Sagen und Mythen

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Die Sonne stand hoch am Himmel als Toyotomi den Hang hochkletterte. Ihre Strahlen schienen warm auf seinen Rücken. Er hatte einen dunklen Gi - sein Kampfoberteil - an, dessen Stoff die Wärme verstärkte. Doch hier oben zog ein kühler Wind vorbei und es wurde frischer, desto weiter er sich vom Boden entfernte. Seine Finger gruben sich in den kalten Fels und seine Knöchel waren weiß vor Anstrengung. Eine lange Zeit kletterte er jetzt schon und Takeda war ihm dicht auf den Fersen. Sie hatten ihre Ausrüstung mit den meisten Waffen gut vor neugierigen Blicken geschützt gelagert und sich auf den Weg nach oben gemacht. Leichtfüßig kamen sie immer schneller voran und erreichten schließlich den Vorsprung. Toyotomi zog sich mit seinen muskulösen Oberarmen nach oben und stieß sich mit seinen Füßen ab. Hinter ihm kletterte Takeda hinauf. Sie waren auf dem Weg in die Hauptstadt Kyoto, doch abseits der Wege war es sicherer, da sich nicht viele Samurai so weit in das Dickicht trauten.

Vor ihnen führte ein schmaler Pfad am Rand der Felsen entlang. Daneben tiefer Abgrund. Toyotomi ging voraus und sie folgten vorsichtig der schmalen Spur. Nach einer Weile schafften sie es zu einer Höhle. Ein atemberaubender Anblick bot sich ihnen. Unterhalb des Gebirges erstreckte sich ein riesiger Wald und leichter Nebel lag in der Luft. Doch die Höhle war dunkel, sogar pechschwarz. Takeda holte einen dürren trockigen Ast hervor, den er auf dem Weg gefunden hatte und zündete ihn nach mehreren Versuchen mit der Hilfe von Feuersteinen aus seinem Proviant und trockenem Gras an. Er nahm die Fackel, verwischte seine Spuren und ging voraus in die Dunkelheit. Toyotomi folgte ihm. Das Licht am Eingang wurde immer schwächer bis sie schließlich ganz von der Höhle verschlungen wurden. Überall karge graue Wände, die sich wie eine Würgeschlange immer mehr um sie wickelten. Das Feuer der Fackel wurde von ihnen reflektiert und ihre Silhouetten tanzten im gespenstischen roten Schein.

Die Höhle führte nach unten und wurde immer enger, sodass sie kriechen mussten. Toyotomi robbte auf allen Vieren über den steinigen Untergrund. Schließlich wurde die Höhle wieder größer und sie konnten wieder aufrecht gehen. Toyotomi hatte seine Ängste in der jahrelangen harten Ausbildung als Samurai und Ninja nahezu besiegt doch die Enge und Dunkelheit machte ihm - auch wenn nur im Hintergrund - immer noch ein wenig was aus. Er beruhigte seinen Atem und konzentrierte sich auf die Lebensenergie - das Chi -, das gänzlich durch seinen Körper floss. Er spürte eine leichte Wärme und eine innere Kraft und seine Angst war nahezu vergessen.

Vor ihnen wurden Schriftzeichen sichtbar. Sie waren in roter Schrift gezeichnet und mussten vor einer gefühlten Ewigkeit angefertigt worden sein, da die Farbe schon teilweise abgeblättert und manches kaum lesbar war. Takeda ging vor den uralten Stein und betrachtete die Schrift: "Diese Zeichen sind alt, sehr alt." "Kannst du was entziffern?", fragte Toyotomi ihn. "Nur ein Wort!" "Und welches?" Takeda blickte Toyotomi an. In seinen dunklen Augen spiegelte sich das Feuer der Fackel: "Tod!" Die beiden Ninja folgten weiter dem Pfad und plötzlich trat etwas seltsames ins Licht. An den Seiten und über ihnen waren aus Holz und anderen Materialien errichtete Figuren zu sehen. Wesen mit Schädeln aus Tierknochen. Ihre Silhouetten sahen aber irgendwie auch menschlich aus. Es war eine Art Anbetungsstätte, für was war nicht klar. Nach einer Weile kamen zu einem Schrein mit weiteren Zeichnungen. Diese Schrift hier war noch älter und Toyotomi konnte nur ein Zeichen vage erkennen: "Dämon!"

An dem Gestein daneben waren Zeichnungen zu sehen. Menschenähnliche Wesen aber irgendwie auch extrem menschenfremd. "Was ist das?", meinte Takeda ratlos: "Will uns jemand mit gruseligen Gestalten fernhalten?" "Ich weiß nicht, irgendetwas ist hier anders." Toyotomi verstummte kurz, blickte sich um und fuhr dann fort: "Es fühlt sich seltsam an."

Im Auge des SchattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt