8. Kapitel - Darius

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Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, war ich überzeugt davon, es einfach hinter mich zu bringen. Ein anderer Ausweg würde sich mir nicht aus heiterem Himmel auftun und die Aufgabe von Carlos erledigen. Dennoch war der Gedanke daran wirklich schön.

„Hallo, Darius", begrüßte mich Alannah mit einem sanften Lächeln und öffnete die Tür vollständig, damit sie mir vollständig gegenüberstehen konnte. „Komm doch herein."

Dies ließ ich mir nicht zwei Mal sagen und saß schlussendlich mit ihr am Esszimmertisch mit einer Tasse frisch aufgebrühtem Tee vor mir.

„Ryo ist gerade unterwegs, aber du kannst gerne auf ihn warten. Ich schätze, dass er schon bald zurück sein wird." Damit war meine Frage beantwortet und ich nickte verstehend. „In der Zwischenzeit setze ich noch etwas Tee auf. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?"

Sie war so weltoffen und hilfsbereit, dass es mir bei jedem unserer Treffen das Herz erwärmte. Allein ihre Art und wie sie mich ansah, so wissend und doch akzeptierend und warm, schaffte es dieses Gefühl in mir auszulösen. Ich verneinte und sah, wie sie sich vom Türrahmen abstieß und in die Küche eilte.

Ich war schon immer gerne bei den Kawaharas zu Besuch gewesen, denn sie ließen mich heimelig fühlen. Allerdings war der aktuelle Anlass Grund genug, dass ich mich etwas vor dem Auftauchen an ihrer Türschwelle gedrückt hatte.

„Ist Ryo mit Lloyd unterwegs?", versuchte ich ein Gespräch aufzubauen, als Alannah mit der Teekanne zurück in den Raum trat. Ihr Kopfschütteln machte mich stutzig und sie erhielt sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Nein, er ist mit Akio unterwegs. Lloyd ist oben in seinem Zimmer." Also hatte Akio wohl endlich seinen Zimmer verlassen, was? Bei meinen letzten Besuchen hatte ich von ihr und ihrem Mann immerzu besorgte Worte und Blicke erhascht, wenn ich nach seinem Verbleib gefragt hatte. „Die Beiden sind heute zum ersten Mal wieder trainieren gegangen – aber so wie es aussah, wird Akio bestimmt nicht in der Lage sein, das gewöhnliche Training durchzuhalten."

„Ist es immer noch so schlimm? Ich möchte nicht lügen – ich habe den medizinischen Bericht gelesen, aber ich hoffe doch, dass Alles bald wieder in Ordnung kommt, oder?" Das hoffte ich wirklich. Der Erstgeborene meiner Freunde, die mich immer bei sich aufnehmen würden, in jeder Lage und ohne Fragen zu stellen, war nicht nur mit dem Schrecken davon gekommen.

Nein, der Schrecken hatte ihn nahezu gepackt, wie es aussah. Etwas stimmte nicht, es war nicht normal. Niemand litt dermaßen unter einem verlorenen Rangkampf. Es war schon oft vorgekommen, dass junge Werwölfe ihren ersten Kampf verloren, dass war weder ungewöhnlich, noch merkwürdig, aber das Verhalten des Jungen beunruhigte nicht nur mich, sondern seine Familie und im Anschluss betraf es das gesamte Rudel. Wir waren eine große Familie, auch wenn wir nicht alle blutsverwandt waren, so hielten wir doch zusammen.

„Ich hoffe es auch", warf sie traurig ein, „aber er wurde so derart zugerichtet und er leidet immer noch darunter – es ist kaum zu ertragen, ihn so zu sehen." Es war ihr Sohn und ich wusste, wie viel ihr ihre Kinder bedeuteten, nämlich die Welt. Ihre Welt war ihre Familie, alles drehte sich darum und dies ließ sie zu solch einer starken Einheit werden.

„Es ist ein gutes Zeichen, wenn er wieder Trainieren geht und sein Zimmer verlässt", deutete ich vorsichtig an, da ich nicht wusste, wie weit ich mit meinen Aussagen gehen durfte. „Vor ein paar Tagen sah es da ja noch ganz anders aus. Er scheint sich zu erholen und ich hoffe sehr, dass er dies weiterhin tun wird. Es war echt ein ganz schöner Schreck – ich trage auch mit die Verantwortung, weil keiner von uns dem Kampf beigewohnt und ihn überwacht hat. Beim ersten Kampf sollte das eigentlich keine Frage, sondern mittlerweile Routine sein."

„Du musst dich deshalb nicht schlecht fühlen, ganz und gar nicht. Es hätte Jedem passieren können und jetzt können wir sowieso nichts mehr daran ändern", erklärte sie mir mit einem schmalen Lächeln auf den Zügen, zu dem sie sich offensichtlich zwingen musste. „Es ist okay. Das muss es ja irgendwie sein, schätze ich?"

„Na ja", murmelte ich leise, „nicht unbedingt, aber ich verstehe denke ich annähernd, was du meinst." Vermutlich tat ich es nicht einmal annähernd, aber sie schien zu wissen, worauf ich hinaus wollte. „Tut mir Leid, dass ich das Thema einfach so angesprochen habe."

„Das muss es nicht, wirklich", wank sie ab und nahm einen großzügigen Schluck aus ihrer Tasse. „Kannst du mir etwas versprechen? Kannst du mir bitte Bescheid geben, wenn es etwas Neues dazu gibt? Kannst du es versprechen?"

Ich überlegte eine Weile, denn ich wusste, dass es mir in den meisten Fällen nicht einmal zustand, Daten oder Informationen einfach so an andere Mitglieder des Rudels weiterzugeben. Carlos entschied mit darüber in den meisten Fällen und sonst galt eine allgemeine Schweigepflicht für alle Ratsmitglieder und Anführer.

„Wenn ich etwas Handfestes in Erfahrung bringe, dann werde ich es dir mitteilen." Dennoch entschied ich mich, ihrer Bitte nachzukommen. Sie war eine Mutter und dazu unübersehbar in Sorge, da konnte ich nicht ablehnen.

„Danke, Darius. Danke." Ich sah ihr die Dankbarkeit und Erleichterung an, ohne das sie es hätte aussprechen müssen.

„Das ist das Mindeste, dass ich für euch tun kann", beteuerte ich lächelnd und hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Sie kamen wohl wirklich schon zurück, genau wie es vorhergesehen wurde.

Bevor ich dich trafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt