𝑬𝒓𝒔𝒕𝒆𝒓 𝑺𝒂𝒕𝒛

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„Lass dich vom Bösen nicht glauben machen, du könntest vor ihm Geheimnisse haben."

- Franz Kafka

- Franz Kafka

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Erster Satz

Die Welt folgte Caelan Krasneks Führung, wie es das Orchester tagtäglich tat. So auch heute. Alles an diesem Ort schien sich seiner persönlichen Vorstellung eines Idylls zu beugen: Vor dem rostbraun gestrichenen Haus herrschte ein letzter Abklang des Sommers. Vogelstimmen und eine würzige Brise begleiteten seinen Morgen, und die frühen Sonnenstrahlen tauchten das Speisezimmer in ein warmes Licht. Auf dem Esstisch befand sich alles dort, wo er es wünschte. Zu seiner Rechten die aktuelle Ausgabe ihrer abonnierten Zeitung, links vor ihm eine Tasse Kaffee – zwei Schluck Milch, ein halber Teelöffel Zucker – und direkt vor ihm frisches Gebäck und ein weichgekochtes Ei. Und schließlich – wieder rechts, auf einem der weiteren der Stühle, Vita, seine Frau.

Ein Morgen wie immer. Ganz nach seinem Wohlgefallen.

Und doch war es eben kein Morgen wie immer – genau hier lag das Problem.

Zwar konnte er über dieser friedlichen Szenerie von absoluter Normalität beinahe vergessen, was am letzten Abend vorgefallen war, aber eben nur beinahe. Der Schreck saß ihm nach wie vor tief in den Knochen, selbst wenn er im Augenblick geneigt war, das Ereignis als bloßen Unfug abzutun. Einbildung vielleicht? Er hatte die letzten Wochen hart gearbeitet, war übermüdet gewesen oder die Position der Sterne war ihm nicht gewogen, wie seine Mutter immer zu sagen gepflegt hatte. Von derlei Aberglauben versprach sich Krasnek allerdings nichts, woraus folgte, dass er sich mit der ersten Antwort würde begnügen müssen. Müdigkeit. Erschöpfung. Ja, das war es gewesen. Was denn auch sonst?

Caelan griff nach seiner Tasse, nippte vorsichtig an dem heißen Kaffee und blickte kurz über die Zeitung hinweg zu Vita. Ihre Lippen, die den Rand ihrer eigenen Tasse sachte berührten, formten sich zu einem Lächeln.

Wie hübsch sie jetzt war, mit ihren braunen Locken, die sie morgens provisorisch zu bändigen versuchte, ihren strahlenden grünen Augen und der geraden, ein wenig spitzen Nase. Wie jeden Tag war sie beim Frühstück, ganz im Gegensatz zu ihm selbst, noch in ihren dünnen Morgenrock gehüllt. Auch das war ein Abbild des Friedens und der Normalität, die seine strapazierten Nerven nun so dringend brauchten.

Man mochte vielleicht meinen, dass er alles, was er hier besaß – Haus, Reichtum, Frau – für absolut selbstverständlich hielt und sich seines Glücks gar nicht bewusst war. Aber das war falsch. Es waren vor allem simple Momente wie diese, in denen er hierfür dankbar war.

„Stimmt etwas nicht?", fragte sie schließlich. Selbst wenn sie sprach, konnte Caelan darin die Klänge erahnen, die ihre Stimme auf der Bühne erzeugen konnte. Und wenn es darum ging – dessen war er sich sicher – war sie eine der Besten, eine Sängerin, die einmal zu den berühmtesten dieser Welt zählen würde.

Der DirigentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt