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Ich blickte Vincent fragend an. „Du willst was?" Fragte ich verwirrt. „Peru!" Rief meine Mutter entsetzt und stand auf. Ließ sich allerdings direkt wieder auf den Stuhl fallen und strich Papa über den Arm.
„Es ist nur für drei Monate und würde super in meiner Bewerbung aussehen." Verteidigte er sich und ich blickte ihn an. „Deiner Bewerbung für was?" Fragte ich ihn. „Du hast keinen Abschluss!" Erinnerte ich ihn und er verdrehte die Augen.
„Schule ist halt nicht so mein Ding." Erklärte er und blickte mich an. Er appellierte an meine unkonventionelle Art. Das wusste ich und wenn ich nicht selbst ein Geheimnis hätte das er trug, würde ich wahrscheinlich Lachend durch die Tür gehen.
„Also willst du die Schule schmeißen? Ein halbes Jahr vor deinem Abschluss?" Er nickte. „Das kann ich nur jetzt machen." Beschwor er.
„Ich habe jetzt die Chance!" Fügte er hinzu. „Ich weiß nicht warum wir diskutieren. Ich habe schon nein gesagt." Warf meine Mutter wieder ein.
„Vince, was willst du machen? Ich meine mit deinem Leben?" Er sah mich an und blickte dann meine Eltern an. Ich kannte diesen Ausdruck. Es war ihm peinlich. „Naja. Ich verstehe nicht, was daran so schlimm ist. Sozialhelfer ist ein Beruf in dem ich viel erreichen kann." Ich nickte. „Aber braucht man dafür nicht eine Ausbildung oder sowas?" Er schüttelte den Kopf.
„Ich will Leuten helfen. Ich will Gutes tun." Erklärte er und ich nickte. Vor einigen Wochen wollte er noch dauerhaft breit sein. Obwohl mir Leuten helfen im Gegensatz zu Drogen nehmen harmlos erschien, war ich mir nicht so sicher. Immerhin musste er davon auch leben können.
Peru war tausende Kilometer entfernt. „Willst du das wirklich?" Fragte ich und er nickte, sah mir tief in die Augen. „Warum? Sei ehrlich!" Bat ich ihn und er nickte wieder.
„Als Tobi nach Afrika ist, haben sich alle am Tisch gefreut und ihm gratuliert." Erklärte er und das stimmte. Mama war vor stolz fast zerflossen. Er hatte Recht.
„Ich bin nicht so schlau wie Tobi. Ich bin nicht so gut in der Schule. Ich werde es nicht schaffen Medizin zu studieren und den ganzen Mist."
Ich blickte meine Eltern an. Mein Vater war stolz ich konnte es in seinem Gesicht erkennen. In dem meiner Mutter stand Angst. Sie hatte Angst und auch das verstand ich.
„Mama." Flüsterte ich. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Schatz." Flüsterte nun auch mein Vater. „Wenn du das willst, gebe ich mein okay." Erklärte mein Vater und brachte Vince zum Grinsen.
„Mama." Sprach er sie an. Noch immer wollte sie es nicht. Doch alle wussten, dass sie es erlauben würde. Denn auch wenn es manchmal nicht so aussah, liebte sie uns. Sie wollte uns beschützen und manchmal glaubte sie einfach wir wären nur sicher bei ihr. Aber sie konnte nicht für immer auf uns aufpassen.
„Ich stelle einige Bedingungen." Warf ich ein und Vince nickte. „Du schreibst. Nicht nur mir, sondern auch Mama und Papa. Und du führst ein Reisetagebuch. Ich möchte wöchentliche Berichte." Erklärte ich.
„Selbst am anderen Ende der Welt willst du mich kontrollieren?" So stimmte das nicht ganz. „Ich möchte dass du schreibst. Es geht mir nicht darum dich zu kontrollieren." Er schnaubte. „Ich will dass diese Texte und auch Bilder gesammelt werden. Weißt du noch dein Aufsatz?" Der Aufsatz! Damals hatte er einen Aufsatz geschrieben über den es wahnsinnig viel Stress gegeben hatte. Es war zu der Zeit in der Tobi gestorben war. Schockierender Weise, war dieser Text das ehrlichste und wahrste was ich lange Zeit gelesen hatte.
Vincent nickte. „Du hast Talent. Und auch wenn du mir das nicht glaubst, will ich dass du irgendwas machst, was handfest ist. Ich finde es toll dass du Menschen helfen willst. Doch wenn du zurückkommst, was hast du dann?" Wieder schnaubte er. „Ein paar Texte?" Ich nickte.
„Ein paar Texte die deine Schwester veröffentlichen wird. Und dann kannst du dich entscheiden. Vielleicht ist das alles völlig bescheuert. Vielleicht ist das aber auch gut für dich." Erklärte ich. Ich wusste tatsächlich nicht, ob das völliger Schwachsinn war oder eine gute Idee.
„Ach ja. Drei Monate. Kein Tag länger. Du wirst dich nicht tätowieren oder piercen lassen. Nicht heiraten, niemanden schwängern." Er grinste wissend. „Keine Scheiße bauen." Fügte ich hinzu. Und er nickte.
„Du lässt dich nicht umbringen." Rief meine Mutter beleidigt. Theatralisch verdrehte Vince die Augen.
„Ja Mama." Sagte er völlig übertrieben.
„Wann geht es denn los?" Fragte mein Vater plötzlich und Vince grinste ihn an. „In einer Woche." Brachte er völlig begeistert heraus. „So bald schon?" Regte sich meine Mutter wieder auf. Vicky betrat das Esszimmer und umarmte Vince. So wie ich sie kannte, hatte sie auf der Treppe gesessen und gelauscht. Das hatten wir früher alle getan.
„Hauptsache du kommst zurück." Sagte sie und tänzelte gutgelaunt in die Küche. „Ja. Hast du das gehört?" Ich lachte. Auch Vince lachte leise. „Das habe ich vor!" Versprach er, doch seine gute Laune würde wohl keiner von uns so schnell trüben können.
„Ach ja..." Begann ich nervös und spürte Mamas Blicke auf mir. Sie lächelte, doch ich wusste, dass sie gleich einen Mittelschweren Kollaps bekommen würde.
„David hat sich bei euch vorgestellt habe ich gehört?" Fragte ich möglichst Beiläufig. Skeptisch nickte meine Mutter. „Ein sehr netter junger Mann." Stellte sie fest und ich nickte. „Das ist gut, dass du so denkst." Sie fiel mir ins Wort. „Ihr seid liiert? Ich wusste es. Wir hast du das nur geschafft? Ein so schnieker Mann." Schwärmte sie und grinste begeistert. Alle waren so gut drauf. Ich wollte ungern die Laune verderben. Aber David hatte recht gehabt. Sie liebte ihn. Vielleicht würde sie ja doch nicht ausrasten?
Wie sollte ich das sagen? Einfach so als würde ich ein Pflaster abreißen? Oder langsam und beruhigend? Sollte ich es so auf dem rausgehen erzählen? Oder vielleicht so nebenbei beim Fernsehen?
Vince neben mir blickte mich abwartend an. Die neusten Entwicklungen kannte er nicht. Doch er kannte auch nicht die Einzelheiten. Es würde sicherlich erleichternd sein, wenn ich endlich die Wahrheit sagte. Bis ich allerdings zu diesem Punkt kommen würde, würde ich noch eine ganze Zeit Mama ausgesetzt sein. Also wie erzählte ich am besten, dass ich verheiratet war? Das ich vor fast drei Monaten geheiratet habe? Seit letzter Woche nun offiziell verheiratet war? Mein Mann ein Mann war mit dem ich erst seit vier Tagen offiziell verheiratet war? Sie würde mich umbringen! Ich wusste es.
„Also ich habe David in Vegas kennengelernt." Meine Mutter nickte. Ich konnte sehen, wie das Interesse meines Vaters schrumpfte. Er erhob sich und wollte zurück ins Wohnzimmer, als ich Vincent hörte. „Papa. Das willst du glaube ich hören." Erklärte er und hatte die Aufmerksamkeit meines Vaters wieder erweckt. Böse sah ich ihn an.
„Nun ja es könnte sein, dass wir sehr betrunken waren." Meine Mutter nickte wieder. „Habt ihr Geld gewonnen?" Ich schüttelte den Kopf. „Nicht so ganz." Vincent grinste wissend.
Wie ein Pflaster! Kurz und schmerzlos! „Wir haben irgendwie geheiratet!" Brachte ich ruckartig raus und sah in die Schockierten Gesichter meiner Eltern. Versuchte mich an einem Lächeln, doch es verrutschte leicht.
Meine Mutter sah aus, als wüsste sie nicht, ob sie sich freuen sollte oder weinen. „Aber solange die Urkunde nicht eingereicht wird. Ist doch diese Hochzeit nicht gültig." Erklärte mein Vater und ich nickte. „Das schon..." Begann ich und meine Mutter sah mich an.
„Du bist seid Ewigkeiten wieder hier! Warum hast du uns das nicht gesagt? Wie lange bist du denn schon mit diesem Mann zusammen?" Fragte sie nun ich schloss die Augen.
„Seit vier Tagen offiziell." Erklärte ich. „Du hast einen Mann geheiratet, denn du kaum kennst?" Ich nickte. Meine Mutter sah verstört aus.
„Warum?" Verzweifelt zuckte ich mit den Schultern. „Warum sagst du uns das?" Fragte nun mein Vater mehr als skeptisch. Er wusste, dass da noch mehr war.
„Nun ja. Es könnte sein, dass jemand - ich weiß nicht wer – die Urkunde eingereicht hat und ich nun offiziell verheiratet bin." Meine Mutter fasste sich an die Stirn. „Maja." Hauchte sie verzweifelt. „Das kann nicht sein." Erklärte sie und ich musste sie enttäuschen. „Das ist doch keine Hochzeit! Liebst du diesen Mann? Ich meine kannst du dir vorstellen dein ganzes Leben mit ihm zu verbringen? Das ist die Ehe? Hast du darüber nachgedacht?..." Die nächste halbe Stunde hörte ich meiner Mutter nur dabei zu, wie sie mir Fragen stellte auf die ich kaum eine Antwort wusste.
Irgendwann wurde ich von meinem Vater gerettet. „Sag mir einen Grund warum du in Erwägung ziehst dein Leben mit ihm zu verbringen?" Seine Stimme war so ruhig, dass ich nicht recht wusste was er erwartete. Doch ohne Zögern konnte ich antworten.
„Ich bin eine Katastrophe. Das pure Chaos..." Begann ich und mein Vater lauschte mir schlicht. Er verurteilte mich nicht. Jedenfalls nicht ohne mich angehört zu haben. „... David aber macht aus mir das was ich immer sein wollte. Er lässt mich völlig abstürzen und erwartet nichts. Und doch will ich besser sein, als ich bin." Erklärte ich meine Gefühle.
„Er ist nicht perfekt und ich bin es erst recht nicht. Aber zusammen... Alles passt!" Erklärte ich weiter. Es klang in meinen Ohren wie völlig wirres Zeug. Doch das war mir egal.
„Du magst ihn. Das genügt mir." Sagte mein Vater und lächelte sanft. „Tobi hätte ihn gemocht." Sagte Vicky plötzlich. Wir wandten uns alle zu ihr herum. „Warum sagst du das?" Stotterte Mama. Vicky senkte den Blick. „Er macht, dass du strahlst." Flüsterte sie leise und lächelte mich dann wieder ab, bevor sie schweigend ging.

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