Prolog

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"Hey. Alles okay?", frage ich als ich mitten auf der Straße stehen bleiben. Ich bin auf einer Schnellstraße, die kaum befahren ist. Weit und breit sieht man keine Scheinwerfer. An der Straßenseite steht jedoch ein Auto still, was merkwürdig ist. Es steht jemand daneben, die Taschenlampe vom Handy ist an und die Person hält das Handy in meine Richtung.

"Bin vorhin zum telefonieren rechts rangefahren und jetzt will der Motor nicht mehr anspringen.", sagt die Person. Es ist eine Frau und sie klingt genervt. Verständlich. Es ist dunkel und sie steht alleine hier, mit einer Autopanne.

"Ich bin gelernter Kfz-Mechaniker. Ich kann eben unter die Motorhaube schauen, wenn du magst.", schlage ich vor, bleibe aber immer noch in meinem Auto, bis sie was dazu sagt.

Sie sagt erst einmal nichts, ihre Hand mit dem Handy hält sie vor sich. Ich kann sie verstehen, es ist dunkel und wir sind mitten auf einer unbefahrenen Schnellstraße. Mein Blick wandert immer wieder zu meinem Rückspiegel, nur um sicher zu gehen, dass niemand kommt während ich noch mitten auf der Straße bin. Sie ist alleine in der Nacht und ein fremder Mann spricht sie an. Ich hätte halt nie irgendwelche Bedenken, aber ich bin ein Mann und erst als ich etwas älter wurde und mehr mit Frauen über solche Themen geredet habe, habe ich bemerkt, dass Mädels einfach auf viel mehr Acht geben müssen. Sie kann ja nicht wissen, dass ich ihr nichts antun will. Ich sehe ihr Gesicht nicht wirklich, das Licht von ihrem Handy ist auf mich gerichtet, sodass sie mich besser sieht als ich sie. Ich erkenne nur Umrisse.

"Ich habe den Abschleppdienst angerufen, aber es dauert noch eine Weile.", sagt sie recht leise, mehr zu sich selbst als zu mir. Ich musste in den zweieinhalb Jahren, die ich schon in L.A. wohne noch nie den Pannendienst rufen und weiß dementsprechend nicht wie gut es hier im Vergleich zu Deutschland funktioniert.

Sie bewegt ihr Handy leicht runter, aber ich kann ihr Gesicht immer noch nicht richtig sehen. Ihre Körperhaltung ist aber sehr abweisend. Ich hatte einen sehr langen Tag, musste unnötig lange auf die Wartung meines Schlagzeug-Kits warten und bin froh, wenn ich bald zu Hause bin. Ich kann sie nicht zwingen, dass ich vielleicht helfe, aber der Gedanke einfach wegzufahren, wenn der nächste der hier lang fährt vielleicht andere Absichten haben kann, liegt mir quer im Magen.

"Okay, gerne.", sagt sie letztendlich. Ich fahre ein wenig zurück und parke mein Auto vor ihrem Auto, damit meine Scheinwerfer genug Licht geben. Ich steige aus und bemerke wie sie sofort ein paar Schritte zurück geht.

"Machst du eben die Motorhaube auf?", frage ich, "Von innen." und während sie das tut, gehe ich zu meinem Kofferraum und nehme meinen kleinen Werkzeugkasten raus. Mit dem Kasten in einer und einer Taschenlampe in der anderen Hand öffne ich dann die Motorhaube ihres Autos komplett und lehne mich rüber. Es dampft nichts, was ein gutes Zeichen ist. Ich schaue, ob irgendwelche Kabel vielleicht lose geworden sind, aber das ist es auch nicht. Ich trete einen Schritt zurück und schaue mich nach der Frau um. Sie steht an der Fahrertür, Arme vor sich verkreuzt.

"Kannst du nochmal versuchen den Motor anzuschalten?" Sie reagiert nicht verbal, setzt sich aber ins Auto. Bevor sie das tun kann, gehe ich schnell zur Fahrertür, worauf sie kurz hochschreckt. Ich hebe entschuldigend meine Hände und gehe etwas zurück. Bücke mich aber etwas runter damit ich sie ansehen kann. Das Licht von meinem Auto strahlt sie nun genug an, dass ich sie das erste Mal richtig sehen kann. Ihr Blick ist kalt, ihre rötlichen Haare sind hochgebunden, aber ihr fallen ein paar Strähnen ins Gesicht, sie lässt sie aber dort. "Zieh die Handbremse an, okay?" Ich wurde während meiner Ausbildung öfter deswegen fast angefahren als man denken würde. Sie reagiert wieder nicht verbal, nickt auch nicht, aber ich gehe wieder zur Motorhaube. Ich kontrolliere nach und nach die häufigsten Gründe für ihr Problem und kann dann den Grund in diesem Fall vermuten. Der Motoranlasser klackert und sie sagte, dass sie nicht von der Stelle kommt. Ich gebe ihr ein Zeichen, dass es reicht und rufe ihr zu, dass es kurz laut wird und schlage dann mit dem kleinen Hammer aus meinem Werkzeugkoffer gegen den Anlasser. Wenn wirklich dieser Part das Problem ist und sie Glück hat, sollte das die Lösung sein.
"Dreh nochmal den Zündschlüssel.", sage ich und halte den Atem an. Der Motor läuft. Da mein Auto vor ihrem parkt, sage ich, dass sie kurz versuchen soll ein bisschen rückwärts zu fahren.
"Aber langsam.", rufe ich ihr zu. Sie lässt den Motor laufen und kann dann tatsächlich rückwärts fahren. Ich gebe ihr wieder ein Zeichen, sie stellt den Motor aus. Ich packe mein Zeug wieder in meinen Koffer und lasse ihre Motorhaube zu fallen. Sie steigt aus und kommt nun etwas näher als vorher. Diese Werkzeugkiste in meinem Auto hat uns schon in verschiedenen Situationen den Hintern gerettet. 

Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt