Kapitel 1

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Mama hat mir meine Haare am ersten Tag in der neuen Schule zu zwei Zöpfen geflochten und mir ein blau-weiß gestreiftes Kleid rausgelegt. Stolz befestige ich die pinke Uhr an meinem Handgelenk und rücke meinen Haarreifen zurecht. Ich fühle mich wunderschön, beinahe wie eine Prinzessin, bin aber gleichzeitig so aufgeregt, dass ich fast mein Müsli verschütte.

Mama hält mir auf dem Weg zur Schule im Auto die Hand, während Papa und ich meine Lieblingskassette mitsprechen. Als wir endlich da sind, habe ich den Sitz vor mir ganz staubig gestrampelt, aber meine Eltern sind mir nicht böse.

Meine Füße tragen mich wie von selbst durch das große Schultor und auf den Pausenhof, auf dem ein paar Kinder einen Ball kicken. Am liebsten hätte ich mitgespielt, aber Mama zieht mich an der Hand weiter bis wir zu einer Glastür kommen. Vor der Tür steht eine lockige Frau mit einer roten Brille. „Guten Morgen, ich bin Frau Schmidt", sagt sie und schüttelt meinen Eltern die Hand. „Guten Tag, unsere Tochter ist eine neue Schülerin." Die Frau lächelt mich an. „Hallo, wie ist denn dein Name?" „Ich heiße Carolina, aber meine Freunde nennen mich Caro." „Schön dich kennenzulernen, Caro, ich bin deine Englischlehrerin." Ich nicke, bin aber mit den Gedanken ganz woanders. Ich will endlich rein.

Durch die Tür kann man in einen Raum blicken, in dem hinten eine Sonne gemalt wurde. Ist das ein Klassenzimmer? Mein Klassenzimmer? Ich bin so beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekomme, wie Mama und Papa sich verabschieden.

Frau Schmidt reißt mich aus meinen Gedanken, als sie sagt: „Caro? Komm, ich zeig dir deinen Klassenraum." Sie nimmt mich an die Hand und geht mit mir in die Schule. Der große Raum mit der Sonne ist gar kein Klassenzimmer, stelle ich fest. Gar keine Stühle und Tische stehen da, aber dafür zwei rote Sofas und ein kleiner Tisch dazwischen. Frau Schmidt erklärt, dass das Foyer ist, in dem manchmal Kuchenbasare stattfinden. Links, sagt sie, sind die ersten Klassen. Wir gehen rechts rum und da ist das Lehrerzimmer und gegenüber ein Flur, wo es zu der zweiten und dritten Klasse geht. Aber wir biegen da nicht ab, sondern erst im nächsten, denn ich bin ja schon in der vierten Klasse. Mein Klassenzimmer ist das ganz hinten durch, die 4a. An der Tür verabschiedet sich Frau Schmidt von mit und wünscht mir einen schönen ersten Schultag. Dann bin ich allein.

Vorsichtig gucke ich in den Raum. Viele Tischreihen gucken zur Tafel links an der Wand. Ein paar Schüler*innen sind auch schon da. Sie sitzen weiter hinten auf einer blauen Couch und erzählen über Beyblades. Sie bemerken gar nicht, das ich da bin. Aber das finde ich nicht schlimm, so kann ich sie noch eine Weile beobachten.

„Bist du ein Spion?" Ich zucke vor Schreck zusammen und suche nach der Person, die mich erschreckt hat. Neben mir steht ein Mädchen mit braunen Haaren und einer blonden Strähne. „Bist du ein Spion?", fragt es wieder. „Ich? Nein, ich hab' die nur beobachtet." „Spione beobachten auch, das weiß ich von meinem Bruder. Der spielt auch immer Spion mit seinen Freunden." „Nein, nein, ich bin neu hier. Ich wollte erst sehen, wie das Klassenzimmer aussieht, bevor ich reingehe." „Achso", sie zuckt mit den Schultern. Ich mache es ihr nach. „Also ich bin Caro", sage ich und strecke ihr die Hand entgegen. „Paula." Sie greift nach meiner Hand und wir schütteln einander so doll die Hände, dass unsere Arme mitwackeln. Als wir uns loslassen kichern wir beide.

„Komm, ich zeig dir meinen Platz." Paula greift wieder nach meiner Hand und zieht mich ins Klassenzimmer. Sie zieht mich in die zweite Reihe ans Fenster, durch die man ein kleines Blumenbeet sehen kann. „Magst du Blumen?", fragt Paula, weil ich so lange rausgeguckt habe. „Ja, sehr gerne. Meine Oma hat einen Garten – der ist richtig toll." „Wir haben auch einen. Meine Mama pflanzt da immer Rosen und Erdbeeren und so. Du kannst mich ja mal besuchen kommen und dann zeig ich sie dir." Begeistert nicke ich. „Au ja!"

Auf einmal steht ein weiteres Mädchen neben uns. „Paula, hast du Matti gesehen? Er hat mein Plakat, das für den Vortrag." „Nein, ich hab ihn nicht gesehen."

Nur drei SätzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt