17. Kapitel - Lloyd

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Wie unheimlich froh ich darüber war, dieses Auto zu verlassen, konnte ich kaum in Worte fassen. Allerdings erwartete mich gleich die nächste böse Überraschung, so viel stand fest.

„Pass auf und benimm dich respektvoll, ja?", sprach mein Vater zum Abschied, ehe er seufzte „Pass vor allem auf dich auf." Er wusste, dass ich mich gegenüber allen Anführern sehr gut benahm. Aufgrund meiner Art oder meiner Wortwahl hatte ich mir noch nie Feinde gemacht. Gut, Jonas ausgenommen – und Isaac, bei dem ich absolut keine Ahnung hatte, weshalb er mich so verachtete.

„Mach ich, Dad." Damit warf ich die Beifahrertür zu und wartete, bis das Auto aus der Einfahrt gefahren war. Erst danach drehte ich mich zum riesigen Anwesen hinter mir und schluckte. Es war gewaltig und solid – ein prächtiges Kunstwerk aus massiven, gestapelten Holzstämmen und schönen Holztüren und gleichartigen Fenstern.

Ich sah das Haus des Alpha zum ersten Mal. Doch es wirkte vertraut, wie ein Teil des Waldes auf mich. Zum Einen spürte ich Freude in mir, zum Anderen eine gewisse Ehrfurcht. Wer wusste schon, was mich im Inneren erwarten würde? Diese Ungewissheit mochte ich nicht. Noch bevor ich an der Tür klopfte, wurde mir flau im Magen.

Es dauerte nicht lange, da wurde mir die Tür geöffnet. Hinter ihr kam Kathrin hervor. Sie trug über ihrem hellblauen Shirt und der Jeans eine schwarze Schürze. Anscheinend backte sie gerade, denn das weiße Mehl konnte man nur allzu gut auf dem dunklen Stoff erkennen.

„Oh Lloyd, komm doch herein", säuselte sie und ließ mich eintreten. „Carlos ist noch Oben, ich gebe ihm Bescheid. Du kannst so lange im Wohnzimmer auf ihn warten." Sie schob sich mit ihren mehligen Fingern die braunen Haare hinters Ohr, sodass diese etwas vom weißen Staub abbekamen. Dann deutete sie auf den Raum rechts und rief mir noch hinterher, dass sie mir gleich etwas zu Trinken bringen würde. Daraufhin verschwand sie die überaus große, offene Treppe in der Mitte des Hauses, hinauf.

Wie sie vorgeschlagen hatte, begab ich mich ins Wohnzimmer auf der gegenüberliegenden Seite zur Küche, aus der leise Musik aus dem Radio zu vernehmen war. Ohne groß nachzudenken, nahm ich auf dem Sofa Platz. Sicherlich würde Carlos gerne im Sessel sitzen, mein Vater liebte das ebenfalls. Keine Ahnung, was ältere Männer in Führungspositionen für einen Fetisch mit ihren Sesseln hatten – und ich wollte auch gar nicht länger darüber nachdenken.

Allerdings hielten mich diese dummen Gedankengänge davon ab, in Panik und Angstschweiß zu verfallen. Ich hatte sowieso kein gutes Gefühl bei diesem ganzen Vorhaben, aber ich kam nicht ganz so gut mit fremden Umgebungen klar. Es war das Haus vom obersten Anführer und riesig noch dazu. Allgemein war ich immer ziemlich nervös, aber der Aufenthalt hier sprengte jetzt schon beinahe meine nervlichen Grenzen. Und ich hatte Carlos noch nicht einmal getroffen.

Dieser stand jedoch bald darauf im Türrahmen, richtete sein helles Hemd und trat dann mit einem Lächeln zu mir ins Wohnzimmer. Ob aufgesetzt oder nicht, konnte ich nicht erfassen, doch mir rutschte trotzdem das Herz in die Hose.

„Tut mir Leid, dass du warten musstest", eröffnete er das Gespräch mit einer ausgelutschten Floskel, „und das ich dich so plötzlich herbeordert habe." Das hatte er. Heute Morgen gab es einen Anruf und nur zwei Stunden später war ich nun hier. Das ich in meinem Leben einmal einen persönlichen Anruf vom Alpha bekommen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Tja, es war passiert.

„Das ist kein Problem, wirklich." Viel schlimmer war wohl das, was noch kommen würde. Weshalb bestellte er mich zu ihm? Und das so plötzlich? Eine Zeit lang hatte ich sogar geglaubt, dass er nicht mal wüsste, wer ich war, aber dies konnte ich nun schnell wieder aus meinem Kopf streichen. Der Mann vor mir wusste ganz genau, wer ich war und das hatte er immer gewusst.

„Magst du etwas Trinken? Kaffee, Tee oder Saft vielleicht?"

„Ein Wasser würde mir reichen", antwortete ich und achtete darauf, ihm dabei in die Augen zu sehen. Zumindest versuchte ich, höflich zu sein, aber es war wirklich schwer, im Augenblick nicht durchzudrehen in der Anwesenheit des Alpha. Ich hatte keine übermäßige Angst vor ihm selbst als Person, viel mehr wurde ich von seiner Präsenz als Alphawolf unterdrückt. Und dem konnte ich mich nicht widersetzen.

„Dann warte kurz." Er hatte zwei Mineralwasserflaschen auf dem Tisch stehen, ebenso wie einige umgedrehte Gläser. Natürlich wollte ich – allen Gründen voraus - keine Umstände bereiten, aber tatsächlich klang der Gedanke an kühles Wasser ziemlich verlockend im Angesicht der Situation. Bei warmen Getränken neigte ich dazu, mich zu entspannen und das konnte ich gerade nicht zulassen.

Bevor ich dich trafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt