16. Kapitel - Cora

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Ein Plus war bei vielen Dingen eine gute Nachricht, richtig? Bei Noten in der Schule, bei den meisten Geräten und es verband Zahlen oder Menschen miteinander. Und eine Addition war immer nur ein Vermehren, niemals ein Verlust.

Wieso zeigte sich dann ein Plus auf diesem blöden Schwangerschaftstest? Wieso? Vielleicht war er auch falsch, es gab keine einhundert prozentige Sicherheit für ein positives Ergebnis, oder?

Ich sackte neben der Badewanne zusammen und ließ mich an ihrer Wand heruntergleiten bis ich auf dem Boden saß. Es war nicht ernüchternd, für mich gab es keinen sonst so betitelten Boden der Tatsachen. Das konnte ich nicht hinnehmen. Es durfte nicht sein. Wie sollte ich das nur meinem Vater – richtig, ich würde ihm nichts mehr beichten müssen. Nie wieder. Allerdings war es nicht gerade förderlich in diesem Moment, daran zu denken.

Weinend hockte ich Ewigkeiten im Badezimmer, stützte meine Arme und mein Gesicht auf dem Rand der Wanne ab. Mehr tat ich lange Zeit nicht. Bis mir irgendwann die Tränen ausblieben und ich zitternd an der Wand lehnte, nachdachte und zum ersten Mal realistische Gedanken zuließ.

Müsste ich nicht dem Vater Bescheid geben? Es konnte nur Malcolm sein, denn außer ihm hatte ich nie mit Jemandem geschlafen. So viel zu dem Thema, das ich ihn aus meinem Scheiß heraus halten wollte. Es klappte, wie immer bei mir, super.

Wir hatten seit Tagen nicht mehr miteinander gesprochen, weil ich immer abgeblockt hatte. Mir war nicht nach Reden gewesen. Leider lag dies nicht einmal an ihm, sondern daran, dass er kein Werwolf war und ich ihm die ganze Geschichte nicht erzählen konnte, die mir so viele Schmerzen bereitete. Es war ein schrecklicher Gedanke, dass ich nicht offen mit ihm darüber sprechen konnte und ich ihm bestimmt Sorgen bereitete.

Er schickte mir fast jeden Tag Nachrichten, fragte nach mir oder versuchte kleine Gespräche am Laufen zu halten. Ohne ihn hätten wir seit Wochen keinen Kontakt mehr gepflegt und würden wahrscheinlich nichts mehr vom Anderen hören. Er war echt ein guter Kerl.

Mein Vater hätte ihn bestimmt gemocht, wenn sie sich kennengelernt hätten. Er war allgemein sehr aufgeschlossen gewesen. Allerdings hätte er mich trotzdem wohl einen Kopf kürzer gemacht, wenn er erfahren hätte, dass ich es mit der Verhütung vermasselt hatte. Er hatte mich natürlich darüber aufgeklärt und ganz offen mit mir gesprochen. Mit einem Arzt als Vater hatte man bezüglich dieser Themen wenig Schamgefühl. Zumindest war es mir so ergangen. Auf jeden Fall wäre er nicht begeistert gewesen, aber er wäre im Haus gewesen und wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihm davon erzählen können. Er wäre trotz allem für mich da gewesen, das wusste ich gewiss.

„Scheiße", fluchte ich leise vor mich hin. „Mein Leben hasst mich wirklich."

Ein paar bemitleidenswerte Momente und Flüche später, hatte ich mich aufgerichtet, meine Kapuzenjacke übergeworfen und schloss die Haustür hinter mir. Zumindest hatte ich dies geplant, denn nachdem ich den Schlüssel gedreht und abgeschlossen hatte, traf ich auf unerwarteten Besuch.

„Hi, Cora", grüßte er mich vorsichtig. „Sag mal, weinst du etwa?" Er kam auf mich zu, hielt zwischen uns jedoch eine gewisse Distanz, die ich in diesem Augenblick sehr schätzte.

„Jonas", war das einzige, das ich hervor brachte. Ich rieb mir die nassen Wangen und hoffte so, den Tränen endlich Einhalt zu gebieten. Sein Besuch kam sehr ungelegen, aber wie sollte er dies wissen? Er war in den letzten Wochen häufiger einfach vorbeigekommen.

„Was ist passiert?" Plötzlich war er wieder ziemlich mutig, aber wenn er mir mit Unsicherheit entgegengetreten wäre, hätte dies womöglich gar nichts gebracht. Wir brauchten hier nicht Zwei von meiner Sorte.

„Ist kompliziert", wank ich ab und wünschte mir wirklich, dass er es darauf beruhen lassen würde. Zum Einen war ich zu überfordert mit dem ganzen Chaos in mir und zum Anderen wüsste ich nicht einmal annähernd, wie ich ihm diese Botschaft überbringen sollte. Ich hatte es nicht einmal selbst verkraftet und verarbeitet, da würde ich wohl kaum die richtigen Worte dafür finden. „Ich muss dringend Jemanden treffen. Können wir später reden?"

Bevor ich dich trafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt