Wir hörten nur diese Schreie. Meine ganze Familie war besorgt und wir alle waren im Wohnzimmer gesammelt.
Ich bemerkte schon die Intention von meinem Vater und meinem Bruder. Sie wollen raus stürmen und ihre Wut rauslassen. Doch mein Opa hinderte sie.
Doch dann hörten wir die Schreie von Samir und anderen Nachbarn. Sie schreiten alle diesen Konvoy an. Plötzlich rannten wir alle raus und ich sah diesen schrecklichen und gruseligen Konvoy mit meinen eigenen Augen.
Viele überfüllte Transporter und Lastwagen mit Serben fuhren durch unseren schönen Viertel "blaue Schmetterlinge" und beschütteten sie mit Bier und gruseligen Drohungen. Die Angst in mir verschwand und verwandelte sich zu Wut. Ich fing an, wie die anderen aus meinem Viertel, sie anzuschreien. Es war sehr laut. Dunkel. Keine Kontrolle.
Als sie weg waren bot mein Opa Samir und Elif an bei uns zu übernachten. Doch Samir lehnte ab und teilte vor allen uns mit, dass er Bosnien nicht verlassen wird um für sein Land da zu sein.
Ich sah und fühlte die Erschütterung von Elif. Sie wurde blass. Samir hat es ihr wohl erst jetzt gebeichtet. Elif hält Samir am Arm fest und führte ihn nach Haus, so als würde sie ihn hinterherziehen. Ihrerseits auch sehr verständlich dachte ich mir. Schließlich hat Elif alles getan nur damit er seinen Traum erfüllen kann.
Ich erinnere mich, dass Samir damals schon nicht weg ziehen wollte um seine Mutter nicht alleine zu lassen. Doch Elif tat alles nur damit ihr Sohn seinen Traum erfüllen kann. Selbst meine Familie wurde damals mit involviert um Samir zu überzeugen. Letztendlich hat es mit den weisen Worten meines Opas funktioniert.
Ich kann es nicht glauben wie es so weit kommen konnte. Bosnien und Herzegowina ist ein Land voller Frieden und Liebe. Auch erinnere ich mich wie man damals geprahlt hat, dass wir alle miteinander so gut auskommen obwohl unterschiedliche Religionen und Kulturen zusammen leben. In der Schule trenne ich meine Freundschaften nicht durch Serben und Bosnier. So wurde mir das beigebracht. Doch jetzt wird man gezwungen so zu denken. Wer möchte das überhaupt?
Es ist 2:00 Uhr nachts. Ich denke an Marko. Er ist ein sehr guter Freund von uns und wie bereits erwähnt der beste Freund von Samir. Er ist musikalisch begabt und fokussiert sich im Leben eher auf Musik als auf die Schule. Die ganze Aktion hier wird wohl durch Markos Vater begleitet. Er ist wohl der General dieser Stadt und ich bin mir sicher, dass er diesen Konvoy veranlasst hat. Doch es scheint mir unmöglich, dass Marko seinen Vater dabei unterstützt. In letzter Zeit hören wir auch nichts von ihm.
Das brachte mich zum Nachdenken und ich bin währenddessen tief in der Nacht eingeschlafen.
Der nächste Morgen. Meine Mutter weckt mich mal wieder zur Schule auf. Alles erscheint so surrealistisch. Ich wache auf und mir wird das Gefühl gegeben als wäre alles wie immer. Doch die Wahrheit ist nicht zu übersehen.
Auf dem Weg zur Schule grüble ich noch wegen gestern Abend. Dabei sehe ich Viktorija, meine Schulfreundin. Ich stelle mir vor, wie unangenehm die Unterhaltung jetzt für uns beide sein kann.
"Ah, Hey Ilayda, guten Morgen!" sprach sie munter. Um ehrlich zu sein hat mich ihre muntere Art beruhigt. Es fühlte sich so an als wären wir Bürger, Bosnier und Serben, die seit Ewigkeiten zusammenleben, so stark, dass wir diesen Krieg Hand zu Hand aufhalten könnten. "Hi Viktorija, dir auch einen guten Morgen. Ich würde jetzt gerne noch im Bett liegen!" erwiderte ich mit spaßigen Blicken. Viktorija lachte und schlug vor nach der Schule bei ihr Zuhause etwas zu unternehmen. Wie früher.
Ich willigte aus Reflex sofort ein. Wir treffen uns mit der Gruppe regelmäßig bei jemandem zu Hause und amüsieren uns mit Snacks und Laber Runden. Einerseits beruhigte es mich, dass wir immer noch zusammen halten. Doch andererseits habe ich ein komisches Gefühl.
In der Schule läuft auch alles wie normal. Als wäre nichts passiert. Als würde man versuchen, die ganze Situation zu verdrängen. Aber ich spürte, dass im Klassenzimmer niemand auf ein Krieg hinaus war.
Nach der Schule trommelten wir die Mädels auf und laufen alle zusammen zu Viktorija nach Hause. Ihre Mutter macht die Besten Djuvec. Viktorijas Vater arbeitet als Soldat in der serbischen Armee und ist daher sehr oft auf Dienstreise.
Viktorijas Mutter öffnet uns die Tür mit besorgten Blicken und einem Telefon in der Hand. "Viktorija.." sagte sie besorgt.
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Bosnien im Krieg
Historical FictionZeit: 1992 bis 1995 Leben: Krieg Die Geschichte handelt um Ilayda, ein 16-jähriges Mädchen. Sie beschreibt und erlebt ihre Zeit während des Krieges in Bosnien und Herzegowina "Um es zu verstehen muss man es erleben"