𝐼. 𝒯𝒶𝓀𝑒-𝒜𝓌𝒶𝓎-𝐹𝑜𝑜𝒹

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Das Fernsehprogramm war genauso langweilig und farblos, wie es ihr Arbeitstag gewesen war und sie zappte lustlos durch die Kanäle, Essstäbchen in der anderen Hand, die ein unruhiges Klicken verursachten, wenn ihre Bewegungen zu hektisch waren. 

Hermine Granger seufzte, bevor sie die Fernbedienung mit einem Augenrollen auf die Lehne ihres dunkelblauen Sofas legte und beschloss, dass eine Dokumentation über Brautkleider immer noch erträglicher war, als sich Chantal anzusehen, die Zwillinge erwarte und deshalb von 18 Monaten Schwangerschaft ausging. 

Es erinnerte sie auf unangenehme Weise daran, wie furchtbar inkompetent Menschen waren. 

Man hätte wohl meinen müssen, dass sie als Zauberministerin einen ruhigen und strukturierten Tagesablauf gehabt hätte, aber dann hatte man die Rechnung ohne die Aurorenabteilung, Reporter und Harry Potter gemacht.

 Wenn sie sich richtig erinnerte (sie hatte aufgehört, Strichlisten zu führen, nachdem Harry sich darüber lustig gemacht hatte) war die Leiterin der Aurorenabteilung heute gute fünf Mal in ihr Büro geplatzt. 

Sie war ein quirliges, rothaariges Ding, das nur so vor Enthusiasmus sprühte, seit sie zum ersten Mal einen Fuß über die Türschwelle des Ministeriums gesetzt hatte und Hermine begann es immer mehr zu bereuen, dass Harry nicht länger die Abteilung leitete. 

Aber ihm war es zu viel Aufwand gewesen und seit einer seiner Mitarbeiter bei einem Einsatz eine schwere Verletzung erlitten hatte, weil sie von Paparazzi verfolgt worden waren, gab er sich die Schuld daran.

 Hermine seufzte tiefer und lauter als eben, während sie sich auf dem Sofa ausstreckte, das Flimmern des Fernsehers nur noch müde verfolgend. 

Sie stieß Krummbein beinahe von der gegenüberliegenden Lehne, (wofür sie ein empörtes Fauchen kassierte) als sie sich eine neue Portion Eiernudeln in den Mund schob, die sie eben vom Take-Away zwei Straßen weiter geholt hatte. 

Es war still in ihrer kleinen Wohnung und einmal mehr fragte sie sich, ob das Schicksal nicht doch etwas war, dem man nicht entkommen konnte, egal wie verzweifelt man ihm davonlief. 

Warum war sie nur immer noch alleine? 

Alles hatte so perfekt ausgesehen. 

Sie hatten den Krieg gewonnen, hatte ihren Abschluss nachgeholt, mit Bravour bestanden und war Zauberministerin geworden.

 Nur ihr Liebesleben hatte darunter zu leiden gehabt.

 Die Sache zwischen ihr und Ron hatte nicht allzu lange gehalten, waren sie doch am Ende beiden unglücklich gewesen, weil sie nur noch erschöpft von der Arbeit nachhause gestolpert war, gekocht hatte und dann neben Ron bei der einhundertzwanzigsten Folge irgendeiner Mugglekrimiserie eingeschlafen waren. 

Keine Küsse mehr, wenn sie zur Arbeit ging.

 Keine Eifersucht mehr in Ron's Augen, wenn sie mit einem anderen Mann flirtete.

 Also hatten sie es sein lassen.

 Ron war zusammen mit Seamus und Dean nach Australien ausgewandert, wo er nun in einer Tierauffangstation arbeite, eine neue Freundin hatte und so viel glücklicher, als hier in England schien.

 Es stimmte ja...

 An manchen Tagen hing der Krieg noch schwer wie die typische Londoner Wolkendecke über der Stadt, erinnerte sie schmerzlich alle an die Verluste, die sie erlitten hatten. 

Was möglicherweise auch einer der Gründe war, wieso es seit Wochen Gerüchte im Ministerium gab, dass Harry und Cho heiraten wollten, er ihren Nachnamen annehmen würden und es endgültig mit dem berühmten „Potter" vorbei wäre.

 Nachdem Krieg hatte er wieder angefangen mit ihr auszugehen und siehe da: Nicht von einem massenmordenden Psychopaten verfolgt zu werden, tat wahre Wunder, wenn es um Harry's Geschicklichkeit mit Frauen ging. 

Sie waren mittlerweile seit vier Jahren ein Paar und trotzdem ging Harry an ihrem Jahrestag noch immer zwei Stunden früher und wenn er wieder einen Strauß Rosen und Schokolade mit ins Büro brachte, wusste sie, dass er etwas ausgefressen haben musste.

 Und Cho wartete dennoch jeden Abend in dem Mugglecafé, das gegenüber vom Ministerium lag, auf ihn und er gab ihr jeden Abend seinen Mantel, wenn sie gemeinsam wie verliebte Teenager durch die Gassen liefen oder hinunter in die U-Bahn und einander stürmisch küssten, gegen die Wand gedrückt und sich nicht darum kümmernd, wie viele Menschen ihnen mit tellergroßen Augen hinterher sahen. 

Hermine gönnte es ihm, wirklich... 

Nur... 

Der bittere Nachgeschmack, dass sie niemanden hatte, war geblieben.

 Fünfundzwanzig zu sein und keinen festen Freund zu haben war selbstverständlich keine Schande, aber manchmal wünschte sie sich, da wäre jemand außer Krummbein gewesen, der abends auf sie gewartet hätte.

 Aber da war niemand und deshalb konnte sie sich auch die Unordnung leisten, die momentan begann ihre Wohnung zu übernehmen. 

Sie hätte dringend Abspülen müssen, schob sie es doch schon seit Dienstag vor sich her, die Wäsche wollte gewaschen werden und ihr Schreibtisch sah aus, als wäre eine Bombe explodiert.

 Eine Bombe, aus abgebrochenen Schreibfedern, umgestoßenen Tintenfässern, zerfledderte Bücher aus ihrer Schulzeit, Berichte über Trollunruhen und zehn leere Teetassen, manche davon auch noch mit einem letzten Schluck gefüllt. Ein einzelner Schwung mit ihrem Zauberstab wäre genug gewesen und die Wohnung hätte sich von selbst aufgeräumt, aber sie konnte sich noch nicht einmal dazu aufraffen.

 Sie benahm sich, als wäre sie wieder vierzehn und hätte Liebeskummer, weil Viktor ihr irgendwann nicht mehr zurückgeschrieben hatte.

 Und dabei gab es noch nicht einmal einen Grund für ihr Benehmen.

 Sie hatte seit zwei Jahren keine feste Beziehung mehr gehabt. 

Das letzte war ein beinahe One-Night-Stand gewesen, zu dem Ginny sie mehr oder weniger genötigt hatte, hatte sie Noah doch praktisch den ganzen Abend hinter ihr her geschleift. 

Peinliche, unbefriedigende Versuche von Sex waren alles gewesen, was sie bekommen hatte und sie hatte noch vor dem ersten Glockenschlag, der den neuen Tag hätte einläuten sollen, ihre Sachen zusammengepackt und war zurück nach Hause appariert. 

Die Frau im Fernseher brach währenddessen in Tränen aus und Hermine verdrehte die Augen.

 Da trugen sie Träume in Weiß, waren kurz davor den Mann ihres Lebens zu heiraten und heulten wie ein Schlosshund. 

Sie verpasste der zerknitterten Take-Away-Tüte, die die Hälfte ihres Sofas einzunehmen schien, einen Tritt, mit dem sie sie eigentlich von der Couch befördern hatte wollen...

 Nicht auf Krummbein. 

Der Kater fauchte empört, sprang von der Sofalehne und begann dann, hektisch unter der Tüte hin und her zu laufen, was dazu führte, dass bald eine übergroße weiße Maus mit chinesischen Schriftzeichen im Fell über Hermine's Wohnzimmerboden zu kriechen schien. 

Hermine ließ den Kopf mit einem Stöhnen gegen die Lehne sinken, ehe sie nach der Fernbedienung griff und darauf verzichte, zu erfahren in welcher dämlichen Bar der blonde Hungerhaken seinen perfekten Mann kennengelernt hatte. 

Sie trat nach der selbstgehäkelten, currygelben Decke von Molly Weasley, in die sie sich unbewusst eingewickelt haben musste, um Krummbein von dem Tüten Dilemma zu befreien, denn es würde nicht mehr lang dauern, bis er beginnen würde, ein Loch hinein zu beißen. 

Zwei Minuten später war Krummbein tütenfrei, sie hatte einen netten Kratzer quer über den Handrücken und war erschöpft wie eh und je.

 „Nacht, Krummbein", murmelte sie, ehe sie in Richtung Bad tapste, sich möglichst nicht um die garstigen Blicke kümmernd, die ihr ihr Kater hinterherschickte, der sich mittlerweile auf dem Küchentisch eingerollt hatte, und das benutze Geschirr einfach auf dem Sofatisch stehen lassend. 

Sie war zu müde, um zurück zu gehen und ihn davon hinunter zu heben und so schüttelte sie einfach nur den Kopf, ehe sie die schwere Tür des Badezimmers hinter sich zu zog. 

𝕤𝕔𝕙𝕒𝕔𝕙𝕞𝕒𝕥𝕥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt