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Jared

„Spinnst du jetzt? Seit wann plauderst du seelenruhig mit einem Erstsemester-Mädchen?“

„Weil es, wie du erkannt hast, ein Erstsemester ist.“ Braiden glaubt mir nicht, ich muss also etwas nachlegen. „Sie hat einen hübschen Arsch, okay?“

„Alle deine Bräute haben einen hübschen Arsch, Bro.“

Zwei Studentinnen kichern leise, als wir auf dem Weg zu unseren Vorlesungen an ihnen vorbei gehen. Ich zwinkere ihnen zu, sie laufen rot an und Braiden schüttelt verzweifelnd den Kopf.

Wahrscheinlich fragt er sich, wie ich das immer mache. Ich ziehe sie einfach an, das ist das ganze Geheimnis. Sie kommen von allein zu mir, fragen mich nach dem Weg, wenn sie sich auf dem Campus verlaufen haben, oder ob ich ihnen sagen kann, wo man den besten Kaffee bekommt.

„Ja, haben sie“, binde ich ihm auf die Nase. „Aber die Kleine sah so verloren aus. Ich weiß auch nicht, Mann. Sie kam mir bekannt vor, da musste ich einfach an ihr dran bleiben. Außerdem hatte sie noch nichts gegessen und war total unterzuckert.“

„Bekannt …?“

Ich knirsche leise mit den Zähnen. Wenn Braiden nicht mein kleiner Bruder wäre, wäre es mir peinlich, überhaupt darüber zu reden. „Unsere Alten hatten nie Zeit für uns, weißt du doch. Mein Leben war echt scheiße, das kommt eben manchmal hoch.“

„War es. Ich verstehe es trotzdem nicht.“ Mein Bruder streicht sich die Haare aus der Stirn. Ich finde es cool, dass er sie immer noch wild wachsen lässt. Ab und zu, wenn sie ihm zu lang werden, lässt er sie von einem Kumpel schneiden. Er war schon als kleiner Junge ziemlich rebellisch. Wenn unsere Eltern meinten, dass es Zeit für einen Friseurtermin war, hat er so lange protestiert, bis sie ihn in Ruhe ließen. So viel Glück hatte ich in seinem Alter nicht. Das Verständnis unserer Eltern für Kindererziehung entsprach eher dem Drill an einer Militärakademie. Erst später ließen sie uns einfach machen, weil Das Imperium wuchs und immer einnehmender wurde.

„Es gibt auch nicht viel dazu zu sagen. Als ich sie sah, dachte ich, dass sie Hilfe braucht. Ich bin auf die Füße gekommen – ja, das hat zwar gedauert, aber ich hab's geschafft. Warum also nicht mal was zurückgeben?“

Braiden setzt nachdenklich zu einer neuen Frage an. „Warum ausgerechnet jemand, der so gar nicht in dein Beuteschema passt?“

„Mach keine große Sache draus, kleiner Bruder. Ich habe das mit ihr schließlich nicht geplant.“

Braiden mag es nicht, wenn ich ihn kleiner Bruder nenne, und brummt verstimmt. „Hast du es ihr erzählt? Du redest sonst nie darüber, was früher war. Nicht vor Fremden, Jar.“

Den Teil kann ich selbst noch gar nicht glauben. Das Früher halte ich fern von meinem jetzigen Leben. Es ist in meinem Hinterstübchen unter einem Haufen anderer Sachen vergraben, die nur mich was angehen und nicht das fremde Erstsemester-Mädchen, das mich mit großen Augen hilflos mustert als wäre ich ihr persönlicher Bodyguard. Braiden versteht, warum das nötig ist, aber er scheut keine Konfrontation, um tiefer zu graben. Ihm erlaube ich, bis zu einem gewissen Grad nachzufragen, hin und wieder gibt es jedoch auch Punkte, die ich ihn nicht überschreiten lasse. Einmal hat er einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt und wir gerieten – ohne es zu merken – in eine Schlägerei. Er konnte einfach seine große Klappe nicht halten. Ich war sowieso schon schlecht drauf, als er anfing, mich mit Fragen zu löchern. Keiner von uns wollte nachgeben bis wir beide, aufeinander einprügelnd, am Boden lagen. „Sie glaubt nicht, dass es wahr ist. Sie hält es für eine erfundene Geschichte.“

„Was macht dich da so sicher?“, bohrt Braiden nach. Er ist wirklich ein alter Sturkopf.

„Wer kennt sich mit Frauen am besten aus?“, frage ich im Gegenzug und verschränke die Arme. Wenn er mir noch drei dieser Fragen stellt, reißt mir der Geduldsfaden.

Love Is Not EnoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt