Freya löste sich aus der Umarmung, hielt ihn an den Schultern und schaute ihm in die Augen.
"Zu lang ist her das ich dich gesehen habe. Wie geht es dir?"
Während sie ihm in die Augen schaute, erinnerte er sich an dieses Funkeln in ihren Augen. Schon als Kind leuchteten ihre Augen, wenn ihr Vater von einer Geschäftsreise wieder nach Hause kam. Es war dieses unschuldige Leuchten in ihren Augen, welches in ihm diesen Beschützerinstinkt weckte.
"Dem Umständen entsprechend ganz gut. Danke der Nachfrage. Wie geht es Euch, Eure Hoheit?" antwortete er mit einem Lächeln. Er wusste, dass sie es nicht mochte, wenn er sie mit ihrem offiziellem Titel ansprach.
Mit hochgezogener Augenbraue musterte sie ihn für einen Moment. Kurz daraufhin zierte ein leichtes Lächeln ihre Lippen und sie schüttelte belustigt den Kopf. Für sie hörte sich die Höflichkeit aus dem Mund ihres eigenen Bruders fremd an.
"Ich muss gestehen, dass ich dich schon den ganzen Tag freudig erwartet habe. Und jetzt da du endlich angekommen bist bin ich umso glücklicher."
Ihre Worte taten ihm gut. Schon lange hatte er das Gefühl von da Heim sein nicht mehr gespürt. Zumindest nicht in demselben Ausmaß wie in diesem Moment. Ihm war klar, dass dieses Gefühl nur für diesen kurzen Augenblick anhalten würde und deshalb versuchte er sich das Gefühl genau einzuprägen damit er sich in der Zukunft daran zurück erinnern konnte. Und falls ihn die Einsamkeit mal wieder überkommen sollte, würde er sich zurückerinnern und wissen das er nicht allein sei. Illyrion wandte sich wieder zum Prinzlor welcher ihm leicht zulächelte. Dennoch stand ihm eine unterschwellige Besorgnis ins Gesicht geschrieben.
"Ich bin sicher es war eine anstrengende Reise. Die Kammerzofen werden Sie zu Ihren Gemächern führen. Kommt erstmal gut an, bevor wir wichtigere Angelegenheiten besprechen."
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Als Illyrion seine Gemächer betrat, überfiel ihn ein leichtes Gefühl von Unbehagen. Er war die pompöse Einrichtung und die Größe der Räumlichkeiten einfach nicht gewohnt. Er selbst wohnte in einem kleinen Haus in der Getreidedynastie Triticum. Sein bescheidenes Heim war im wahrsten Sinne des Wortes das genaue Gegenteil dieses Gemaches. Dieses Gemach war mindestens dreimal so groß, wie seine gewohnte Umgebung. Durch die großen Fenster fiel viel Licht in das Gemach. Der dunkle Vorhang der vom Plafond runterhing war dichter als gewöhnliche Schleier. Es zeugte von teurem und sehr qualitativen Material. Direkt auf der rechten Seite stand ein großes Bett mit dunklem Bettgewandt. Die dunkle EInrichtung stand im Kontrast zum hellem Kalkstein der Burg. Ein Teppichfell eines Bären zierte den Boden. Auf dem Nachttisch stand eine Kerze und auf der linken Seite des Gemaches befand sich ein Tisch mit einer Feder, Tinte und Pergamentpapier. Die ganze Räumlichkeit wirkte groß und war sichtlich dafür gedacht um wohlhabende Persönlichkeiten zu beherbergen.
Illyrion schreitete zu einem der großen Fenster und betrachtete die Aussicht. Von seinem Gemach aus konnte man die Stadt und die Felder von Bullar sehen. Weit in der Ferne erstreckten sich die Berge von Cabro. Die Kohledynastie, Cabro, war reich an natürlichen Rohstoffen. Obwohl die Kohledynastie an Bullar und Triticum grenzte, war er nicht oft dort gewesen. Als er jünger war, musste er seinen Vater auf ein paar Geschäftreisen nach Cabro begleiten. Von dem an was er sich erinnerte, waren nur noch paar Erinnerungsfetzen an die dreckigen Mienenarbeiter und den großen steinernen Marktplatz vor dem prachtvollem Magisteriumgebäude geblieben. Es war eine sehr graue Erinnerung. Die Architektur der Kohlendynastie war aufgrund der steinigen Umwelt und dementsprechend auch der natürlichen Ressourcen, sehr Stein lastig. Im Gegensatz zur Kohledynastie war die Hauptdynastie, Bullar recht hell und majestätisch. Natürlich war sie das. Es war die Dynastie des hohen Prinzlors. Nur die besten Steinhauer und Hausbauer waren hier am Werke. Allerdings konnte man schon einen geraumen Unterschied zwischen den Bauwerken in der Stadtmitte und Stadtrand sehen. Durch ein Klopfen an der Tür wurde Illyrion aus seinen Gedanken gerissen. Langsam bewegte er sich zur dunklen und holzigen Tür um diese zu öffnen und zu erspähen wer nun etwas von ihm wollte. Als er die Tür öffnete, erblickte er seine Schwester Freya begleitet von einer Wache.
"Eure Hohheit" eriwderte er und machte einen leichten Knicks.
"Lyr!" sagte sie mit einem freudigem Lächeln. "Darf ich rein kommen?"
"Natürlich, Euer Hohheit." beantwortete er ihre Frage.
Freya wandte sich an den Wachen, der sie begleitet hatte und bat ihm draußen vor der Tür weiterhin Wache zu halten. Daraufhin betrat sie das Gemach ihres Bruders und schloss die Tür hinter sich.
"Wie kann ich Ihnen behilflich sein?" fragte Illyrion mit einem süffisanten Lächeln.
Freya schnaubte darauf hin genervt, verdrehte die Augen und ging weiter in das Gemach.
"Lass das Lyr! Zumindest hier unter vier Augen musst du mir nicht mit diesem Geschwafel kommen. Weißt du wie lang es her ist, dass jemand mich bei meinem Namen angesprochen hat?"
Freya zupfte sich an ihren Kleid und richtete es, nur mich auf das Bett fallen zu lassen. Dies brachte Illyrion unvereidlich zum Lachen. Das Verhalten seiner Schwester erschien ihm gerade in diesem Moment nicht besonders majestätisch.
"Die im ganzem Lande hoch geschätze Frau des hochen Prinzlors, Freya Illouyel, gibt sich so elegant wie eh und je." neckte er sie und setzte sich neben sie auf das große Bett.
"Ach sei leise" sagte sie und stupste ihm leicht spielerisch an den Arm.
Ein kurzes, aber angenehmes Schweigen legte sich über die Geschwister.
"Schön das du immer noch die Gleiche bist." sagte Illyrion schließlich mit einem nostalgischem Lächeln.
"Natürlich bin ich noch die Gleiche." lachte Freya. "Dachtest du, dass ein paar schöne Kleider und teurer Schmuck, sehr sehr teurer Schmuck wenn ich anmerken darf, würden mich zu einer abgehobenen Königin machen?"
Illyrions Augen trafen auf Freyas helle blaue Augen. Gespielt wackelte er mit den Augenbrauen und lächelt ihr ins Gesicht.
"Wenn du nur wüsstest wie schnell sich Dinge verändern können."
Es war nur eine verspielte Antwort, doch beiden war die unvermeidliche Wahrheit seiner Worte durchaus bewusst. Freyas atmete tief aus und ihr Blick richtete sich nach oben an die Decke. In Gegensatz zur majestätischen Deckenbemalung im Thronsaal, sah die Decke im Gemach ihres Bruders sehr kahl und traurig aus.
"Bald werden weitere Abgesandten eintreffen." sagte sie ermüdet.
"Welche Abgeordneten sind schon hier?" fragte Illyrion mit einer gewissen Spur von Neugier. Es wäre gut zu Wissen wen er heute noch antreffen würde. Am späten Nachmittag würde das erste Festmahl stattfinden. Traditionell gab es mit der Einberufen des Rates der Dynastien immer ein großes Fest in der Hauptdynastie. Der Rat der Dynastien war in der Vergangenheit immer ein Fest des Friedens. Es solle die Einigkeit des Landes symbolisieren. Doch dieses Mal fühlte es sich nicht so an wie ein Fest. Die Botschaft die der hohe Prinzlor zukommen lassen hatte, machte ihm Sorgen.
"Der hohe Prinzlor lässt verkünden, die Einberufung des Rates der Dynastien. Die Abenddämmerung läutet den Beginn der tiefdunklen Nacht an. Möge die Sonne hell scheinen bevor sie letztendlich untergeht."
"Bisher sind du, der Abgeordnete Priester der Feuerdynastie, Ignis, der Abgeordnete der Walddynastie, Silva und der Abgeordnete der Schattendynastie, Gladio, anwesend." sagte Freya.
Als sie den Abgeordneten der Schattendynastie erwähnte, überkam Illyrion ein beklemmendes Gefühl. Die Gerüchte die über die Schattendynastie umherkursierten, waren letztendlich doch beklemmender als erwartet. Freya bemerkte die wachsende Anspannung in ihrem Bruder und fügte daraufhin noch hinzu: " Der Abgeordnete der Perlendynastie müsste nun auch jeden Moment eintreffen."
Illyrion erinnerte sich an das Lager der Perlendynastie und den Abgeordneten Eckbart Griesberg.
"Müsstest du dann nicht im Thronsaal sein um den Abgeordneten von Lapis zu begrüßen?" fragte Illyrion mit hochgezogener Augenbraue.
"Die Anwesenheit meines Gatten ist wichtiger als die meine. Es wird sicherlich ausreichen wenn ich mich beim Festmahl blicken lasse. Der Abgeordnete wird sicherlich Verständnis dafür haben."
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Equilibrium
FantasyEin Herrscher, mehrere Dynastien. Ganz langsam aber sicher stürzt das Land in Chaos. Der langjährige Frieden ist gefährdet. Und eine dunkle Bedrohung erwacht. Die Abenddämmerung läutet ganz langsam aber sicher den Beginn einer tief dunklen Nacht ein.