Frozen In Time
An diesem Januartag ist alles wie immer. Auf dem Platz mit dem Brunnen sind vielleicht so ein Dutzend Menschen oder ein bisschen mehr.
Sie sitz auf einer alten Mauer, die die Wintersonne noch nicht aufgewärmt hat. Ihr dunkelbraunes Haar fällt in leichten Wellen vor ihrem Gesicht. Sie hat sich über das Papier gebeugt, das sie auf dem Schoß hält. Immer wieder hebt sie den Kopf, dass man ihr Gesicht sehen kann, bis sie fertig ist. Die Szene, mit feinen Strichen, eingefrohren in der Zeit. Wenn man das Bild betrachtet, könnte man meinen, den Duft der heißen Maroni von der Bude zu riechen und das Plätschern des Brunnens zu hören...
Das Plätschern des Brunnes. Wann hat es aufgehört? Ja, es ist versiegt. Nur noch ein kleiner Strom Wasser fließt durch die Öffnung des Metallrohrs in das flache Becken. Das kleine Mädchen springt von der Bank auf, wo es, mit seinem Teddybär, neben einem älteren Herrn gesessen hatte. Es läuft zum Brunnen:
"Das Wasser hat aufgehört zu hüpfen!"
Die Leute wenden ihre Köpfe. Sie hätten nicht bemerkt, dass der Brunnen versiegt ist.
"Hey, du da! Was verdammt noch mal machst du an meiner Tasche?!" Der Junge Mann steht auf der Wiese. Mit zwei schnellen Schritten ist er bei seiner Tasche und packt einen kleinen Mann am Arm, zieht ihn hoch: "Was fällt dir ein, mich zu bestehlen".
"I-Ich... " setzt dieser an: "Ich wollte nicht... es tut mir Leid." Er hat die Schulten hochgezogen.
Alle Menschen sind stehen geblieben. Sie verfolgen das Geschehen.
Das Mädchen am Brunnen: "Hast du auch das Wasser geklaut?" Sie stämmt die kurzen Arme in die Seiten: "Gib es sofort wieder her!"Ein Herr in dunkelgrauem Anzug kramt hektisch in seiner Tasche. Er zieht sein Handy hervor und beginnt zu Filmen. Der junge Mann hält immernoch den Dieb fest. Jetzt werndet er sich dem Herrn im Anzug zu: "Was machen sie da?"
"Ich filme. Ich bin Journalist, verstehen sie? Dann kann ich hier rüber schreiben. Filmen ist besser als Notizen zu machen."
"Gut. Aber sie dürfen keine Bilder von mir benutzen, das wäre schlecht für meinen Ruf."
"Was für einen Ruf?" Der Journalist, immernoch filmend, zieht die Augenbrauen hoch.
"Ich bin bekannt in den sozialen Medien. Es wäre nicht gut wenn meine Fans unprofessionelle Aufnahmen von mir sehen würden. Und vorallem für den hier...", er lässt den Dieb los, "wäre es garnicht gut."
Der Dieb rennt los.
Ein breitschultriger Mann lässt seine Reisetasche fallen. Mit ein paar Schritten hat er den Dieb eingeholt und wirft ihn zu Boden. Überrascht hebt dieser den Kopf:
"Wo kamen Sie jetzt so plötzlich her?"
Der Mann antwortet nicht sondern verschrenkt nur die Arme vor der Brust.
"Danke." Der Social Media Star nickt anerkennend mit dem Kopf. "Sie sind Soldat, oder? Ihre Tarntasche..."
"Ja."
"Wow!" Das kleine Mädchen läuft zögerlich auf ihn zu, bleibt aber in einigem Abstand stehen: "Ich habe noch nie einen echten Soldaten gesehen!" murmelt sie vor sich hin. Etwas lauter: "Hast du schonmal Jemanden getötet?"
"Ja."
Das Mädchen weicht etwas zurück und drückt den Teddy an sich.
"He, keine Angst, ich tu dir nichts. Ich kämpfe nur gegen bewaffnete. Oder Leute wie den hier." Mit einer Kopfbewegung deutet er auf den Dieb.Schon eine Weile mustert der Mann von der Bude mit den heißen Maroni den Soldaten. Er hat dunkle, fast schwarze Haare und seine Haut ist dunkel. Jetzt meldet er sich zu Wort:
"Hey! Soldat, ich kenne sie. Sie waren in Afghanistan. Ja, da habe ich sie kennengelernt. Am Abend bevor ich abgereist bin. Sie saßen in der Bar meiner Eltern, stockbesoffen. Sie haben mir erzählt, dass Sie gerade erst angekommen seien. An dem Tag sei ihr erster Einsatz gewesen. Ja, das weiß ich noch. Sie haben gesagt, Sie hätten das erste Mal jemanden umgebracht, einen Landsmann von mir. Sie haben sich entschuldigt, Sie haben mich gebeten, Ihnen zu helfen..."
"Ich erinnere mich nicht."
"Das ist kaum verwunderlich. Sie hatten so viel getrunken, da würde kein Kopf mithalten. Kommen Sie, ich gebe Ihnen eine Portion Maroni gratis, auf das Wiedersehen. Sie haben mir damals Leid getan. Was für ein Zufall, dass ich Sie hier wiedersehe!"
Eine Pause. Alle sehen erwartungsvoll den Soldaten an. Er zögert. Schließlich nickt er kurz.
"Danke. Aber wissen Sie, ich mag keine Maroni. Geben Sie sie dem Mädchen."
DU LIEST GERADE
Kurzgeschichten [Sammlung]
Historia CortaHier sind verschiedene Kurzgeschichten. Ich schreibe sie als Übungen, sie sind sicherlich nicht perfekt, konstruktive Kritik und Feedback ist herzlich willkommen! :)