Nicht vergessen: Diese Geschichte ist mein geistiges Eigentum. Die Personen und Orte sind außerdem alle erfunden.
„Heiliges Kanonenrohr, Jackson!“
Ich weiß, dass mich dieser Kater noch einen Herzinfarkt kosten wird. Schon wieder sitzt er auf meinem Bett und sieht mich mit leuchtend gelben Augen an.
„Husch, weg da!“
Er dreht den Kopf, lässt gemächlich seinen graubraunen Schwanz von links nach rechts schwingen.
„Ich bin gleich da, ich beschütze dich“, kommt es vergnügt trällernd aus dem Bad. Mae dreht den Wasserhahn auf.
„Haha, sehr witzig.“
Mein Herz zittert noch vor Schreck, als ich mich auf meinen Arbeitsplatz vor dem geöffneten Fenster fallen lasse. Die Nachmittagssonne kommt durch die Blätter der um das Haus stehenden Bäume gekrochen. Es ist ein schönes Zimmer. Sogar relativ geräumig für zwei arme Studenten wie Mae und mich. Wir hatten Glück, es zu ergattern, Bewerber gab es genug dafür.
„Na, wo brennt's jetzt schon wieder?“ Maes blaue Augen strahlen um die Ecke. Auf ihrem blonden Haar sitzt ein goldener Reif, mit dem sie einfach zuckersüß aussieht.
Ich deute mit einer ausladenden Geste zu Jackson. „Wohnt er jetzt bei uns? Wenn ja, dann brauchen wir ein zusätzliches Bett. Ich sehe nur ein Problem: Das Zimmer ist zwar groß, aber ich glaube nicht, dass wir auf das Sofa verzichten wollen.“
„Jackson, komm her.“ Mae geht in die Hocke und streckt die Hand aus. Sofort kommt der Kater angeschossen und schleicht um ihre Beine. Ein leises Schnurren ist zu hören.
„Wie machst du das nur? Wenn ich mit ihm rede, stellt er sich entweder dumm oder taub.“
„Wenn ich das nur wüsste. Er hat mir von Anfang an aus der Hand gefressen“, lacht Mae und hebt Jackson hoch, um ihn unter dem Kinn zu kraulen. Das Schnurren wird lauter. Genüsslich schließt er die Augen, den Kopf weit nach hinten gestreckt.
„Oh, fast hätte ich's vergessen“, fällt mir ein. Ich krame in meiner Tasche und finde, was ich suche. „Hier, dein Handy. Du hast mir das Leben gerettet.“ Ich verschweige ihr, dass mich die Studenten fast aus der Bibliothek geworfen hätten, als es zu klingeln anfing und sich nicht von mir ausschalten lassen wollte. Immerhin war es beim Googeln nützlich.
„Behalte es. Mit deinem wirst du nicht weit kommen, fürchte ich.“ Mitleidig zieht sie eine Schnute.
Ich überlege nicht lange und lege es dankbar auf dem Schreibtisch ab. Bis ich mir endlich ein iPhone leisten kann, bin ich wahrscheinlich mit dem Studium fertig.
„Was machen wir jetzt mit dir, kleiner Racker?“, fragt Mae liebevoll den schnurrenden Kater.
„Setz ihn draußen auf den Sims und mach das Fenster zu“, lautet mein Vorschlag.
„Charlie, also wirklich. Da wunderst du dich, dass ihr nicht miteinander warm werdet?“ Empört schüttelt Mae den Kopf.
„Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn er hier ist“, erwidere ich zurückhaltend.
„Ja, dann ist es wohl besser, wenn du erst mal wieder nach draußen gehst“, spricht Mae ruhig auf Jackson ein und setzt ihn, wie von mir vorgeschlagen, auf den Sims. „Geh und fang eine Maus, Süßer.“
Erleichtert atme ich auf. „Jackson macht mich wahnsinnig. Hoffentlich passiert mir das später nicht genauso.“ In meiner Vorstellung bin ich nach dem Studium stolze Besitzerin einer Kätzin oder eines Katers. Wie um alles in der Welt wird es möglich, dass ich mit ihr auskomme, wenn Jackson und ich so große Schwierigkeiten miteinander haben?
„Ich weiß ja, dass du dir mal eine Katze wünschst. Aber Kopf hoch, das wird schon. Nicht jeder Mensch und jedes Tier harmonieren miteinander“, greift Mae meine Gedanken auf. Sie weiß eben immer genau, was in mir vorgeht.
„Das gilt auch für Mensch und Mensch“, werfe ich trübsinnig ein.
„Natürlich“, pflichtet Mae mir bei. „Willst du drüber reden, was du genau damit meinst?“
„Das will ich.“ Als meine Mitbewohnerin habe ich ihr von Alec erzählt. Das macht es einfacher, denn nichts ist so niederschmetternd wie der Versuch einer ahnungslosen Freundin, mich mit einem Kerl zu verkuppeln. Es hat auch mit Tyler nicht geklappt, obwohl niemand uns gedrängt hat. Jedoch war ich einfach nicht bereit für einen neuen Mann.
„Hier.“ Mae hält mir eine Flasche Wasser hin, die sie aus unserem Kühlschrank geholt hat. Wir stoßen an. Dann lässt sie sich auf ihren Stuhl sinken und nimmt ihren Lieblingskugelschreiber in die Hand. Mae hat so viel Energie, dass sie ständig hibbelig ist. Stillsitzen ist ganz klar nicht Bestandteil ihrer Natur. Wenigstens ihre Finger müssen immer in Bewegung sein.
„Ich war doch heute in der Bibliothek, um die Scans zurückzubringen“, sage ich weit ausholend.
„Mmhmm“, macht Mae.
Ich drehe am Verschluss meiner Flasche. „Keine Sorge, ich hab es rechtzeitig geschafft. Aber da war so ein Kerl, der es mitbekommen hat.“
„Charlie! Tyler bekommt doch keinen Ärger, oder?“
„Nein, Tyler geht es gut. Ich konnte den Kerl überzeugen, dass alles nicht weiter schlimm ist. Wir haben die Bibliothek verlassen und sind ins Gespräch gekommen“, kürze ich meine Erzählung etwas ab, Mae muss ja nicht alle unwichtigen Einzelheiten erfahren.
„War es denn ein interessantes Gespräch?“ Ihre Worte sorgen bei mir für einen Satz rote Ohren.
„Ziemlich“, gebe ich zu und stürze gierig mein Wasser hinunter.
„Wenn du mich überzeugen willst, musst du schon mehr verraten. Was hat es mit dem Mann auf sich?“
„Glaubst du mir nicht?“, frage ich schmollend.
„Süße, du bist eine tolle Frau, aber alles andere als überzeugend. Wenn er Tyler nicht verpfeift, dann nur, weil du ihn mit deinen weiblichen Reizen bezirzt hast.“
„Wie soll das denn gehen?“ Ich sehe an meinem gestrickten Oversize-Pulli hinunter, in den ich mit den Daumen Löcher gebohrt habe. Meine dünne Jacke ist um meine Hüfte gebunden, drunter trage ich eine abgewetzte Jeans und Turnschuhe, die so ausgelatscht sind, dass sie fast keine Sohle mehr haben. Wenn das nicht reicht: Für Make-up oder eine nette Frisur war am Morgen sowieso keine Zeit mehr.
„Muss ich das jetzt wirklich sagen? Du glaubst, du bist nicht in Stimmung für einen Kerl, aber vielleicht ist ein Kerl in Stimmung für dich.“
„Kein Kerl steht auf einen verbeulten Ford, wenn er zum gleichen Preis einen nigelnagelneuen BMW haben kann“, brumme ich.
„Ich bin deine Freundin, Charlie, aber du machst es mir ganz schön schwer“, stöhnt Mae. „Wenn du die Jacke anhast, ist dein Arsch nicht zu verachten. Darauf stehen Kerle. Du hast ein hübsches Lächeln und ein attraktives Gesicht. Wenn dir das nicht reicht, muss ich leider noch deutlicher werden.“
„Dann werde deutlicher“, fordere ich sie heraus, weil mir noch immer nicht klar werden will, wieso sich ein Kerl wie Jared, der jede Frau haben kann, mit mir abgeben sollte.
„Es gibt mehrere Möglichkeiten. Zum Beispiel strahlst du Sexappeal aus, weil du wieder anfangen willst, mit Männern auszugehen, du hast es nur noch nicht gecheckt.“
„Du hast ihn nicht gesehen, Mae. Er ist der Wahnsinn. Der geht höchstens mit mir aus, wenn ich vorher fünf Stunden bei einem Stylisten verbracht und eine Rundumerneuerung durchgemacht habe.“
„Das ist gar nicht nötig. Und deine Klamotten sind einem Kerl, der dich attraktiv findet, Wurst“, informiert mich Mae knallhart. So ist sie nun mal. Aber ohne ihre Direktheit hätte ich den Start am College nicht geschafft. Öfters, wenn ich am liebsten faul im Bett liegen würde, schafft sie es, mich aus der Reserve zu locken, damit ich über mich hinauswachse. Nur ihr ist es zu verdanken, dass ich noch hier bin und nicht hingeschmissen habe.
„Du willst mir doch nicht sagen, dass meine ganzen Bemühungen, nicht auffallen zu wollen, umsonst waren“, antworte ich ironisch.
Mae lächelt siegesgewiss. „Tut mir leid.“
Ich seufze. „Nächste Möglichkeit“, sage ich fordernd.
„Er ist nett.“
„Niemals.“
„Doch. Dagegen kannst du nichts sagen, denn immerhin seid ihr ins Gespräch gekommen.“ Sie grinst.
Selbst schuld, Charlie. Du hättest ihr nicht so viel erzählen dürfen.
„Wenn du meinst. Aber eigentlich ist es sowieso egal, denn so riesig wie der Campus ist, glaube ich nicht, dass ich ihn nochmal wiedersehen werde. Vor allem bin ich keine acht Jahre mehr, ich glaube nicht an Märchen.“ Meine Zukunft ohne Alec liegt im Dunkeln. Ohne ihn fühle ich mich ausgebrannt und leer. Für einen Herzensbrecher ist da sicherlich kein Platz.
„Du machst mich traurig. Wir verbringen eindeutig zu viel Zeit zusammen“, findet Mae, beugt sich zu mir und zieht an meinen Haaren.
„Das stimmt.“
Ich umarme sie. Was würde ich nur ohne Mae tun? Sie ist mir so ans Herz gewachsen.
„Schätzchen, du kennst die Männer nicht. Wenn sie was von uns wollen, geben sie nicht so leicht auf“, flüstert Mae in mein Haar.
Wenn sie meint, lasse ich sie in dem Glauben. Ich kann ihr nicht zumuten, zu derselben grauen Maus zu werden wie ich.
Mein nächster Tag beginnt etwas weniger hektisch. Ich bin nicht unbedingt eine Frühaufsteherin, hin und wieder gelingt es mir aber, nicht alles zu versemmeln. So bleibt mir sogar noch Zeit für einen himmlisch frisch gebrühten Latte aus meinem Lieblingscafé, den ich draußen auf einer Bank unter einem der alten Bäume genießen kann.
Als ich einen Becher ergattert habe, danke ich dem Mann hinter dem Tresen für den schönen bis über den Rand stehenden Milchschaum und drehe mich um. Ich spüre einen harten Körper, in den ich hineinlaufe, und wie sich mein Latte in hohem Bogen aus dem Becher bewegt. Heiß!
Entsetzt schaue ich zurück taumelnd nach oben, als sich aus dem Mund des Gegenübers ein lautes Fuck! herauslöst. Mein Latte hat es offenbar geschafft, uns beide zu verbrühen. Aber das ist nichts gegen meine Wut darauf, dass ich in dieser Woche schon zum zweiten Mal mit den Bauchmuskeln des gleichen Kerls kollidiert bin.
„Das ist doch wohl ein Witz!“, sprudelt es aus mir. „Du?“
Jared blickt mich so starr an, dass ich Gänsehaut bekomme. „Ich? Du!“, knurrt er.
„Wieso stehst du ständig hinter mir, wenn ich mich umdrehe?“, antworte ich genervt und drücke ihm den leeren Becher auf die steinharte Brust. Sein weißes T-Shirt ist durchtränkt von meinem Latte macchiato.
Jared schiebt sich auf mich zu. Ich spüre seinen warmen Karamell-Atem auf meinem Gesicht. Wenn ich gestern den Eindruck hatte, er könnte mich zerquetschen, ist das nur ein flüchtiger Eindruck gewesen. Wir stehen beide Körper an Körper und voll unter Strom. Sogar meine Haarspitzen müssen knistern.
„Wieso rennst du ständig davon? Du drehst dich nicht um wie ein normaler Mensch, du willst so schnell wie möglich weg und untertauchen.“ Er zieht selbstsicher seine Brauen hoch.
„Muss dann wohl an deiner Aura liegen. Meine Sensoren für Gefahrenerkennung haben dich erkannt und angeschlagen“, werfe ich ihm an den Kopf.
„Blödsinn. Du weißt, dass ich dich durchschaut habe, Dotty“, sagt er mit gesenkter Stimme, in der ein Hauch Zuneigung liegt. Mein Mund wird trocken, woraufhin seiner sich erneut öffnet. Unmissverständlich flüstert er: „Warte hier, ich bin gleich wieder da.“
Jared geht zum Tresen und redet mit dem Angestellten. Ihre Stimmen und Gesten huschen verschwommen an mir vorbei. Mein Herz klopft rasend schnell. Wieso kennt Jared sich so gut mit Menschen aus? Es ist ja nicht so, dass auf meiner Stirn etwas über den Tod meines Freundes geschrieben steht, der mir den Boden unter den Füßen weggerissen hat.
Kurz darauf kommt Jared mit zwei dampfenden Bechern zurück. „Hier, der ist für dich. Diesmal trinkst du ihn.“
„Haha.“
Unsere Hände berühren sich, als ich ihm einen Becher abnehme. Heiße Blitze zucken durch meinen Arm, doch ich halte den Becher fest und lasse ihn nicht los.
„Danke für den Latte, Jared.“ Ich dehne den Satz in die Länge, weil ich ihn nicht vor den Kopf stoßen will. „Leider hab ich keine Zeitt mehr. Mir bleiben genau noch fünf Minuten für dieses köstliche Getränk. Deshalb würde ich jetzt wirklich gerne auf einer Bank unter einem Baum sitzen und ihn in Stille genießen.“
„Du willst, dass ich gehe“, antwortet Jared direkt.
„Ja. Ich bin einfach gern in der Natur. Ich brauch das.“
„Das ist der Campus, Charlie, nicht die Natur. Hier sieht jeder Baum gleich aus.“
„Dann hast du dir die Bäume noch nicht genau angesehen“, sage ich leicht unsicher.
Jared denkt sichtbar nach. „Du bist also gern in der Natur. Was hältst du von einem Ausflug in die richtige Natur? Ich hab dieses Wochenende noch nichts vor.“
Mein erster Gedanke? Scheiße!
„Versuchst du mich zu einem Date zu überreden?“, zwinge ich krampfhaft lächelnd heraus.
„Darüber kann man streiten“, sagt er mit kraus gezogener Stirn.
Peinlich berührt tauche ich die Lippen in meinen Latte-Milchschaum. Was hat mich dazu gebracht, das zu sagen? Ich bin nicht Jareds Liga. Überhaupt nicht.
„Ich kenne dich ja gar nicht“, fällt mir ein, als ich vorsichtig den Schaum von meinem Mund lecke.
„Dann ändern wir das. Wenn du Angst bekommst, kannst du immer noch wegrennen. Darin bist du ja besonders gut.“
Das hört man als Frau echt gerne. Es wird langsam Zeit für die Wahrheit, fürchte ich. Jetzt oder nie. „Ich habe keine Angst vor dir. Ich weiß nur nicht, was du mir mir anfangen willst. Ein Kerl wie du geht doch nicht mit einem Mädchen wie mir aus.“
„Ein Kerl wie ich ist gern in der Natur. Wenn ein Kerl, der gern in der Natur ist, ein Mädchen auf einen Ausflug mitnimmt, das ebenfalls gern in der Natur ist, könnten die beiden vielleicht Freunde werden. Du hast doch nichts gegen Freunde, oder? Dieser Tyler, bist du nicht befreundet mit ihm?“
Das hat er sich also gemerkt. „Mmhmm.“
„Na dann lass es uns versuchen. Du brauchst nur einen Rucksack mit Wechselklamotten und deine Wanderschuhe.“
Wanderschuhe? Mein letztes Paar Wanderschuhe hatte ich mit dreizehn. Selbst wenn die noch zuhause im Keller stünden, dürften sie wohl nicht mehr passen.
„Was ist?“ Jared mustert mit großer Aufmerksamkeit mein entgleistes Gesicht.
„Nichts. Ich überlege nur, wo meine Wanderschuhe geblieben sind. Ich … ich bin nicht sicher, ob ich sie beim Umzug überhaupt mitgenommen habe, aber das lässt sich klären“, reime ich mir zusammen.
„Gut. Dann hole ich dich am Freitag Nachmittag ab. In welchem Heim wohnst du?“, fragt er unbefangen.
„Ich wohne außerhalb des Camups. Zusammen mit meiner Mitbewohnerin bin ich in einem kleinen Haus in der Fleetstreet untergekommen.“
„Schöne Gegend. Du hast echt Glück gehabt.“
„Ja, ich weiß“, nuschele ich.
Jared scheint alles bereits durchzuplanen, denn er fragt mich nach meiner Handynummer und ob ich auf irgendwas allergisch bin. Ich nenne ihm einige Nüsse, die bestimmt der Grund dafür waren, warum auf der Party mein Gesicht von Punkten überdeckt war.
„Also keine Energieriegel mit Nüssen. Gut zu wissen“, fasst er zusammen.
Ich stimme nickend zu. Nur nichts dem Zufall überlassen.
Nachdem wir unsere Nummern gespeichert haben, Jared war so freundlich, mir mit Maes Handy zu helfen, trinke ich hastig meinen Latte. In meinem Kopf rattern die Gedanken hörbar durch meine Gehirnwindungen. Ich bin so ein Idiot. Ich gehe überhaupt nicht gern in die Natur. Nicht in die richtige, wilde Natur, wo einem womöglich Schlangen und Eidechsen begegnen. Oder Bären. Gibt es hier in der Gegend Bären? Wo fahren wir überhaupt hin?
Am späten Nachmittag schildere ich Mae mein Problem. Sie fasst es mit Gelassenheit auf.
„Das wird sicher eine super Abwechslung.“
„Hoffentlich sehen das meine Professoren genauso, wenn ich nicht die gewünschten Wörter liefere. Ich muss noch so viel fertig machen, wie soll ich das schaffen?“
„Indem du dich jetzt an deine Arbeit setzt und dich mit diesem Wochenende für deinen Fleiß belohnst. Es kann toll werden.“
Ich muss Maes Enthusiasmus und ihre aufmunternd gute Laune bewundern. Vielleicht wird es ja wirklich ganz lustig. Ich meine, was ist schon dran, mit einem anderen Studenten einen Ausflug ins Grüne zu machen? Meine Abneigung dagegen kommt nur daher, dass ich früher immerzu mit Alec zusammen war. Auf ihn konnte ich mich hundertprozentig verlassen. Er wusste, wie gern ich in der Stadt lebe. Wir sind zusammen durch die Straßen und Parks gezogen, wo immer ein Restaurant oder Supermarkt in der Nähe war. Die Wildnis stelle ich mir aber nicht so behaglich vor.
Meine Bedenken werden zusätzlich von meiner mangelhaften Ausrüstung befeuert, als ich alles für den Ausflug zusammenpacke.
„Ich kann nicht mit ihm auf diesen Trip gehen. Ich hab ja nicht mal einen vernünftigen Rucksack.“
„Dann nimm meinen. Der steht sowieso nur rum“, bietet Mae an.
„Aber was ist mit den Schuhen? Turnschuhe und Sandalen sind keine Wanderschuhe. Jared hat ausdrücklich Wanderschuhe gesagt.“
„Das hier ist Amerika, Süße. Wir finden einen Laden mit Wanderschuhen.“
Mae schleift mich unter Protest in einen Sportausrüster. Mir war nicht klar, dass der Begriff Wanderschuhe so weitläufig ist. Bei der einfachen Frage, ob die Schuhe für Geröll geeignet sein müssen, bin ich gleich total überfordert. Ich verfluche im Stillen Jared dafür, der mich ja dazu überredet hat, den Ausflug mitzumachen, und mich auch, weil ich nicht nein gesagt habe.
Mae, die mich gut genug kennt, springt sofort ein. Ich überlasse ihr das Reden und die Auswahl der Schuhe. Am Schluss probiere ich drei Paar aus, die sie für mich ausgesucht hat, und laufe damit probehalber über einen unebenen Steinboden und mehrere Holzstege.
„Die sind alle gut“, sage ich hilflos zum Verkäufer. Das hatte ich nicht erwartet, aber sie fühlen sich tatsächlich bequem an.
Da ich nach einer weiteren Runde, in der ich über die verschiedenen Böden gelaufen bin, nicht sagen kann, welche Schuhe mir am besten liegen, entscheide ich mich für das Paar mit den pinken Einschlüssen an der Seite. Ich bekomme plötzlich Lust auf Farbe. Vielleicht ist es auch die stille Hoffnung, damit besser im unwegsamen Dschungel gefunden zu werden, falls ich mich verlaufen habe.
„Finde ich gut“, muntert Mae mich auf. Sie stupst mich mit der Schulter an, wir packen zusammen und gehen zur Kasse.
Jetzt bin ich stolze Besitzerin neuer Wanderschuhe. Juhu.
Worauf habe ich mich da nur eingelassen?

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Love Is Not Enough
Literatura KobiecaCharlenes erste Studentenparty war ein Reinfall. Aber aufgeben ist nicht drin, also heißt es: Augen zu und durch. "Nach meinem peinlichen Auftritt auf der Party muss ich mich natürlich gleich noch in den größten Badboy des ganzen Campus verlieben."...