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Seltsamerweise fühlte sich das gut an. Es war befreiend. Das war nur ein kurzer Ausrutscher. Der sich nicht wiederholen würde und auch nicht weitergeführt wurde. Ich hatte mir kurz erlaubt mich in etwas hineinzusteigen. Das würde mir aber nicht mehr passieren.
Ein Abschluss war immer auch ein Anfang. Und das hier, David, das war nun abgeschlossen. Zeit nach vorne zu sehen.
„Mama. Können wir nicht vernünftig reden?" Wir stritten schon wieder. Ich hatte mir vorgenommen nicht zu streiten. Leider hat das nicht so geklappt wie ich mir wünschte.
„Du kommst nie zu Besuch und jetzt plötzlich kommst du her und stiftest Unfrieden." Sie wischte mit einem Lappen hektisch über den Küchentresen.
Wir waren von Davids Büro direkt zu unseren Eltern gefahren. Ich hatte mich mit Mama hinsetzen wollen und mit ihr reden wollen. Ihr meinen Vorschlag unterbreiten wollen, aber sie hatte sich keine Sekunde Zeit genommen sich mit mir zusammen zu setzen.
Mein Vorschlag dass Vincent doch bei mir einziehen könnte hatte dazu geführt, dass Mama so aus der Haut gefahren war. Sie war leise abgezogen. Ich versuchte sie dazu zu bringen mit mir zu sprechen, doch sie war anderer Meinung.
„Unfrieden?" Dieser Tag war alles, was ich hasste. Ich wollte heulen. Ich wünschte Tobi wäre hier. Er hätte gewusst was zu tun wäre. „Ja. Vielleicht solltest du wieder nach Frankfurt ziehen." Empört starrte ich sie an. 
Das meinte sie nicht ernst. Aber ganz  ehrlich es war doch egal, ob sie es ernst meinte. Ich musste auf jedes Wort achte, dass ich sagte um ja niemandem auf die Füße zu treten. Aber sie sagte einfach was ihr einfiel. Das war nicht in Ordnung. Nicht wenn sie damit jemanden verletzte. Das war absolut nicht in Ordnung.
Entsetzt stellte ich fest, dass Vicky in der Tür stand, doch sie ging sofort wieder hinaus. Mama hatte es nicht gemerkt. Ich schnaufte.
„Vielleicht sollte ich das. Doch der Unfrieden von dem du redest, der geht ganz bestimmt nicht von mir aus." Rief ich den Tränen nahe. Ich durfte nicht weinen. Ich hatte seit Jahren nicht mehr geweint. Erst recht nicht vor ihr und schon gar nicht wegen ihr.
„In diesem Haus kann es keinen Frieden geben. Es ist ein Museum. Ein Museum für Tobi. Und keiner von uns kann ihn ersetzen. Aber das ist für uns ja kein Problem denn du bist die einzige Person die ihn vermissen darf." Sagte ich verbittert und meinte jedes Wort davon ernst. Es war das erste Mal, dass ich das laut sagte.
"Weißt du ich habe mich bemüht. Ich habe mich bemüht alles zusammenzuhalten. Und ich habe versucht dir alles Recht zu machen. Aber du scheinst mich nicht hier haben zu wollen. Du scheinst mich nicht zu brauchen. Denn anscheinend bin ich mit Tobi ebenfalls gestorben." Ich spürte die Träne aus meinem Auge entfliehen. Konnte sie nicht zurückhalten. Wütend wischte ich sie weg. "Und Vince scheinbar auch." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließ ich die Küche, schnappte meine Tasche aus dem Flur und verließ das Haus.
Jetzt gerade war es mir egal. Mehr als das. Ich war enttäuscht und verzweifelt. Ich war leer. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich hatte versucht Mama zu einer Reaktion zu bringen, doch anscheinend war sie einverstanden gewesen. Mit allem was ich gesagt hatte.
Auf dem Weg zum Bus schnürte sich meine Kehle zu. Ich blieb stehen versuchte die Dunkelheit zu verdrängen die aus meinem Inneren hervorkroch. Sich über mich legte und lähmte.
Ich dachte an Tobi und ich spürte den Schauer über meinen Rücken jagen. Die Tränen brannten heiß und verzweifelt in meinem Rachen. Kämpften mit mir, doch ich erlaubte es mir nicht. Nicht hier. Ich beschleunigte meine Schritte, wollte nicht dass ich hier die Kontrolle verlor. Denn wie allgemein bekannt, hasste ich es die Kontrolle zu verlieren. 


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