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N O V E M B E R


Es war Abend und die große Feuerkugel war gerade dabei unter zu gehen, um die andere Seite der Erde zu beleuchten. Armin saß in seinem Bett und versuchte sich von seinen Gedanken abzulenken. Er hielt in seinen kalten Händen sein kleines Notizbuch, schreib Noten rein und ließ sie in seinem Kopf abspielen.

Ständig wirrten die Worte von
Mr. Ackermann herum und er wusste, dass auch seine Eltern Bescheid wissen werden. Am liebsten würde er von hier verschwinden bevor seine Mutter davon erfährt. Es ist schon vorgekommen, dass er bei Fächern durchgefallen war, nicht weil er schlecht gewesen ist, ganz im Gegenteil sogar, aber immer wenn er sich an die Reaktion seiner Mutter erinnerte bekam er Gänsehaut und ein gewaltiger Schauer lief ihm über seinem Rücken.

Er schaute von seinem Block auf und sah hinüber zum Fenster. Die Sonne war nun ganz verschwunden und der Nachthimmel ließ sich zeigen. Er dachte an Gestern Nacht und an den Anblick des Himmels, welcher voller Funkelnder Diamanten war. Ganz egal wie eindrucksvoll die Sterne für ihn sind, er hatte noch nie eine so wunderschöne Person gesehen. Ihm kamen die schönsten Dinge in den Sinn und dieses Gefühl ließ ihn den ganzen Abend nicht los.

Armin empfand das Bedürfnis eine neue Melodie zu Komponieren und blätterte eine Seite um. Er schrieb nicht viel, aber gab sich besonders viel Mühe bis er in seinem warmen Bett in einen unruhigen Schlaf fiel und er würde morgen auf seinem Klavier ausprobieren wie es klingt.

-

Er saß in der Fünften Stunde im Biologieunterricht und er wartete bis der Klang der Erlösung erschien. Die Blicke waren wie heiße Brandmarken, welche seine Haut verbrannten.
Nachdem er das Klassenzimmer verließ sah er schon Mikasa an der Wand lehnend, die auf ihn gewartet hatte. Obwohl sie nicht in der gleichen Klasse waren begleitete sie ihn immer zum Klassenraum und holte ihn schließlich auch am Ende ab.

Das war eine große Hilfe für ihn den Alltag auszuhalten, denn er vertraute Mikasa.

,,Wie geht es dir, du scheinst so als wäre etwas passiert?", fragte die größere von den beiden. Nicht, dass das nervöse lippenkauen oder seine angespannte Haltung etwas neues wären.

Sie wusste über Armins Probleme Bescheid und unterstützte ihn in jeder Hinsicht. Mikasa beobachtete die Menschen, schlussfolgerte in ihrem Kopf und meistens liegt sie immer Richtig. Es hatte eine gute und eine schlechte Seite für Armin und genau wie eben gerade bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte.

Sie gingen in die Schulbibliothek und setzten sich hinten zwischen den Bücherregalen auf den Boden. Die Schwarzhaarige lehnte ihren Kopf gegen die Bücher hinter ihr und sah Armin mit ihren dunklen und intensiven Augen an.

,,Was ist los?", fragte die ein Jahr ältere sanft.

Armin machte sein Mund auf doch schloss ihn kurz danach wieder. Er überlegt es sich anders.

Das Problem war nicht, dass er sich nicht traute es ihr zu erzählen. Sondern, er wollte nicht, dass sie sich noch mehr Sorgen um ihn machte.

Aber nun weiß sie schon, dass irgendwas nicht stimmte...

,,E- Es ist w...wegen- wegen..." Armin brach mitten in Satz ab und biss sich frustriert auf die Lippe. Er atmete tief ein in der Hoffnung ein neuen Versuch zu starten. ,,Wegen m-meiner M..Mutter."

,,Hat sie..." Mikasa wurde von einem kopfschüttelten unterbrochen.

,,M..." der Blondhaarige zog seine Augenbrauen zusammen, so als würde er sich anstrengen. ,,Ma- M..Mathe."

,,Wirst du durchfallen?", fragte sie Vorsichtig da sie wusste, dass Mathe einer seiner Lieblingsfächer war. Armin sah auf den Boden und fing an nervös an den Saumen seines Ärmels zu spielen. "Wahr- Wahrscheinlich..." erwiderte er und es war nicht mehr als ein Flüstern.

Mikasa stand plötzlich auf und ihr gegenüber zuckte leicht zusammen. Er sah zu der ihr hinauf und war verwirrt über ihr impulsives Handeln. ,,Ich werde mit Ms. Zoe sprechen." Armin stand auf und hielt ihr Handgelenk fest. ,,N-Nein.", sagte er mit zittriger Stimme.

Mikasa drehte sich zu ihm. ,,Armin... Ich muss mit ihr darüber reden, das kann
Mr. Ackermann nicht tun. Das ist nicht fair.", sagte sie nun ruhiger und löste sich aus seinem Griff. Wenn sie mit Ms. Zoe redet, werden seine Eltern, wird seine Mutter, hundertprozentig davon erfahren.

Er wollte es nicht. Er wollte nicht, dass Mikasa sich für ihn einsetzte nur weil er zu viel Angst hatte. Wie erbärmlich, dass er sich nicht einmal richtig um sich selbst kümmern konnte, dachte er im stillen seiner Gedanken.

,,M... M-Mikasa." Brachte er so laut es ging heraus, aber es war nur ein Mittellauter gequälter Ton.

Dennoch  hörte sie auf ihn und blieb stehen ohne Armin anzusehen. Er hebte sein Rucksack auf. ,, ... I- Ich werde-...", brachte er noch heraus als er an Mikasa vorbei ging und die Bibliothek verließ. Mehr konnte er nicht sagen, es war zu anstrengend gewesen.

Sofort als er all die Menschen sah verharrte sein Blick auf dem Boden und seine Muskeln spannten sich an. Er hatte das dringende Bedürfnis auf der Stelle zu fliehen, ganz egal wohin. Auch die Schultoilette wäre ihm in diesen Moment recht gewesen. Armin ging mit schnellen Schritten den Schulflur entlang, doch zuckte extrem zusammen als er jemanden rufen hörte.


,,Hey du Irrer."


Fast wäre der Blondhaarige in jemanden reingelaufen. Sein Gegenüber war ein ganzen Kopf größer als Armin. Auch wenn er nicht nach oben in sein Gesicht gesehen hatte, wusste er ganz genau wer vor ihm stand.

,,Sieh gefälligst nach vorne wenn du gehst.", sagte Jean Kirschtein scharf. Armin sah verklemmt zwischen den beiden nach unten, sein Blick war immer noch fixiert auf den kahlen und grauen Boden. ,,Wie er vor Angst zittert, wie jämmerlich." Spottete ein breitgebauter Junge neben Jean. Der Kleine Blonde biss sich auf die Lippen und spannte seine Hände zu Fäuste an.
,,Du kannst ja auch einfach etwas dagegen sagen.", erwähnte Jean besonders runter machend und die zwei anderen hinter ihm lachten amüsiert.

Wie gerne er etwas erwidern würde, dagegen ankämpfen, aber es kam nichts raus. Kein Ton.

Seine Nägel bohrten sich regelrecht in seine Handinnenflächen und er konnte den Strom von Wut in seinem ganzen Körper wie kleine blitze fühlen. Als Jean an Armin vorbei gehen wollte stieß er den kleineren mit der Schulter an, so dass er bei den blauen Schließfächer gegenschlug. Armin kneifte seine Augen zusammen und blieb an den Schließfächern angelehnt. Er hörte wie sie herablassend lachten und weiter gingen.


Er wollte verschwinden.

Silent Heart [Eremin]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt