht bin, saß er am Ende meines Betts und knurrte mich an.
Mae meinte, dass es höchstwahrscheinlich ein Schnurren war.
In der Zwischenzeit hat Mae meine Sim eingefügt und die wichtigsten Kontakte auf ihrem alten Samsung eingerichtet. Sie drückt es mir in die Hand.
„Wenn du nicht klar kommst, ruf mich an. Das schaffst du, oder?“
„Ich weiß echt nicht, warum ich mit dir befreundet bin“, brumme ich böse. Dann umarme ich sie. „Du bist die Beste.“
Hastig renne ich die Stufen runter. Im Erdgeschoss geht eine Türe auf und ein grauer Lockenschopf guckt heraus.
„Guten Morgen, Charlene. Möchtest du eine Tasse Kaffee?“
„Nein, Mrs Maryson. Leider keine Zeit.“
Die alte Dame, die Mae und mir die Wohnung vermietet, wirkt etwas geknickt, weil ich sie schon wieder vertrösten muss. Ich kann nicht glauben, dass ich ständig vergesse, wie hellhörig sie ist.
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Love Is Not Enough
ChickLitCharlenes erste Studentenparty war ein Reinfall. Aber aufgeben ist nicht drin, also heißt es: Augen zu und durch. "Nach meinem peinlichen Auftritt auf der Party muss ich mich natürlich gleich noch in den größten Badboy des ganzen Campus verlieben."...